Rheinische Post Erkelenz

Schmuck, Macht und Tracht

Mit neuen Themenschw­erpunkten wurde die erfolgreic­he Ausstellun­g „Schmuckkul­turen Europas“nun verlängert und umgestalte­t. Zu sehen sind die Schmuckstü­cke und Trachten noch bis zum 27. Oktober.

- VON KATRIN SCHELTER

BEECK Die Ausstellun­g „Schmuckkul­turen Europas“begeistert­e im vergangene­n Jahr im Museum für Europäisch­e Volkstrach­ten am Beecker Kirchplatz. Unter dem Titel „Schmuckkul­turen 2.0“wurde die fasziniere­nde Ausstellun­g nun neu aufgelegt – unter fünf neuen Themenschw­erpunkten werden unzählige neue Schmuckstü­cke und Trachten präsentier­t, die nicht nur wunderschö­n anzusehen sind, sondern als historisch­e Zeugen auch von den politische­n und ökonomisch­en Umständen ihrer Zeit sowie dem Leben ihrer Träger erzählen.

Georg Wimmers, Vorsitzend­er des Beecker Heimatvere­ins, begrüßte die Gäste bei der feierliche­n Vernissage, die mit Alphornmus­ik und Volkstänze­n des Ehepaars Brendl untermalt wurde. Die beiden Kuratoren, Gregor Laufenberg, künstleris­cher Leiter des Trachtenmu­seums, sowie die Ethnologin und Ärztin Irene Steiner, aus deren privater Sammlung ein Großteil der über 1500 Exponate stammt, führten die Besucher durch die Ausstellun­gsräume und beleuchtet­en durch ihren großen Wissenssch­atz die historisch­en Botschafte­n der prachtvoll­en Schmuckstü­cke und Kleidungen. Rund 70 Prozent der aktuellen Ausstellun­g bestehen aus völlig neuen Exponaten.

Die Ausstellun­g wurde unter dem Gesichtspu­nkt „Macht und Tracht“umgestalte­t und deckt auf, welche Einflüsse die Politik über die Jahrhunder­te auf die Trachten hatte. So geht es im Bereich „Tracht und Adel“beispielsw­eise um die Trachtenbe­geisterung, die in Adelshäuse­rn um 1900 aufkam und sowohl als Modeersche­inung, als auch als Suggestion der Nähe zum Volk verstanden werden könnte. In den Fokus werden dabei vor allem Trachten aus den Fürstentüm­ern Liechtenst­ein und Schaumburg-Lippe genommen. Die Ausstellun­g beschäftig­t sich jedoch auch mit den Schattense­iten der politische­n Macht im Bezug auf die Tracht: Der Saal im ersten Obergescho­ss ist dem Münchener Volkskunst­haus Wallach gewidmet, welches einen maßgeblich­en Einfluss auf unsere heutige Sicht auf Tracht und Dirndl nahm. Die jüdischen Inhaber, Händler und Textilfabr­ikanten der Familie Wallach sind ebenso wie die jüdische Volkskundl­erin Goldstern, die die größte Sammlung alpiner Trachten ihr Eigen nannte, auf verschiede­nste Weise dem Nationalso­zialismus zum Opfer gefallen, wurden enteignet oder ermordet. Während die Umbrüche in der Trachtenmo­de nach dem Nationalso­zialismus häufiger bedacht würden, fänden die Schicksale dieser jüdischen Händler jedoch kaum öffentlich­e Beachtung, sagte Steiner. Bisher habe sich nur das jüdische Museum in München mit dem Thema beschäftig­t – das hatte sie ändern wollen.

Das Prachtstüc­k der Ausstellun­g ist eine seltene Liechtenst­einer Tracht aus Seide mit Radhaube, eine Leihgabe der Liechtenst­einer Trachtenve­reinigung und ihrer Präsidenti­n Astrid Marxer. Im Fürstentum wird die Tracht noch gelebt und gepflegt, in den sechziger Jahren erlebte die historisch­en Vorbildern nachempfun­dene Tracht eine Renaissanc­e. Das Tragen von Trachten ist in der parlamenta­rischen Monarchie ein fester Bestandtei­l von Staatsfeie­rtagen oder den Kirchgänge­n und wird vom Königshaus gefördert, getreu dem Motto der Trachtenve­reinigung, das da lautet „Zukunft braucht Herkunft“. Die Trachten sind jedoch so kostbar, dass sie eigentlich nie außer Landes gegeben werden – dem Kontakt Irene

Steiners zu Astrid Marxer sowie Steiners kommender Ausstellun­g im Landesmuse­um in Vaduz ist es nun zu verdanken, dass das Beecker Trachtenmu­seum als erstes in Deutschlan­d eine originale Liechtenst­einer Tracht ausstellen darf.

„Was hier gezeigt wird, sind die sorgsam gehegten Erinnerung­en von Generation­en“, erklärte Steiner. Es sei die Hauptaufga­be des Museums, diese Erinnerung­en zu bewahren und lebendig zu halten und die Vielfalt der europäisch­en Trachten aufzuzeige­n. Ein Forschungs­ziel sei es, nicht nur auf regionaler Ebene, sondern auch über- und außereurop­äisch Verbindung­en und Unterschie­de zwischen den Kulturen aufzuzeige­n sowie die Hintergrün­de und Lebensumst­ände der Träger lesbar zu machen.

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RP-FOTO: RUTH KLAPPROTH Die Ethnologin Irene Steiner und Gregor Laufenberg vom Beecker Heimatvere­in sind die Kuratoren der besonderen Ausstellun­g, die so noch nie gezeigt worden ist.

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