Köln im Ausnahmezustand
Der Besuch des türkischen Präsidenten stellt die Polizei vor Herausforderungen.
KÖLN Die Kölner Polizei rechnet beim bevorstehenden Besuch des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan am Samstag mit erheblichen Verkehrsproblemen. Erdogan soll nach bisherigem Kenntnisstand der Polizei am Samstag um 14 Uhr in Köln landen und gegen 15 Uhr an der Zentralmoschee des deutsch-türkischen Islamverbands Ditib im Stadtteil Ehrenfeld eintreffen. Die Polizei wird mit etwas mehr als 3000 Einsatzkräften vor Ort sein, sagte Polizeipräsident Uwe Jacob am Donnerstag während einer Pressekonferenz.
Hilfe bekommt die Kölner Behörde unter anderem von Hundertschaften aus Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Hessen und der Bundespolizei. Zudem seien Dolmetscher im Einsatz, um rechtlich fragwürdige Sprechchöre erkennen zu können. „Es wird nicht nur ein Kölner Einsatz“, sagte Jacob. Er sprach von einer Stadt im Ausnahmezustand. „Die Polizei wird Gewalt, egal von wem sie ausgeht, sehr früh und entschlossen begegnen.“
Erdogan will bei seinem Besuch die Zentralmoschee der Ditib offiziell eröffnen. 500 Gäste sind dafür geladen. Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) wird den türkischen Präsidenten auf Schloss Wahn nahe dem Flughafen zu einem persönlichen Gespräch treffen. Zur Moschee-Eröffnung geht Laschet nicht.
Der genaue Ablauf des Besuchs ist derweil noch unklar. So weiß die Kölner Polizei bisher nicht, ob Uwe Jacob Kölner Polizeipräsident
Erdogan nach seiner Ankunft am Flughafen im Steigenberger Hotel haltmachen wird oder Teile seiner Delegation. In dem Hotel hat die türkische Regierung einige Zimmer gebucht. Auch die genaue Route, die Erdogan vom Flughafen aus nehmen wird, ist noch nicht bekannt. Sie soll erst am Samstagmorgen vorliegen. Jacob verwies jedoch bereits darauf, dass Autobahnabschnitte komplett gesperrt werden müssten.
Um die Moschee errichtet die Polizei einen Sicherheitsbereich. Maximal 5000 Personen sollen ihn betreten dürfen – nach einer Kontrolle durch die Beamten. Die Ditib rechnet aber mit bis zu 25.000 Besuchern. Die Polizei wird deshalb eine zusätzliche Ausweichfläche am Grüngürtel einrichten. Zudem wird es eine Flugverbotszone mit einem Radius von 60 Kilometern um die Kölner Innenstadt geben. Passagiermaschinen sind davon jedoch nicht betroffen – sie fliegen zu hoch.
Große Bauchschmerzen bereitet der Polizei vor allem das Sicherheitskonzept der Ditib, das bisher nicht vorliegt. Dieses war nötig geworden, weil der Islamverband auf Facebook alle „deutschen und türkischen Freunde“zu der Moschee-Eröffnung eingeladen hatte. Die Ditib muss das Konzept nun bis Freitagmorgen vorlegen. Geschehe dies nicht, sei „theoretisch“noch eine Absage der Veranstaltung an der Moschee möglich, sagte Jacob. Am Mittwoch habe es noch ein Gespräch mit den Ditib-Vertretern gegeben. In diesem sei klar geworden, dass die Verantwortlichen des Islamverbands das Ausmaß der Veranstaltung unterschätzt hatten. am 30. April 2017 in ihre Wohnung eingedrungen, die Polizisten des türkischen Sondereinsatzkommandos. Vor den Augen ihres kleinen Sohnes, den Tolu damals zunächst bei ihr unbekannten Nachbarn abgeben musste, wie eine Kollegin damals berichtete. Der Vorwurf gegen sie lautete: Mitgliedschaft in der linksextremen MLKP, die in der Türkei als Terrororganisation eingestuft wird.
„Ich habe für eine sozialistische Nachrichtenagentur gearbeitet und auch Interviews mit Abgeordneten aus Deutschland geführt“, sagt die 34-Jährige rückblickend. Bei dem letzten Interview vor ihrer Verhaftung habe es sich um ein Gespräch mit einer EU-Parlamentarierin der Partei Die Linke gehandelt.
In der ersten Zeit im Gefängnis durfte sie nach Angaben ihrer Familie niemand besuchen. Bis deutsche Diplomaten erstmals Zugang erhielten, dauerte es zwei Monate. Nach einer 90-minütigen Unterhaltung gaben sie zu Protokoll, es gehe ihr „den Umständen entsprechend gut“.
Tolus Großeltern waren nach Deutschland ausgewandert. Ihr Vater, ein Automechaniker, war ihnen später gefolgt. Weil Tolus Mutter bei einem Verkehrsunfall während einer Urlaubsreise in die Türkei 1990 ums Leben kam, wurde sie von ihrer Großmutter betreut.
Der jungen Frau drohten laut Anklage in der Türkei 15 Jahre Haft. Im Gerichtsprozess erhob sie die Stimme, wies die Terrorvorwürfe gegen sie zurück und beschwerte sich über
die Haftbedingungen: Fünf Monate sei sie ohne Urteil in Untersuchungshaft festgehalten worden. Mehr noch: Sie kritisierte die Einschränkung der Pressefreiheit in der Türkei.
Zwei Monate später kam Tolu zwar frei. Ausreisen durfte sie aber noch immer nicht. Dazu bedurfte es offenbar weiterer diplomatischer Anstrengungen. Erst am 20. August dieses Jahres war es soweit. In einer Pressekonferenz sagte sie gleich nach ihrer Rückkehr: Freuen könne sie sich über ihre Entlassung nicht, weil in der Türkei Hunderte Journalisten, Oppositionelle, Anwälte und Studenten noch immer in Haft seien.
Rund 130 Fälle von Journalisten gebe es zurzeit, die auf Grundlage der türkischen Anti-Terror-Gesetze angeklagt seien, bekräftigt sie heute – auch um deutlich zu machen, welch eine große Zumutung der Erdogan-Besuch aus ihrer Sicht ist. Sie meint, ein kurzer Arbeitsbesuch wäre angebrachter gewesen.
Unter jenen, die noch in der Türkei inhaftiert sind, ist auch ihr Ehemann – als türkischer Staatsangehöriger ist er in einer schwierigen Situation. Er wartet noch darauf, dass ihm wegen Terrorvorwürfen der Prozess gemacht wird. Am 16. Oktober soll es soweit sein. „Ich habe die Absicht, teilzunehmen“, sagt sie. Doch abschließend will sie das erst kurz zuvor entscheiden. Und dabei auf den Rat der Anwälte hören.
Nicht einmal der bevorstehende Prozess hindert Tolu daran, die Missstände weiter anzuprangern. Sie sehe in der Türkei keinerlei Entwicklung in Richtung demokratischer Schritte, betont sie. Immer noch seien mehr als 10.000 politische Gefangene zu unrecht inhaftiert. In jüngster Zeit seien die stillen Proteste der „Samstagsmütter“wegen ihrer verschwundenen Kinder verboten und Flughafen-Mitarbeiter festgenommen worden, nur weil sie für bessere Arbeitsbedingungen gestreikt hätten.
Trotzdem werde Erdogan hier empfangen wie ein Präsident. „Keiner spricht über die Opposition, die Unterstützung wirklich braucht“, kritisiert Mesale Tolu. Und sie wiederholt ihre Meinung: „Ein Arbeitsbesuch wäre deutlich angemessener als ein Besuch mit einem Staatsbankett, wo man über Menschenrechtsverletzungen gar nicht sprechen kann.“
„Die Polizei wird Gewalt sehr früh und entschlossen begegnen“