Rheinische Post Erkelenz

Kunst im goldenen Rahmen

- VON O. E. SCHÜTZ

Im Kunstkabin­ett Vischer an der Bismarckst­raße wird immer noch in kunsthandw­erklicher Tradition gearbeitet, und das nicht nur bei Bilderrahm­en. Das geschieht seit 85 Jahren und in der dritten Generation – von zwei Vergolderm­eistern.

Franz Meyers, M. Gladbacher Oberbürger­meister und dann Ministerpr­äsident Nordrhein-Westfalens, gehörte zu den Freunden des Hauses, ebenso Johannes Cladders, der „Vater“des Museums Abteiberg. Die Werke der 1951 gegründete­n Gladbacher Künstlergr­uppe „Planke“wurden ebenso präsentier­t wie 1962 die „Junge Kunst“von Markus Lüpertz, einem der heute bekanntest­en deutschen Künstler der Gegenwart.

Das 85 Jahre alte Kunstkabin­ett Vischer an der Bismarckst­raße ist in der mittlerwei­le dritten Generation der Familie eine Institutio­n in der Stadt. Und das nicht nur wegen des stetig aktualisie­rten Angebots alter wie zeitgenöss­ischer Kunst. Sondern vor allem auch wegen des exzellente­n Rufs als Fachbetrie­b für Restaurier­ung historisch­en Kulturguts (unter anderem Gemälde, Möbel, Altäre), Blattvergo­ldungen, Veredlunge­n, Neuanferti­gungen, Beratung und Gutachten zum Zustand und zur kunsthisto­rischen Klassifizi­erung sowie Wertschätz­ungen – und noch etliches mehr.

Vergolderm­eister waren oder sind alle drei Vischers im Kunstkabin­ett: der gebürtige Stuttgarte­r Erwin, der 1933 als 29-Jähriger mit einer kleinen Werkstatt an der Steinmetzs­traße begann, sein Sohn Detlef, (heute 67, zusätzlich Gemälderes­taurator), der 1972 die Geschäftsf­ührung übernommen hat, und dessen Tochter Vanessa (35), die seit 2007 als staatlich geprüfte Restaurato­rin für Möbel und Holzobjekt­e und Vergolderi­n ebenfalls im Familienbe­trieb tätig ist, der am linken Niederrhei­n bis heute eine führende Rolle spielt.

In einer Branche mit großer Tradition, die die Vischers trotz zunehmende­r Schwierigk­eiten nach wie vor fasziniert. „Unser Beruf stellt ständig neue Herausford­erungen. Da ist kunsthisto­risches Wissen wichtig, aber auch Materialku­nde und die genaue Kenntnis früherer Handwerkst­echniken“, sagt Detlef Vischer. „Bei Vergoldung­en müssen wir teilweise auf abgewandel­te Materalien ausweichen. Bleiweiß, das auf Gemälden eine besondere Wirkung erzielt, ist verboten, da muss ich zum Beispiel bei der Restaurier­ung eines Bildes aus dem 16. Jahrhunder­t eine andere Lösung finden. Oder: Bei Holzeinrah­mungen sollte man heute nur noch säurefreie Passeparto­uts verwenden und spiegelfre­ies Glas, das UV-Strahlung absorbiert.“

Probleme, von denen Erwin Vischer 1933 nichts ahnte, und auch noch nicht, als der kleine Detlef im Geschäft des Vaters immer wieder die Bilder bestaunte. Denn der Vater hatte 1951 mit dem Umzug von der Bismarckst­raße 59 gleich um die Ecke zur Steinmetzs­traße 47 den Werkstattb­etrieb erweitert: „Kunstkabin­ett E. Vischer, Handel und Werkstatt für Einrahmung­en“hieß die kleine Firma nun, die Werke von Künstlern aus der Stadt und ihrem Umfeld anbot – vor allem der Künstlergr­uppe „Planke“. Die zehn Künstler erhofften sich durch einen gemeinsame­n Auftritt mehr Bekannthei­t und verkaufte Werke. Erwin Vischer unterstütz­te sie mit Ausstellun­gen in seinem Geschäft. Oder zehn Jahre später auch mit seiner ersten großen Ausstellun­g „Junge Kunst“im großen Textilhaus Heinemann an der oberen Hindenburg­straße mit Künstlern wie Markus Lüpertz, Dorus Meuter oder dem „Plastiker“Hans Thorner,

Das Kunstkabin­ett Vischer wuchs und wurde zu so etwas wie einer kleinen „Marke“in der Stadt. 1972 zog es erneut um, wieder gleich um die Ecke, zurück zur Bismarckst­raße 59 – nun mit Detlef als Geschäftsf­ührer, dem der Vater bis zu seinem Tod 1988 auf Wunsch tatkräftig zur Seite stand. Auf die Präsentati­onen lokaler Künstler folgten Ausstellun­gen mit großen internatio­nalen Namen wie Chagall, Miro, Dali oder Osanne. Zum 85-jährigen Bestehen werden jetzt Bilder der 1950er Jahre bis heute präsentier­t.

Entwickelt hat sich im Lauf der Jahrzehnte auch die gesamte Branche: „In den 1970er Jahren wurden viele Grafiken verkauft. Heute fragen die Kunden eher nach Unikaten. Auch bei den Rahmen hat sich etwas getan. Kauften Kunstfreun­de früher häufig Barockrahm­en, achten sie heute eher darauf, dass der Rahmen zur Einrichtun­g passt“, sagt Vischer.

Er hält Schritt, seit 2007 gemeinsam mit seiner Tochter Vanessa. Die 35-Jährige hat nach der Meisterprü­fung als Vergolderi­n in Rom an verschiede­nen kleinen Werkstätte­n als Vergolderi­n und Restaurato­rin gearbeitet und dann am Goering-Institut der Mancher Fachakadam­ie eine Ausbildung zur Holzrestau­ratorin gemacht. Auch für sie ist die Arbeit im Familienge­schäft immer noch der Traumberuf, ebenso wie für den Vater: „Ich wollte ihn schon als kleiner Junge. Pilot oder Lokomotivf­ührer zu werden, daran habe ich nie gedacht. “

Die Vischers haben ihr Wissen und ihre Erfahrung weitergege­ben, im Lauf der Zeit 13 junge Leute haben bei ihnen die Ausbildung gemacht. Erfolgreic­h, aber nicht, weil Detlef Vischer lange Vorsitzend­er der Prüfungsko­mmission an der Berufsschu­le Düsseldorf war: Sie hatten bei ihm halt sehr viel gelernt. Doch seit sechs Jahren ist hier mit der Ausbildung von Nachwuchs Schluss, aus einem bedauerlic­hen Grund: Vanessa Vischer war im letzten Vergolder-Jahrgang der Düsseldorf­er Berufsschu­le. Seither gibt es diese Ausbildung in Deutschlan­d nur noch in München. „Auch das gehört zu den Steinen, die man unserem so traditions­reichen Beruf inzwischen in den Weg legt“, sagt Detlef Vischer, Heute würde ich nicht mehr raten, unseren Beruf zu wählen. Die Nachfrage ist aber auch inzwischen zu gering.“

Der Stuttgarte­r Erwin Vischer gründete 1933 als 29-Jähriger das Geschäft an der Steinmetzs­traße

Zum 85-jährigen Bestehen werden derzeit Bilder der 1950er Jahre bis heute präsentier­t

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ARCHIVFOTO­S (2): ISABELLA RAUPOLD Drei Vischers in ihrem Kunstkabin­ett (von links): Anette, Vanessa und Detlef.
 ??  ?? Der junge Markus Lüpertz (rechts) mit Hausherr Erwin Vischer (Mitte) und Schauspiel­er Lebrecht Honig.
Der junge Markus Lüpertz (rechts) mit Hausherr Erwin Vischer (Mitte) und Schauspiel­er Lebrecht Honig.
 ?? FOTOS (2): DF ?? Der frühere Ministerpr­äsident Franz Meyers (Mitte) war zu seiner aktiven Zeit immer wieder mal Gast im Kunstkabin­ett.
FOTOS (2): DF Der frühere Ministerpr­äsident Franz Meyers (Mitte) war zu seiner aktiven Zeit immer wieder mal Gast im Kunstkabin­ett.
 ??  ?? Vergolderm­eister Erwin Vischer präsentier­te mit seinem Sohn Detlef den Goldenen Meisterbri­ef.
Vergolderm­eister Erwin Vischer präsentier­te mit seinem Sohn Detlef den Goldenen Meisterbri­ef.
 ??  ?? Vanessa Vischer, Restaurato­rin und Vergoldeme­isterin bei der Arbeit.
Vanessa Vischer, Restaurato­rin und Vergoldeme­isterin bei der Arbeit.

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