Rheinische Post Erkelenz

Patti Smith fordert Stolz auf Angela Merkel

- VON MAX FLORIAN KÜHLEM

KÖLN „Ich war ein Flügel im blauen Himmel“, singt Patti Smith in „Wing“, dem ersten Song ihres Konzerts, „und ich war frei“. Die Blicke der knapp 5000 Besucher auf der Domplatte schweifen über die Bühnendeck­e nach oben, an der Fassade der gewaltigen Kathedrale entlang bis in den blauen Sommeraben­dhimmel, wo ein Vogel seine Kreise zieht. Die ersten Schauer laufen über den Rücken: Was für eine Kulisse! Was für ein Sound! Was für ein Mensch!

Rechts wird das Bühnenarea­l vom Römisch-Germanisch­en Museum begrenzt, und irgendwie passt auch das, weil die 71-Jährige schon zu Lebzeiten selbst Geschichte geworden ist. Sie hat sich in den 1970er-Jahren von der Beat-Poetin zur Rock-, Punk- und New-Wave-Ikone entwickelt, zur Kämpferin für die Frauenbewe­gung und für Hippie-Werte wie Frieden, Liebe und die Gemeinscha­ft aller Menschen. Doch Patti Smith will und darf noch nicht ins Museum, ihre Mission ist noch nicht beendet.

Vor ihrem dritten Song, „Dancing Barfoot“stimmt sie eine Lobeshymne auf die friedensbe­wegte Folk-Sängerin Joan Baez an: „Sie hatte einen riesigen Einfluss auf mich und ich bin traurig, dass ich ihr Konzert morgen nicht erleben kann.“Die Band steigt in den Song ein und dann geschieht das Wunder: Joan Baez kommt von der Bühnenseit­e, zieht ihre Sandalen aus, umarmt Patti Smith von hinten und beide schwingen während der ersten Strophe zur Musik. Die Besucher – auch viele junge Menschen – springen von ihren Stühlen auf und jubeln für zwei Frauen mit leuchtende­n weißen Haarschöpf­en, die ihnen noch so viel zu sagen haben.

Zum Beispiel, dass man in Deutschlan­d ruhig ein wenig stolz sein könne auf Kanzlerin Angela Merkel: „Sie steht sehr tapfer, aber allein in einem großen Kampf um Menschlich­keit“, ruft Patti Smith. „Schenkt ihr euer Mitgefühl!“

Die barfüßige Tanzeinlag­e bleibt nicht Joan Baez‘ einziger Gastauftri­tt: Für den Bob-Dylan-Song „A Hard Rain’s Gonna Fall“kommt sie zurück, singt die zweite Stimme, und wieder muss man an die Pop-Geschichte denken: Joan Baez war einst die Geliebte Bob Dylans, als beide noch ungebroche­n für die Folk- und Friedensbe­wegung standen. Und Patti Smith hat genau diesen Song auf der Verleihung des Literaturn­obelpreise­s an Bob Dylan in Abwesenhei­t des Künstlers gesungen – und sich versungen, weil sie so ergriffen war von der Größe des Ereignisse­s. In Köln ist vor allem das Publikum ergriffen: von einer großartige­n Frau, die so viel Liebe und Mitgefühl ausstrahlt wie Kampfgeist. Alle ihre Worte, Gesten und Klänge sagen: „Und jetzt geht hinaus und macht diese Welt zu einer besseren!“

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FOTO: DPA Die Sängerin Patti Smith

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