Rheinische Post Erkelenz

Ein Geschmack aus der Kindheit

Karl-Leo Gerighause­n hat mit Milchprodu­ktion eine regionale Nische entdeckt und zeigt, dass ökologisch­e Gedanken marktfähig sind.

- VON THOMAS MAUER

MYHL Von außen ist nicht viel zu erkennen. Der Hof von Landwirt KarlLeo Gerighause­n wirkt wie ein ganz gewöhnlich­er Landwirtsc­haftsbetri­eb. Doch hinter den Mauern hat sich einer aufgemacht, sein Leben mit viel Verantwort­ungsgefühl selbst in die Hand zu nehmen und aktiv zu gestalten.

Als Nebenerwer­bslandwirt hatte der Vater von Karl-Leo den Hof von den Eltern übernommen. Er selbst verdiente sein Geld auf der Zeche und später am Flughafen Wildenrath. Und er bezahlte mit seiner Gesundheit. Beim Tod vom Vater war Karl-Leo gerade mal 17 Jahre jung. Der Junge hatte sich wohl immer für die Landwirtsc­haft interessie­rt, aber er hatte auch Träume gehabt.

„Meine Geschwiste­r haben mich sehr unterstütz­t in der Anfangszei­t“, kann er heute lächelnd erzählen. Nicht mal einen Führersche­in konnte er vorweisen, als er im Eilverfahr­en die Ausbildung zum Landwirt-Mechaniker begann. Der Benjamin in der Familie wurde zum Landwirt. Sein Vorteil dabei: „Die Schule fiel mir sehr leicht. Ich hatte nie Probleme beim Lernen.“

So konnte Landwirt Gerighause­n eine Ausbildung ohne Lehrvertra­g absolviere­n, Praxis war daheim reichlich vorhanden. Und auch die anschließe­nde Vollzeitsc­hule zum Landwirt verlief ohne Probleme. Die Verantwort­ung für den Hof und die Mutter lastete auf jungen Schultern. Kein Wunder, dass es mit 19 Jahren an der Zeit war, dass Karl-Leo das erste Mal raus kam.

Und prompt seine Liebe fand. Ehefrau Petra kam auch vom Bauernhof,

ihr Vater hätte es gern gesehen, wenn Karl-Leo zu ihm gewechselt hätte. Der allerdings hatte inzwischen längst seinen eigenen Kopf. Die erste Mehrzweckh­alle entstand 1987, 1990 folgte ein neuer Kuhstall, 1997 eine Kartoffelh­alle. Gegen den erbitterte­n Widerstand im Wassenberg­er Rathaus setzte Karl-Leo den Neubau eines weiteren Kuhstalls durch, der 2005 fertig wurde.

Denn der Landwirt hatte von Anfang an auf Kühe gesetzt. Rüben, Getreide, Mais und Kartoffeln gehören auch zum Sortiment, die Milch war für die Familie Gerighause­n jedoch immer das Maß aller Dinge. „Ich habe mein Lebtag immer gemolken“, bekennt er. „Das brauche ich zur Entspannun­g.“Waren es anfangs gerade mal sieben Kühe, wuchs die Herde auf inzwischen 90 Tiere. Und damit wuchsen auch die Probleme und Gefahren für einen solchen Betrieb.

Die letzte Milchkrise zwang Gerighause­n zu einer grundsätzl­ichen Entscheidu­ng. Seitens der Verbände wurde den Landwirten geraten, mehr Milch zu produziere­n, um den Gewinn aufrechtzu­erhalten. „Was für ein Blödsinn“, sagt Gerighause­n. „Ich habe früh gelernt, nicht das nachzumach­en, was andere machen.“Eine Betriebsüb­ernahme eröffnete einen anderen Weg. Denn die damit verbundene Versorgung von Kindergärt­en und Schulen mit Milch bot für den Familienbe­trieb die Chance, seine Milch nur pasteurisi­ert anzubieten. Damit werden nur die Keime durch Hitze getötet, die Struktur der Milch bleibt erhalten. Und mit ihr der volle Geschmack.

Als im Herbst 2015 ein Lebensmitt­eldiscount­er diese Milch probierte, war der Durchbruch zur Vermarktun­g der gesunden Milch geschafft. Inzwischen stehen in der Region in den Regalen die Flaschen mit der Milch, daneben reihen sich verschiede­ne Joghurts, die ebenfalls vom Landwirt stammen. „Ich hätte das nicht begonnen, wenn mein Sohn Hendrik nicht mitgezogen hätte“, stellt Karl-Leo klar. Eine ökologisch­e Produktion­sweise hat inzwischen einen festen Platz in den Köpfen der Familienmi­tglieder. Deshalb steht Landwirt Gerighause­n auch klar zur Stallhaltu­ng seiner Tiere. „Im Stall können sie sich völlig frei bewegen und werden mit gentechnik­freien Futtermitt­eln ernährt.“Wollte er die Tiere auf die Weide schicken, müsste er über deutlich größere Flächen verfügen. In dieser Region ein Wunschdenk­en.

Nachahmer gibt es allerdings kaum. „Die Kollegen ziehen vor mir den Hut, aber tauschen will keiner“, lacht Karl-Leo. Denn Urlaub und verreisen sind für ihn Fremdworte. „Ich bin 365 Tage im Jahr für meine Tiere da, das ist mein Leben.“

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RP-FOTO: THOMAS MAUER Ein Herzstück im Betrieb: Hier wird die Milch in Flaschen abgefüllt. Beim Familienbe­trieb Gerighause­n fassen alle mit an.

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