Leser fragen, Rütter antwortet
Hunde sind zwar der beste Freund des Menschen, manchmal aber auch ziemlich anstrengend. Wir haben Leser um Fragen zu ihren Hunden gebeten und aus vielen Rückmeldungen fünf ausgewählt.
Sabine Körtgen Rana ist ein Jahr alt und hat einen Hundeschullehrgang erfolgreich absolviert. Trotzdem springt sie uns und Freunde oft an. Martin Rütter Das Training in Bezug auf Anspringen unterscheidet sich je nach Situation. Springt Rana Sie an, wenn Sie nach Hause kommen, ignorieren Sie das Verhalten einfach. Das bedeutet, Sie dürfen Rana weder wegschieben, noch ansprechen oder anschauen. Gehen Sie einfach durch sie hindurch und hängen Sie die Jacke auf. Rana bekommt erst wieder Aufmerksamkeit, wenn sie entspannt liegt oder sitzt. Verhalten Sie sich einfach so, als wäre Rana gar nicht da. Springt Rana Besucher beim Begrüßen an, verhindern Sie das zunächst, indem Sie sie an der Leine halten. Trainieren Sie mit ihr, dass sie sich hinter Ihnen absetzt und wartet, während Sie den Besuch begrüßen. Zu Hause können Sie Rana auch beibringen, ihren Liegeplatz aufzusuchen und solange zu warten, bis Sie die Freigabe geben. So können Sie in Ruhe den Besuch hereinführen. Sitzen alle auf dem Sofa, darf Rana natürlich dazu kommen und den Besuch begrüßen.
Sie können Rana auch ein Alternativverhalten beibringen. Immer dann, wenn sie einen Menschen anspringen will, geben Sie ihr das Signal „Sitz“. Hinsetzen und anspringen sind nicht vereinbar.
Astrid Kantehm Wir erwarten in den nächsten Wochen Nachwuchs. Unser Hund Hektor ist sehr kinderlieb und hört gut, ist aber manchmal etwas stürmisch. Wie gewöhnen wir Hektor an das Baby?
Rütter Gerade in den ersten beiden Wochen brauchen Mutter und Baby Zeit füreinander. Für Hunde ist dieses Verhalten normal, denn auch die Mutterhündin lässt in den ersten Wochen niemanden nah an ihre Babys heran. Da Babys in den ersten Wochen anfällig für Infektionen sind, sollten Sie Hektor in dieser Zeit nicht so nahen Kontakt gestatten. Wenn es noch ein paar Wochen dauert, bis Ihr Baby kommt, sollten Sie jetzt alles so einrichten, wie Sie es später nutzen werden. Stellen Sie also schon die Babywippe auf, üben Sie das Spazierengehen mit Kinderwagen und definieren Sie Bereiche wie das Kinderzimmer oder die Liegedecke des Babys, die für Hektor tabu sein sollen. Da zudem die Mutter in der ersten Zeit für die Betreuung und Beschäftigung des Hundes ausfällt, sollte der zukünftige Vater schon jetzt das Training und die Versorgung des Hundes übernehmen.
Eine Windel des Babys aus dem Krankenhaus mit nach Hause zu bringen, können Sie vergessen. Hektor wird den Geruch des Babys eh an Ihrer Kleidung wahrnehmen. Zudem könnte das missverständlich sein, denn Sie möchten Ihren Hund nicht zu Versorgungsverhalten auffordern, wie es die Mutterhündin bei Welpen macht, indem sie Kot und Urin aufschleckt. Hektor soll sich nicht für Ihr Baby zuständig fühlen.
Natürlich darf er nach den ersten Tagen aber auch einmal vorsichtig Kontakt zum Baby aufnehmen und es beschnüffeln. Wird er zu stürmisch, brechen Sie ab. Damit dies gut funktioniert, sollten Sie die Signale „Sitz“und „Platz“sowie das Schicken auf den Liegeplatz auch aus der Distanz trainiert haben.
Anita Jansen Meine Bonny ist gegenüber anderen Hunden oft sehr aggressiv, aber sie hat auch mich schon gebissen. Ich traue mich kaum noch mit ihr aus dem Haus. Rütter Leider gibt es für eine solche Problematik viele Ursachen, die geklärt werden müssen, bevor ein Trainingsplan erstellt werden kann. Aggression gegenüber Artgenossen kann aus territorialer Motivation entstehen. Es kann eine sexuelle Motivation Ursache sein, wenn der Hund den anderen als Konkurrenten sieht. Auch ressourcenmotivierte Aggression ist möglich, wenn der Hund etwa seinen Lieblingsball verteidigt. Vielleicht hat Bonny aber auch das Gefühl, dass sie auf ihre Menschen aufpassen muss? Dann wäre eine soziale Motivation Ursache. Letztlich könnte es sich auch um defensive Aggression handeln. Diese zeigen Hunde etwa aufgrund einer generellen Unsicherheit oder weil sie etwa schlechte Erfahrungen gemacht haben. Daher wäre es fahrlässig, an dieser Stelle Ratschläge für ein Training zu geben, insbesondere dann, wenn es auch zu Beißvorfällen gegenüber Menschen gekommen ist. Ich möchte Ihnen an dieser Stelle raten, Kontakt zu einem professionellen Hundetrainer aufzunehmen. Petra Scherer Wie lange kann ich Ramazzotti, einen zwei Jahre alten Havaneser, allein zu Hause lassen? Ich habe gehört, dass Hunde kein Zeitgefühl haben. Stimmt das? Rütter Hunde haben durchaus ein Zeitgefühl, jedoch spielt es meistens keine Rolle, ob der Hund zwei oder vier Stunden allein bleiben muss. Verbringt er zwei Stunden entspannt allein zu Hause, werden in der Regel auch vier Stunden kein großes Problem sein. Doch auch wenn ein Hund vielleicht sogar nach acht Stunden Abwesenheit des Menschen noch entspannt ist, sollte man Hunde nicht so lange täglich allein lassen.
Hunde sind keine Einzelgänger, sie leben im Familienverband.
Für sie ist es nicht verständlich, dass Familienmitglieder sich für eine so lange Zeit entfernen. Wir raten daher, einen Hund täglich höchstens vier bis sechs Stunden allein zu lassen. Ist man Vollzeit berufstätig, wird die Hundehaltung damit natürlich schwierig. Denn es hilft auch nicht, wenn am Mittag ein Betreuer den Hund eine Stunde lang ausführt. Zwar kann der Hund sich dann lösen und bewegen, die Erwartung des Hundes auf Rückkehr der Familie wurde aber nicht erfüllt. Doch selbst wenn Herrchen oder Frauchen in der Mittagspause heimkommen, bedeutet dies nicht, dass das Alleinbleiben stressfreier wird. Vielmehr wird der Hund durch die Heimkehr seiner Menschen und die Beschäftigung erregt, kurz danach jedoch erneut für eine längere Zeit allein gelassen. Das kann dazu führen, dass der Hund vormittags noch relativ gut allein bleiben kann, am Nachmittag jedoch ausdauernd bellt oder die Wohnung zerstört.
Immer wieder hört man, dass Hunde genau wissen, wann ein bestimmter Zeitpunkt gekommen ist. Wenn Herrchen immer um 17 Uhr nach Hause kommt, wird der Hund kurz vor 17 Uhr unruhig, er scheint zu wissen, dass bald die Zeit der Wiedervereinigung gekommen ist. Auch wenn Hunde sich am Tagesverlauf orientieren und so den Zeitverlauf in etwa einschätzen können, lässt sich ein solches Verhalten häufig damit erklären, dass der Hund mit seinem viel besseren Gehör draußen das Auto seines Herrchens wahrgenommen hat. Vielleicht hat er auch an den Abläufen zu Hause festgestellt, dass es nun Zeit für Herrchens Rückkehr ist. Solche Zusammenhänge verknüpfen Hunde schnell, und da sie gute Beobachter sind, lesen sie in unserem Verhalten und in unserer Körpersprache.
Uschi Werner Unsere Aussie-Mischlingshündin Kira zieht wie verrückt an der Leine, aber nur, wenn man zu zweit unterwegs ist.
Rütter Ist man allein mit dem Hund unterwegs, kann man sich vollkommen auf ihn konzentrieren. Läuft er ein Stück vor, spricht man den Hund an, verändert die Gangart, bleibt stehen, wiederholt das Signal für das lockere Laufen an der Leine oder korrigiert den Hund dafür, dass er die Leine auf Spannung gebracht hat. Die Reaktion unterscheidet sich dabei je nach MenschHund-Team und Situation, jedoch erfolgt sie meist zeitnah auf das Ziehen oder sogar schon auf das Vorlaufen des Hundes. Der Hund lernt also, dass er sich in dieser Zeit an das vorgegebene Signal halten muss, beziehungsweise besser an seinem Menschen orientieren sollte, um keinen Gangartoder Richtungswechsel zu verpassen.
Läuft der Hund entspannt neben dem Menschen, freut dieser sich und lobt den Hund. Ist man nun zu zweit unterwegs, muss man nicht nur auf den Hund, sondern auch auf den Partner achten. Kommt dann noch eine angeregte Unterhaltung dazu, lernt der Hund schnell, dass ein Signal in dieser Situation offenbar nicht unbedingt gilt. Denn läuft er nun ein wenig vor, erfolgt sehr häufig erst einmal keine Reaktion, der Mensch ist ganz in sein Gespräch vertieft. Er bemerkt nicht, dass der Hund bald in die gespannte Leine laufen wird. Erst, wenn der Hund bereits einige Zeit an der Leine zieht, fällt es dem Halter auf. Verärgert erfolgt nun eine Korrektur des Hundes, der Mensch achtet wieder auf ihn. Solange, bis er wieder abgelenkt durch die Gesellschaft ist und der Hund erneut zieht. Und schnell ist die Verknüpfung beim Hund erfolgt: Beim Spaziergang mit mehreren Menschen darf man ab und an an der gespannten Leine laufen.
Trainieren Sie also das Laufen an der Leine bewusst mit einem Partner. Dieser ist anfangs nur anwesend, er sitzt in der Nähe. Später kann er sich auch in einer größeren Distanz zu Ihnen bewegen, bis er dann direkt neben Ihnen läuft. Trainieren Sie das lockere Laufen an der Leine in kleinen Schritten. Anfangs belohnen Sie Ihren Hund nach einigen Schritten, dann steigern Sie Distanz und Trainingszeit. Achten Sie immer auf Ihren Hund und gestalten Sie das Training abwechslungsreich. Sie können das für den Hund eher „langweilige“Training der Leinenführigkeit auch mit einer Futtersuche verknüpfen. So lernt Ihr Hund Schritt für Schritt, dass Sie auch in Anwesenheit anderer Menschen auf ihn achten und es sich sogar lohnen kann, aufmerksam neben Ihnen an lockerer Leine zu laufen.