Suche nach Komplizen des Straßburg-Attentäters
Nach dem Tod von Chérif Chekatt zeigen sich die Menschen in der Europastadt erleichtert. Doch die Ermittlungen gehen weiter.
STRASSBURG Die Kunden kommen noch zögerlich an den Stand mit Bio-Glühwein vor dem Palais Rohan in Straßburg. Mathilde steht hinter einem der Holzfässer und bereitet ihre Zutaten vor. „Ich bin immer noch benommen“, sagt die rotblonde Studentin, der nach der Wiedereröffnung der Schrecken noch anzusehen ist. „Wir sind hier alle wachsamer geworden.“Am Dienstagabend hatte der Attentäter Chérif Chekatt nur ein paar hundert Meter von ihrem Stand entfernt fünf Menschen getötet und zwölf verletzt. Der weltberühmte „Marché de Noël“wurde daraufhin für zwei Tage geschlossen.
Die Sicherheitsvorkehrungen rund um den Weihnachtsmarkt, der jedes Jahr rund zwei Millionen Menschen anzieht, wurden nach dem Anschlag massiv verstärkt. An jedem der 15 Kontrollpunkte in der Innenstadt stehen Polizeiwagen, um die privaten Sicherheitsdienste zu unterstützen. Auch auf dem Weihnachtsmarkt patrouillieren Polizisten und Soldaten mit Maschinengewehren im Anschlag zwischen den 300 Ständen aus Holz. „Die Sicherheit ist garantiert“, sagt Innenminister Christophe Castaner, der gegen elf Uhr als einer der Ersten den wiedereröffneten „Christkindelsmärik“besucht. „Die Einwohner Straßburgs haben gezeigt, dass man dem Terrorismus nicht nachgeben sollte.“Bewusst habe sich die Stadtverwaltung schon vor dem Tode Chekatts entschieden, den Weihnachtsmarkt wieder zu öffnen.
Polizisten hatten den 29-Jährigen am Donnerstagabend im Stadtteil Neudorf erschossen, nachdem rund 700 Beamte den Attentäter zwei Tage lang gesucht hatten. Den Durchbruch WASHINGTON Michael Cohen war einmal ein großer Fan Donald Trumps. Schon als Teenager las er „The Art of the Deal“, die Business-Fibel des Bauunternehmers, nach eigenem Bekunden gleich zweimal, weil er das Buch so lehrreich fand. Später, da war er im Taxigeschäft New Yorks zu Geld gekommen, kaufte er ein Appartement im Trump World Tower, einem Wolkenkratzer in der Nähe des UN-Hauptquartiers am East River. Dem ersten Wohnungsdeal folgten weitere, in Gebäuden namens Trump Palace und Trump Park Avenue, bis er als Rechtsberater bei der Trump-Organisation einstieg. Cohen war mehr als nur ein Anwalt, er war ein enger Vertrauter.
Von den Treueschwüren ist jedoch nichts geblieben. Eigene Schwäche und blinde Loyalität gegenüber dem von ihm so bewunderten Mogul habe ihn den „Pfad der Dunkelheit statt des Lichts“einschlagen lassen, sagte der 52-Jährige während eines hochemotionalen Auftritts vor Gericht in Manhattan, wo er am Mittwoch zu drei Jahren Gefängnis verurteilt wurde.
Abgehakt ist der Fall mit dem Spruch des Richters noch nicht. Wenn nicht alles täuscht, könnte er Trump noch in akute Erklärungsnot bringen. 2016 arrangierte Cohen für den damaligen Präsidentschaftskandidaten Schweigegeldzahlungen an zwei Frauen, die nach eigener Aussage Sexaffären mit Trump hatten. In der heißen Phase des Duells gegen Hillary Clinton wollte der Unternehmer verhindern, dass die beiden, die Pornodarstellerin Stephanie Clifford (alias Stormy Daniels) und das Playboy-Model Karen McDougal, mit ihren Schilderungen an die Öffentlichkeit gingen. An Clifford zahlte Cohen selbst, im Falle McDougals spannte er David Pecker ein, den Chef des Medienhauses brachte ein Fahndungsfoto am Mittwochabend, das 800 Anrufe zur Folge hatte. Die entscheidenden Hinweise kamen von einem Mann und einer Frau, die den mehrfach AMI, unter dessen Dach das schrille Boulevardblatt National Enquirer erscheint. AMI erwarb die Rechte an der Geschichte des Models – von vornherein in der Absicht, sie nicht zu drucken.
Die geheimen Zuwendungen waren ein Verstoß gegen Gesetze, die für Zahlungen mit dem Ziel der Beeinflussung einer Wahl Transparenz vorschreiben. Dass Trump sie persönlich anordnete, hat Cohen mittlerweile mehrfach betont. Es war Robert Mueller, der Sonderermittler der Russlandaffäre, der sie entdeckte und seine Erkenntnisse an die New Yorker Staatsanwaltschaft weiterreichte, die daraufhin Cohen vernahm. Damit steht der Präsident als Anstifter zu einer Straftat da, auch wenn er abwiegelt, es habe sich lediglich um eine „private Transaktion“gehandelt. Im Übrigen, twitterte er nach dem Urteil, hätte Cohen als Jurist die Rechtslage kennen müssen.
Siebenmal hat Cohen mit Muellers Leuten geredet. Was genau sie von ihm erfuhren, vermag kein Außenstehender zu sagen. Mueller hat sich, seit er Sonderermittler ist, kein einziges Mal öffentlich geäußert. Gleichwohl lassen Informationsbruchstücke den Schluss zu, dass Cohen auch Interna zu Protokoll gab, die unmittelbar mit Muellers Auftrag zu tun haben: herauszufinden, ob Trumps Wahlkampfteam 2015/16 geheime Absprachen mit dem Kreml traf.
So gab der Jurist zu, das Parlament belogen zu haben, als er nach einem Bauprojekt Trumps in Moskau gefragt wurde. Tatsächlich, räumte er ein, habe man bis Sommer 2016 über einen Trump Tower an der Moskwa verhandelt und nicht, wie anfangs behauptet, nur bis zum Beginn des Kandidatenwettlaufs der Republikaner. Im Raum steht die Frage, ob Wladimir Putins Umfeld die Hochhaus-Sondierungen nutzte, eventuelle Bankkredite für Verurteilten in Neudorf auf der Straße erkannten. Daraufhin entdeckte die Polizei auch Blutspuren, denn Soldaten hatten Chekatt am Dienstagabend am Arm verletzt. Ein Hubschrauber mit Wärmebildkamera kreiste über dem Viertel.
Als eine Polizeipatrouille dann um 21 Uhr die Rue de Lazaret entlang fuhr, fiel ihr ein Mann in schwarzer Daunenjacke mit Kapuze auf dem Kopf auf, der sie ebenfalls bemerkte. Er wollte sich in das Haus Nummer 74 flüchten, konnte aber die Tür nicht öffnen, berichtete der Pariser Anti-Terror-Staatsanwalt Rémy das Vorhaben eingeschlossen, um Trump zu beeinflussen.
Dann wäre da noch, zweitens, der Ex-General Michael Flynn, Trumps erster Sicherheitsberater. Im Unterschied zu Cohen, der sich offiziell nie zur Kooperation mit Mueller verpflichtete, hat er uneingeschränkt mit den Ermittlern zusammengearbeitet. Da er an politischen Weichenstellungen beteiligt war, sind weitere Enthüllungen nicht auszuschließen. Es war Flynn, der einen vertraulichen Gesprächskanal zu Sergej Kisljak, seinerzeit Botschafter Russlands in Washington, etablierte. Dass er vertuschte, was er mit Kisljak beredete, etwa die Aufhebung von Sanktionen, die Präsident Barack Obama verhängt hatte, kostete ihn seinen Posten im Weißen Haus. Offen bleibt, ob Flynn auf eigene Faust handelte oder auf Anweisung Trumps.
Drittens: Maria Butina, vermeintlich begeistertes Mitglied der National Rifle Association (NRA), des Verbands der Waffenfreunde. Gemeinsam mit ihrem Mentor Alexander Torschin, damals Vizegouverneur der russischen Zentralbank, versuchte sie ein Treffen mit Donald Trump junior, Trumps ältestem Sohn, am Rande einer NRA-Tagung in Kentucky anzubahnen. Daraus wurde nichts, weil Trumps Schwiegersohn Jared Kushner abriet. Butina ist inzwischen wegen Spionageverdachts angeklagt worden.
Der vierte Strang lief über New York, wo Trump junior, Kushner und der Wahlkampfmanager Paul Manafort im Juni 2016 die russische Rechtsanwältin Natalja Weselnizkaja empfingen, nachdem man ihnen „Dreck“über Hillary Clinton in Aussicht gestellt hatte. Als es publik wurde, gab Trumps Ältester Erklärungen ab, die vom Thema ablenken sollten. Um den Spross zu verteidigen, diktierte auch der Präsident ein Statement, das sich als falsch entpuppte. Heitz. Die Polizisten sprachen ihn vom Auto aus an, woraufhin er seine Waffe auf sie richtete. Die Beamten schossen zurück und töteten den Schützen.
Der 27-mal verurteilte Chekatt, der auf der Gefährderdatei stand, hatte bei seinem Tod einen Revolver aus dem 19. Jahrhundert, ein Messer und Munition bei sich. Die Ermittler gehen davon aus, dass er das Attentat als Reaktion auf die Durchsuchung seiner Wohnung am Morgen alleine verübte. „Es geht jetzt darum, mögliche Komplizen zu suchen“, sagte Staatsanwalt Remy Heitz.