Wirecard mehr wert als Deutsche Bank
Der Zahlungsabwickler ist einer der wenigen Überlebenden aus der Dotcom-Blase der Jahrtausendwende. Im September könnte das Unternehmen in den Dax aufsteigen – womöglich anstelle der Commerzbank.
FRANKFURT Wer aus der Ecke Glücksspiel und Pornografie stammt, muss Einiges tun, um das Vertrauen von Anlegern an der Börse zu gewinnen. Damit hat Wirecard Erfahrung – und die ist positiv. Denn am Dienstag ist der Zahlungsdienstabwickler erstmals an der Deutschen Bank vorbeigezogen: Börsenwert: 21,0 Milliarden Euro – rund 200 Millionen mehr als die Deutsche Bank zur gleichen Stunde.
Die Idee für das Unternehmen wurde geboren in einer Zeit, in der fast alles, was auch nur entfernt mit Internet zu tun hatte, reißenden Absatz an den Börsen fand. Der Hype um die Tec-Blase zerplatzte allerdings im Jahr 2000 und machte viele Anleger ärmer. Wirecard, 1999 gegründet und seit 2000 an der Börse, ist eines der wenigen Unternehmen die überlebt haben. Die Idee: Zahlungen über das Internet abzuwickeln. Die Idee kam gut an bei Online-Kollegen, die virtuelle Casinos für Glücksspiele aufbauten oder Pornografie anboten. Auch heute gibt es noch Kunden in diesem Bereich, allerdings ist ihr Anteil mittlerweile gering. Wirecard ist heute als Zahlungsabwickeler etabliert – bei Überweisungen, Online-Services, mobilem Bezahlen über Apps auf Smartphones. Zwar regeln die Menschen weltweit nach wie vor rund 80 Prozent ihrer Einkäufe und Geschäfte mit Bargeld. Das dürfte sich aber ändern. In Asien ist es bereits jetzt für viele Menschen gängig, mit dem Smartphone zu bezahlen. In Deutschland wird das auch stärker werden.
Die Erwartung treibt den Börsenkurs. Seit Jahresbeginn ist der Wert der Aktien von Wirecard um mehr als 80 Prozent geklettert. In dieser Zeit hat der Dax ein paar Prozentpunkte verloren, die Deutsche Bank ein Drittel ihres Börsenwertes eingebüßt. In den vergangenen fünf Jahren hat sich der Wirecard-Kurs sogar verachtfacht. Das liegt auch daran, dass Unternehmenschef Markus Braun in manchen Dingen den richtigen Riecher bewies. 2007 gründete er eine Asien-Tochter, die heute die Hälfte des Konzerngeschäftes beisteuert. 2015 startete Wirecart die Smartphone Bezahllösung „Boon“. Und der Konzern kooperiert – ebenfalls seit 2015 – mit dem chinesischen Bezahlgiganten Alipay, seit 2017 auch mit dessen größtem Konkurrenten WeChat. Währenddessen beschäftigten sich Deutsche Bank und die Commerzbank überwiegend mit ihrer Vergangenheit und der Bewältigung hausgemachter Probleme. Der jüngste Kursverfall geht allerdings nicht aufs Konto der Großbanken, sondern auf den Kursverfall der türkischen Lira zurück. Durch den Verfall der Währung sorgten sich Anleger zuletzt darum, dass europäische Banken in einen Sog geraten könnten.
Auf jeden Fall ist Wirecard beim Börsenwert an der Deutschen Bank vorbeigezogen. Der nächste Coup könnte im September folgen; dann hat Wirecard eine Chance, in den Dax aufzurücken. David gegen Goliath in einer Liga: Wirecard setzte 2017 etwa 1,5 Milliarden Euro um, die Deutsche Bank rund 26 Milliarden Euro. Die Bilanzsumme des Aschheimer Konzerns ist ein Klacks gegenüber der Deutschen Bank: rund fünf Milliarden gegen 1500 Milliarden. Und die Mitarbeiterzahl schafft auch scheinbar glasklare Verhältnisse: Knapp 5000 hat Wirecard, rund 90.000 die Deutsche Bank.
An der Börse allerdings geht es nicht nur um diese Unternehmenszahlen, sondern eben auch um Erwartungen und Aussichten. Da liegt Wirecard in der Gunst von Anlegern offenbar vorn. Das wird möglicherweise bald für jeden sichtbar, sollte das Unternehmen wirklich in den Dax aufsteigen. Einer müsste dann den Platz dort räumen.Es könnte die Commerzbank sein.