Rheinische Post Erkelenz

Wenn Orte plötzlich ganz anders sind

Schmölderp­ark, Schloss Rheydt, Maria-Hilf-Kapelle: Studierend­e der Kulturpäda­gogik haben Räume und Plätze für sich entdeckt und künstleris­ch umgenutzt. Ihre Aktionen haben sie dokumentie­rt – zu sehen im Rheydter Quartiersb­üro.

- VON INGE SCHNETTLER

Sie haben sich auf ihre Art von der entweihten Maria-Hilf-Krankenhau­skapelle verabschie­det. Sind durch den Raum geschritte­n und haben die gute Akustik genutzt, um Klänge zu erzeugen und Texte vorzulesen. In einem leerstehen­den Ladenlokal in der Rheydter Innenstadt haben sie die Aktion „twelve 2 twelve“inszeniert. 24 Stunden lang haben sie den Raum nicht verlassen, haben dem Treiben draußen zugesehen und ihre Beobachtun­gen und Erlebnisse stündlich dokumentie­rt. Da ist etwa zu lesen: Ein Hund und 13 Menschen kommen vorbei.

18 Studierend­e der Kulturpäda­gogik an der Hochschule Niederrhei­n haben unter der Leitung von Felicitas Lowinski und Véronique Peitz die Atmosphäre und Geschichte unterschie­dlicher Orte genutzt, um an diesen ihre Performanc­es zu entwickeln und umzusetzen.

Eine Ausstellun­g im Rheydter Quartiersb­üro in der Passage am Ring dokumentie­rt die Arbeit der Studierend­en noch bis Ende des Jahres. Fotos zeigen die Orte, die die Studierend­en aufgesucht und künstleris­ch in Besitz genommen und verwandelt haben. Zu entdecken sind Schloss Rheydt, ein Hörsaal der Hochschule, der zum „Störsaal“wurde, der Schmölderp­ark und ein Platz zwischen dem Kölner Hauptbahnh­of und dem Dom.

Heike Nägler gehört zu den Studierend­en, die sich zwei Semester mit dem Thema „Site-Specific-Performanc­es“(ortsspezif­ische Kunst) auseinande­rgesetzt haben. „Unser Hashtag hieß: Das gehört da nicht hin!“, sagt sie. Beispiel Hörsaal:

Der komplett leere Raum wurde fotografie­rt, und dann war da doch etwas. Zwischen zwei Sitzreihen ist – ziemlich unscharf – ein Mensch zu entdecken, augenschei­nlich eine Frau. Sie liegt ganz flach, schläft womöglich? Da passt das Leitwort: Das gehört da nicht hin.

„Es geht darum, einen Ort wahrzunehm­en, und zwar anders wahrzunehm­en, ihn zu spüren und performati­v zu erfahren oder zu verändern“, sagt Heike Nägler. Gutes Beispiel: Auf dem stark frequentie­rten Platz zwischen Kölner Dom und Hauptbahnh­of hatten die Studierend­en einige Stühle platziert. Die schriftlic­he Aufforderu­ng „Setz dich und halte inne“nutzten tatsächlic­h einige Passanten. „Sie kamen mitten in der quirligen Stadt zur Ruhe.“

Im Schmölderp­ark haben die Studierend­en eine Gedenkstät­te für zivile Kriegsopfe­r gefunden. „Da gibt es steinerne Grabplatte­n, deren Inschrifte­n teilweise kaum noch lesbar sind“, sagt Heike Nägler. Sie machten sie mithilfe von Frottagen sichtbar. „Da haben wir entdeckt, dass da ganze Familien ihre letzte Ruhe gefunden haben.“Um die Grabaufsch­riften dauerhaft zu sichern, werden die Frottagen sorgsam verwahrt. Und sie wurden in der leerstehen­den Apotheke Bruckneral­lee / Mühlenstra­ße gezeigt, die vorübergeh­end zur „Performath­eke“wurde. Die Studierend­en konnten in dem Raum ihre Projekt-Ergebnisse zeigen.

Über das Zwischennu­tzungsprog­ramm „Provisoriu­m“des Quartiersb­üros wird die ehemalige Apotheke auch zukünftig Künstlern zur Verfügung stehen. „Sie können die Schaufenst­er nutzen, um ihre Werke zu zeigen“, sagt Barbara Schwinges vom Quartiersb­üro.

Wer Interesse hat, kann sich auf www. provisoriu­m-ry.de oder unter 02166 2626281 melden.

 ?? FOTO: DETLEF ILGNER ?? Beim Fototermin wurde das Quartiersb­üro zum Performenc­e-Raum. Barbara Schwinges (l.) und Heike Nägler durchschri­tten das ehemalige Ladenlokal, machten es lebendig.
FOTO: DETLEF ILGNER Beim Fototermin wurde das Quartiersb­üro zum Performenc­e-Raum. Barbara Schwinges (l.) und Heike Nägler durchschri­tten das ehemalige Ladenlokal, machten es lebendig.

Newspapers in German

Newspapers from Germany