Nach Messerattacke Streit um Opferschutz
Die Polizei fahndet nach dem Ehemann. Die Opferanwältin wirft dem Gericht vor, die Frau nicht geschützt zu haben.
HOCHNEUKIRCH Weiterhin auf der Flucht ist der dringend tatverdächtige Ehemann, der am Abend des 30. Oktober in Hochneukirch seine von ihm getrennt lebende Ehefrau mit mehreren Messerstichen lebensbedrohlich verletzt haben soll. Die 29-Jährige schwebt zwar nicht mehr in Lebensgefahr, sie ist aus dem Koma aufgewacht. Laut ihrer Rechtsanwältin hat die Frau, die durch Messerstiche in die Brust, in den Bauch und in den Rücken lebensgefährlich verletzt wurde, aber starke Schmerzen und vor allem Angst vor ihrem Ehemann. Deshalb werde die Frau gut bewacht, und ihr Aufenthaltsort bleibe ebenso verdeckt, wie der der beiden ebenfalls in Sicherheit gebrachten zehn- und elfjährigen Kinder.
Die Rechtsanwältin der 29-jährigen Frau, die mit ihrem Mann und den Kindern vor drei Jahren aus Afghanistan geflohen war und in Hochneukirch vom dortigen Asylkreis betreut wurde, erhebt indes schwere Vorwürfe gegen das zuständige Amtsgericht in Grevenbroich. Rechtsanwältin Esma Cakir-Ceylan sagt: „Seit fast vier Wochen ist ein Gewaltschutzverfahren anhängig, und im Eilverfahren hätte längst ein Beschluss ergehen müssen, was diese Tat vielleicht hätte verhindern können.“Stattdessen habe das Amtsgericht in Grevenbroich erst am Folgetag nach der Tat den Gewaltschutzbeschluss erlassen, der besage, dass sich der Täter der Geschädigten nicht nähern darf. Das sei ein Hohn, fügt sie hinzu. Denn die Gewalt und Bedrohung in der Ehe des Paares seien gerichtsbekannt gewesen, weil der Mann bereist versucht habe, Sohn und Tochter nach Afghanistan zu entführen. Er sei aber an der serbisch-ungarischen Grenze mit den Kindern aufgriffen worden. Und mit Hilfe des Amtsgerichtes Grevenbroich, des Jugendamtes und der Deutschen Botschaft sei es dann gelungen, die Kinder zurückzubringen und das alleinige Sorgerecht für die Mutter zu erwirken. Allerdings sei der Mann bis heute nicht wegen der Kindesentziehung angeklagt, geschweige denn verurteilt worden, beklagt die Rechtsanwältin.
„Nach dieser Kindesentführung hat sich meine Mandantin von ihrem Mann getrennt, der dann in eine andere Wohnung in Hochneukirch gezogen ist. Er hat ihr aber weiterhin aufgelauert und sie massiv bedroht“, berichtet die Anwältin. Es seien auch konkrete Morddrohungen ausgesprochen worden, die Frau mit einem Messer zu töten, wenn sie nicht zu ihm zurückkehre. Mehrfach sei die Polizei gerufen worden. Und auch das Amtsgericht Grevenbroich sei über diese Eskalation der Bedrohung informiert gewesen, weil diese in einem Eilantrag für einen Gewaltschutzbeschluss bereits am 4. Oktober vorgetragen worden sei. Esma Cakir-Ceylan meint bitter: „Statt dem Eilantrag nachzukommen, sind die ganze Zeit immer nur wieder neue Stellungnahmen von mir und dem Ehemann vom Gericht angefordert worden. Dabei hätte die Tat verhindert werden können, wenn man die Frau nur ernst genommen hätte.“
Zu diesen schweren Vorwürfen nahm Fabian Novara, Richter und Sprecher des für das Amtsgericht Grevenbroich zuständigen Gerichtes in Mönchengladbach, gestern auf Redaktionsnachfrage Stellung: Tatsächlich habe die Rechtsanwältin einen Fehler gemacht, sagte der Jurist. Sie habe nämlich, was völlig unüblich sei, den Eilantrag für einen Gewaltschutzbeschluss mit der Bedingung verknüpft, dass das Amtsgericht zuvor über eine Verfahrenskostenbeihilfe für ihre Mandantin entscheide. „Wäre das nicht so geschehen, dann hätte das Gericht, wie es üblich ist, innerhalb eines Tages über den Eilantrag entschieden“, sagte Novara. Und darauf habe das Amtsgericht die Anwältin auch hingewiesen. Novara wusste auch, dass es ein Ermittlungsverfahren wegen des Kindesentzuges vor einem Jahr gegen den Mann gebe.
Die Polizei, die eine Mordkommission eingerichtet hat, sucht den 35-Jährigen, der nur Persisch spricht und bittet um Hinweise unter Telefon 110 oder 02131 3000. Er ist 1,73 Meter groß, schlank hat kurze schwarze Haare und braune Augen.