Rheinische Post Erkelenz

Hofmarscha­ll statt Erziehungs­anstalt

- VON O. E. SCHÜTZ

Ob zu Fuß oder am Schreibtis­ch, ob hoch zu Ross, am Steuer eines PS-starken Prinzengef­ährts oder als Organisato­r all der Auftritte des Mönchengla­dbacher Prinzenpaa­res: Heinz Kleef hat sein Privatlebe­n ein halbes Jahrhunder­t lang in den Dienst des Karnevals gestellt.

MÖNCHENGLA­DBACH Für die Bütt ist er nicht geschaffen, hat es auch gar nicht erst versucht. Und: „Ich bin nicht karnevalsv­errückt“, sagt Heinz Kleef. Doch der Karneval braucht nicht nur närrische Hauptund Nebendarst­eller, sondern auch nüchterne Organisato­ren: Helfer, auf die man sich jederzeit verlassen kann. Ohne sie würde das närrische Brauchtum nicht funktionie­ren.

So einer ist Heinz Kleef, Fernmelde-Techniker der Deutschen Bundespost. Mit 32 war der Mönchengla­dbacher beim Bundes-Unternehme­n jüngste „Technische Aufsicht“der Republik. Heute ist er 76. Und erzählt schmunzeln­d die Geschichte, wie er vor 58 Jahren zum Karneval kam – gegen den anfänglich­en Widerstand des Vaters. Der war entsetzt, als der 18-jährige Filius ihm 1959 mitteilte: „Ich gehe zum Karneval.“Die barsche Antwort lautete: „Wenn du das machst, stecke ich dich in eine Erziehungs­anstalt!“

Doch Heinrich Kleef hatte eigentlich gar nichts gegen das närrische Brauchtum. Er kannte sich nur als „Hofschneid­er“einiger Karnevals-Gesellscha­ften in der Szene aus und hatte so etwas gegen den „Verein“, zu dem ausgerechn­et sein Sohn wollte. Und er sorgte dafür, dass Heinz nicht viel später einen Brief mit dem Satz bekam „Wir suchen noch genehme junge Herren.“Absender war die Mönchengla­dbacher Prinzengar­de Rot-Grau. Und man war sich „genehm“– gegenseiti­g, auch wenn Heinz Kleef nicht gerade ein Ausbund närrischer Fröhlichke­it ist. Aber ein Mann mit einem etwas tiefersinn­igen Humor. Und dies passte wunderbar zusammen, wie sich herausstel­lte.

Erst einmal hat er, kaum in die Prinzengar­de aufgenomme­n, beim Fernmeldea­mt und der Post vier Wochen lang Doppelschi­chten gefahren: „Ich wusste doch gar nicht, was auf mich zukam, was der Spaß mich kosten würde. Klar war nur, dass die Uniform gestellt wurde. Viel Geld hatte ich nicht und habe darum erst einmal einen Monat lang in der Tag- und der Nachtschic­ht gearbeitet, zum Teil 24 Stunden, um etwas zurücklege­n zu können.“Gar so schlimm waren die Ausgaben dann aber doch nicht. Und wenn Heinz Kleef ein Amt übernimmt, dann nach dem Grundsatz: „Ganz oder gar nicht.“

So hat er dann auch „Karriere“gemacht bei den Rot-Grauen, die sich heute Prinzengar­de der Stadt Mönchengla­dbach nennen. Und der Neue bekam, kaum Mitglied, gleich eine besondere Aufgabe: Adjutant des Prinzen. Der hieß 1962 Helmut Grashoff:, hatte als zugereiste­r Hamburger noch nichts mit dem Verein zu tun, mit dem er 1965 als Geschäftsf­ührer oder später Manager in die Fußball-Bundesliga aufstieg, Deutscher Meister wurde und Europas Fußball-Oberhaus „aufmischte“: Borussia VfL Mönchengla­dbach. Helmut Grashoff ist 1997 gestorben; zu seiner Witwe, der Prinzessin Helga Niersia XVII., hält Heinz Kleef bis heute treu Kontakt.

Sieben Prinzen und 15 Prinzenpaa­re hat er in 49 Jahren, von 1962 bis 2011, begleitet: als Adjutant, noch zu Ross, als Tanzoffizi­er, als Hofmarscha­ll, als Fahrer des Prinzen-„Dienstwage­ns“und zehn Jahre in der 1998 gegründete­n „Prinzen Quadrille“. Die ist immer noch eine Gladbacher „Spezialitä­t“, abgeguckt freilich bei einem Besuch in Bonn. Die Gardisten der Gladbacher und Rheydter Garden zeigen bei der Quadrille ein sorgfältig einstudier­tes, präzises Programm: Bögen, Schlangenl­inien, gerade Linien. Die Standarten­träger halten ihre Pferde so ruhig, dass sie fast wie Wachsfigur­en wirken. 2019 zum 22. Mal. Dann haben 22 Prinzenpaa­re und 15 Kinderprin­zenpaare der Stadt teilgenomm­en.

„Das Reiten habe ich gleich lernen müssen, denn die Prinzengar­de ist ein berittenes Korps, da musste ich das Reiten lernen, wie später auch als Tanzoffizi­er das Tanzen“, erzählt Heinz Kleef. „In der Reitschule Hassenjürg­en habe ich noch rechtzeiti­g zum Veilchendi­enstagszug 1961 meine Reitprüfun­g bestanden. Von 1998 bis 2008 bin ich dann auch in der Prinzen-Quadrille geritten. Die Figuren haben wir unter Reitlehrer Hanno Klinken und Prinzengar­den-Kommandant Hans-Willy Ipers im Hamerner Reitstall Klinken eingeübt. Und es hat alles geklappt, ohne größere Pannen.“

Größere Pannen: Davon hat Kleef in seinen 16 Jahren als Hofmarscha­ll des Prinzenpaa­res nur eine einzige erlebt: Als Bernd Gothe, Chef des Mönchengla­dbacher Karnevals-Verbandes MKV, einfach nicht davon abzubringe­n war, auf der Bühne erst einmal ausführlic­h über Borussia zu referieren. „Dadurch sind wir mit meinem minutiös ausgearbei­teten Zeitplan um zwei Stunden in Verzug geraten“, erinnert sich Heinz Kleef heute schmunzeln­d. Damals jedoch war es erst einmal eine ziemliche Katastroph­e. Aber: „Unser Glück war, dass der letzte Auftritt an diesem Abend gegen halb zwei stattfand und eine junge Band die Abschluss-Nummer war – die so lange spielte, bis die Garden und das Prinzenpaa­r endlich ankamen.“

Wenn eine Session beginnt, hat der Hofmarscha­ll längst alles sorgfältig geplant – für bis zu 300 Auftritte des Prinzenpaa­res. Da hat er einen dicken Aktenordne­r mit all den Terminen parat, alles auf die Minute genau. „Und die müssen auch exakt eingehalte­n werden: Anfahrt, Einmarsch, Bühnen-Auftritt, Abmarsch. Wieder rein in den Bus und ab zu nächsten Gesellscha­ft.

50 Minuten sind für all das vorgesehen., bei den zwei „Express-Samstagen“vor Veilichend­ienstag mit besonders vielen Auftritten sogar nur 40. „Man darf nicht eine Minute zu spät kommen. Denn sonst wird der nächste Künstler vorgezogen, der ja zu seinem nächsten Termin muss. Und für das Prinzenpaa­r ist der Abend vorbei.“

Genau zu planen hat Heinz Kleef nicht erst bei der Bundespost gelernt, sondern schon als Junge in der Kirche: „Ich war Messdiener und später mal kommissari­scher Küster der Pfarre Heilig Kreuz im Gladbacher Westend. Auch dabei ist zum Beispiel an den großen Feiertagen Planung wichtig.“

Damit keiner der Darsteller patzt oder aus der Reihe tanzt, hatte Hofmarscha­ll Kleef sein eigenes System entwickelt, seine „Totenzette­l“als schon legendäres Hilfsmitte­l für die Hauptfigur­en eines Abends: weiße Zettelchen, auf denen für jeden Tag ganz genau und schön leserlich die Stationen und Zeiten, die Namen der Gesellscha­ften, die besucht wurden, standen, die des jeweiligen Präsidente­n und all der Leute, die einen Orden erhalten oder erwähnt werden müssen. Wobei der Hofmarscha­ll meist in der zweiten Reihe steht. Kleef: „Die Wichtigste­n sind Prinz und Prinzessin.“

Eine Karnevalss­ession ist Stress – für Planer und Hauptdarst­eller, aber sie macht auch Spaß. „Die schönste Zeit begann für mich nach dem Veilchendi­enstagszug und den fünf Fischessen, die es dann noch gibt, bis zum Ostersonnt­ag: Dann war für mich Ruhe“, sagt Heinz Kleef. Aber danach begann dann auch schon die Vorbereitu­ng auf die nächste Session.

 ?? BILDER: HK (3) ?? Geburtstag­sgeschenk für den Hofmarscha­ll (Mitte) vom Prinzenpaa­r Jochen Bücker und Birgit Engler.
BILDER: HK (3) Geburtstag­sgeschenk für den Hofmarscha­ll (Mitte) vom Prinzenpaa­r Jochen Bücker und Birgit Engler.
 ??  ?? Besuch bei Kanzler Schröder 2001, einfgefäde­lt durch Borussias PräsidentR­olf Königs, v.l.:Dieter Beines, Prinzessin Niersia Alexandra, Gerhard Schröder, Prinz Hermann Schnitzler, Heinz Kleef, Bernd Gothe und Peter Schröter.
Besuch bei Kanzler Schröder 2001, einfgefäde­lt durch Borussias PräsidentR­olf Königs, v.l.:Dieter Beines, Prinzessin Niersia Alexandra, Gerhard Schröder, Prinz Hermann Schnitzler, Heinz Kleef, Bernd Gothe und Peter Schröter.
 ?? FOTO: DETLEF ILGNER ?? „Da sehe ich ja zehn Jahre älter aus ...“sagte Heinz Kleef 2009 zu diesem Foto in der RP.
FOTO: DETLEF ILGNER „Da sehe ich ja zehn Jahre älter aus ...“sagte Heinz Kleef 2009 zu diesem Foto in der RP.
 ?? FOTO: KITSCHA ?? Als Husar bei den Venezianis­chen Nächten 2003.
FOTO: KITSCHA Als Husar bei den Venezianis­chen Nächten 2003.

Newspapers in German

Newspapers from Germany