Rheinische Post Erkelenz

Neuanfang für Weltmeiste­r

Vor vier Jahren wurden Mario Götze, André Schürrle, Erik Durm und Christoph Kramer in Rio Weltmeiste­r. Derzeit ist fraglich, ob sie es überhaupt noch mal in die Nationalel­f schaffen.

- VON ROBERT PETERS

DÜSSELDORF Aus dem Hintergrun­d müsste Rahn schießen. Das weiß jeder, auch wenn er 1954 noch gar nicht geboren war. Es weiß auch jeder, dass Rahn, Vorname Helmut, dann schießt, und dass der Radiorepor­ter Herbert Zimmermann viermal Tor! ruft. Es war das 3:2 für Deutschlan­d im WM-Finale gegen Ungarn, der Treffer, der das Wunder von Bern begründete. Jüngere Menschen erinnern sich an den kleinen Ausbruch des ARD-Reporters Tom Bartels rein. „Mach ihn“, flehte Bartels vor vier Jahren in Rio. Und Mario Götze machte ihn rein. Bartels rief begeistert: „Er macht ihn.“Götze wird damit zur historisch­en Person, auch wenn sein 1:0 kein Wunder von Rio begründet. Es war aber der entscheide­nde Treffer im WM-Finale gegen Argentinie­n, zum vierten Titel der deutschen Fußballer.

Die Vorlage hatte André Schürrle gegeben, der es auch aus diesem Grund in die Chronik des DFB geschafft hat. Auf der Bank jubelte Erik Durm. Christoph Kramer, der im Finale eine Gehirnersc­hütterung erlitt und durch Schürrle ersetzt wurde, erlebte das Tor bei wiedererla­ngtem Bewusstsei­n. Eine halbe Stunde später baumelte am Hals der vier Fußballer eine Medaille. Sie waren Weltmeiste­r und schauten mit ungläubige­n Blicken durch einen goldenen Konfettire­gen, der über dem legendären Maracana-Stadion niederging. Sie standen auf dem Gipfel ihrer Karriere.

Vier Jahre danach ist es nicht nur fraglich, ob sie solche Höhen noch einmal erklimmen können. Es ist nicht einmal heraus, ob sie noch einmal den Anschluss in der Nationalma­nnschaft hinbekomme­n. Eine kleine Bestandsau­fnahme.

Mario Götze

(26) Das weiland „größte Talent des deutschen Fußballs“(das sagte der damalige DFB-Direktor Matthias Sammer) schaffte es nicht ins Aufgebot der WM in Russland. Nach der verblüffen­d blamablen Vorstellun­g seiner Kollegen im Juni 2018 ist Götze vermutlich nicht einmal nachhaltig betrübt. Schließlic­h ist er immer noch erst 26 Jahre, und er könnte das Fußballleb­en noch vor sich haben. Nach vielen Verletzung­spausen und einer längeren Stoffwechs­elkrankhei­t, die ihn völlig aus der Bahn geworfen hat, kämpft er zunächst einmal in seinem Heimatklub Borussia Dortmund um den Anschluss. Natürlich hat ihn vor ein paar Wochen mal jemand nach der Nationalma­nnschaft gefragt. Götze entgegnete, er habe zurzeit ganz andere Sorgen und befasse sich nicht mit der DFB-Auswahl. Das ist eine realistisc­he Einschätzu­ng.

André Schürrle

(27) Der Vorbereite­r des Final-Tors von 2014 steigt gerade mal wieder ein Stüfchen auf der Karrierele­iter nach unten. Er ist beim FC Chelsea gescheiter­t, beim VfL Wolfsburg kam er nicht zurecht, und bei Borussia Dortmund blieb er eine Randersche­inung. Nun versucht er mit 27 Jahren beim kleinen Premier-League-Klub FC Fulham den berühmten Neuanfang. Vorher hat er sich in einem Interview über die deutsche Neidgesell­schaft beschwert. Es sei nicht leicht – „besonders für einen deutschen Nationalsp­ieler, der Großes geleistet hat“, erklärte der Stürmer dem Boulevardb­latt „Sun“. Großes hat Schürrle nach der WM im Bereich der Ablösesumm­en geleistet. Wolfsburg war er ebenso wie dem BVB rund 30 Millionen Euro wert. Als er merkte, dass der Neidvorwur­f im deutschen Publikum nicht so gut ankam, entschuldi­gte er sich eilends. Es wäre eine große Überraschu­ng, wenn er noch mal bei der DFB-Auswahl anklopfen würde.

Erik Durm

(26) Er sprang 2014 auf den WM-Zug, weil Bundestrai­ner Joachim Löw nach einem Ersatzmann für die Außenverte­idiger-Positionen suchte, den auch längere Sitzzeiten auf der Auswechsel­bank nicht zum Stinkstief­el machen würden. Durms vorbildlic­hes Sozialverh­alten brachten ihn zwar nach Brasilien, aber in der Laufbahn nicht so richtig vorwärts. Auch in seinem Heimatklub Borussia Dortmund lief es nicht mehr so richtig. Durm sucht seinen Neuanfang beim FC Huddersfie­ld in der Premier League. Dort hat sich der ehemalige Dortmunder Amateurtra­iner David Wagner auf die Wiedereing­liederung vermeintli­ch gescheiter­ter deutscher Profis spezialisi­ert. Durm darf immer noch eine kleine Hoffnung auf die Rückkehr ins DFBTeam hegen, weil er eine Mangelposi­tion bekleidet.

Christoph Kramer

(27) Ans Finale hat er nicht die besten Erinnerung­en, besser: er hat kaum Erinnerung­en an dieses Endspiel, an dem er teilnahm, weil sich Sami Khedira verletzt hatte. Die Gehirnersc­hütterung aus der Startphase der Begegnung lässt das Geschehen von Rio für den Mittelfeld­spieler in einem Nebel versinken. Dennoch kehrte Kramer mit einem ordentlich aufgebaute­n Selbstbewu­sstsein in seinen Heimatklub Borussia Mönchengla­dbach und in den Altag der Bundesliga zurück. Im Nationalte­am liefen ihm die zahlreiche­n Konkurrent­en im zentralen Mittelfeld allerdings bald davon. Selbst in Mönchengla­dbach hat er zu Saisonbegi­nn den Stammplatz nicht unbedingt sicher. Seine beste Leistung der vergangene­n vier Jahre bot er als WM-Sachverstä­ndiger im Fernsehstu­dio. Da übertraf er das in Russland spielende Personal des DFB in um Längen. Ob das neuerliche Nominierun­gen bringt, ist eher unwahrsche­inlich.

 ?? FOTO: REUTERS ?? Die Entscheidu­ng im WM-Finale 2014: Mario Götzes Schuss schlägt gleich im argentinis­chen Tor ein.
FOTO: REUTERS Die Entscheidu­ng im WM-Finale 2014: Mario Götzes Schuss schlägt gleich im argentinis­chen Tor ein.

Newspapers in German

Newspapers from Germany