Eine Frage des Erfolgs
Die European Championships haben einigen Randsportarten viel Aufmerksamkeit verschafft. Der Geschäftsführer der Basketball-Bundesliga will ein ähnliches Projekt für Teamsportarten anstoßen. Die Idee ist umstritten.
DÜSSELDORF Das stelle man sich mal vor: Anfang Januar in Deutschland, und Eishockey-, Handball- und Basketball tragen zeitgleich ihre Europameisterschaften aus. Wer nicht gerade auf klassischen Wintersport abfährt, geht in die Halle und fiebert mit drei der vier beliebtesten Teamsportarten hierzulande mit. König Fußball macht unterdessen drei Wochen Pause. Zugegeben: Dieses Szenario ist rein fiktiv, bislang gibt es keine entsprechenden Pläne, wie alle drei Verbände betonen. Doch die European Championships haben die Fantasie manches Sportfunktionärs angeregt. Schwimmer, Golfer, Leichtathleten, Radsportler, Ruderer, Triathleten und Turner erfuhren im Laufe des Events immer mehr Zuspruch, am Ende fieberten Millionen bei ARD und ZDF mit.
„Ich fand das Konzept herausragend und auch spannend, dass es von den öffentlich-rechtlichen Sendern so mitgetragen und beworben wurde“, sagt Stefan Holz, Geschäftsführer der Basketball-Bundesliga (BBL) und jahrelang als Medienberater tätig. Holz vermarktete unter anderem „Wetten, dass..?!“. Mittlerweile leitet er die Entwicklung der viertgrößten Sportliga in Deutschland und gibt im Gespräch mit unserer Redaktion zu: „Ich habe durchaus Fantasie für Teamsport-Projekte abseits des Fußballs.“
Ein konkretes Projekt wollte Holz noch nicht benennen, aber: „Wir werden von Seiten der BBL gemeinsam mit anderen Ligen die Köpfe zusammenstecken und schauen, ob wir gemeinsame Ansätze finden.“Schon jetzt sind die BBL, die Deutsche Eishockey-Liga (DEL) und die Handball-Bundesliga (HBL) gemeinsam mit der Fußball-Bundesliga in der „Initiative Profisport Deutschland“organisiert. Dort tausche man sich über Sicherheit oder Nachwuchsförderung aus. „Gleichzeitig wollen wir alle wachsen, der Fußball halt auf einem völlig anderen Niveau als wir“, so Holz. Für ein Projekt wolle man eher Volleyball als Fußball an Bord holen.
Beim Deutschen Basketball Bund (DBB) hält man sich bei solchen Überlegungen zurück. „Ich glaube nicht, dass das dem Basketball viel bringen würde, sich mit anderen Sportarten zusammen zu schließen“, sagt Bundestrainer Henrik Rödl. „Wenn bei einer WM oder EM die besten Basketballer aufeinandertreffen, hat das eine riesige globale Anziehungskraft. Da sehe ich die Aufmerksamkeit überhaupt nicht gefährdet“, sagt Rödl, der mit seinem Team aktuell um die Qualifikation zur WM 2019 kämpft. DBB-Präsident Ingo Weiss sagt über eine potenzielle Teilnahme seiner Sportart an den European Championships:
„Das ist aus unserer Sicht erstmal kein Thema. Wir können von uns auch nicht sagen, dass wir das zu einem gewissen Zeitpunkt machen, weil wir von den Ligen und dem internationalen Spielkalender abhängig sind.“Dass ausgerechnet die Basketball-Bundesliga nun kreativ über neue Konzepte nachdenkt, ist bei genauerem Hinsehen wenig verwunderlich.
Die Liga lechzt nach mehr Aufmerksamkeit und Erfolgsgeschichten. Im nationalen Vergleich sind 6400 Zuschauer im Schnitt beim Eishockey. Unterdessen stagnieren im Basketball die Zuschauerzahlen, waren zuletzt sogar rückläufig. Besonders in NRW ist die BBL unterrepräsentiert, nur in Bonn vertreten. Liga-Geschäftsführer Holz gibt zu: „Ich würde mir vor allem im Ruhrgebiet eine Präsenz wünschen. Dass es dort einen weißen Fleck gibt, tut uns weh.“Zumal sich viele Standorte mit örtlichen Fußballvereinen messen müssen. Bonns Präsident Wolfgang Wiedlich sagt: „Egal ob bei Sponsorengeldern oder TV-Minuten, wir bekommen den Fußball-Zweitligisten aus Köln ständig zu spüren.“
Bei rund 4400 Hallen-Zuschauern liegt der Durchschnitt. Die Liga schaffte eine Umsatzsteigerung von 110 auf 120 Millionen Euro und hat einen festen TV-Vertrag. Die Telekom übertragt alle Ligaspiele, aber nur gegen Bezahlung im Internet. In der Spitze schalten über 100.000 Menschen ein. Doch im frei empfangbaren TV fehlt für die kommende Saison ein Partner. „Die Liga kämpft und kämpft um mehr TV-Präsenz, bei mir herrscht eine gewisse Ernüchterung“, sagt Bonns Präsident Wiedlich. Dem entgegnet Liga-Geschäftsführer Holz: „Ich sehe uns insgesamt gut aufgestellt, auch wenn es noch einige Hausaufgaben zu erledigen gilt.“
Vieles stimmt im deutschen Basketball. Die Nachwuchsarbeit ist stark, was sich auch in einem Wiedererstarken der Nationalmannschaft zeigt. „Wir haben eine Kadertiefe, die hatten wir in Deutschland so noch nicht“, sagt Bundestrainer Rödl. Kommende Saison spielen sechs Deutsche in der NBA – so viele wie nie zuvor. Und auch in der BBL steigt das sportliche Niveau. Nur große Erfolge fehlen. Im europäischen Vergleich ist Deutschland allenfalls obere Mittelklasse. Im wichtigsten Wettbewerb, der Euro League, kam bislang nie ein deutsches Team ins Viertelfinale. Das Nationalteam gewann zuletzt bei der EM 2005 eine (silberne) Medaille.
Ohne Erfolg helfen im Sport die positivsten Entwicklungen nicht. „Dann wird auch eine Bündelung mit anderen Sportarten nicht reichen, um öffentlich stärker wahrgenommen zu werden“, sagt Holz. „Wir müssen auch alleine attraktiv genug sein.“Deshalb ruft der Liga-Geschäftsführer ein weiteres Ziel aus: „Wir wollen bis 2020 noch den einen oder anderen Erfolg im Europapokal verzeichnen.“