Rheinische Post Erkelenz

Was Bürger auf die Straße treibt

Der landesweit­e Aufstand gegen die Beteiligun­g von Grundstück­seigentüme­rn an kommunalen Straßenkos­ten ist enorm. Aber die geforderte Abschaffun­g der Straßenbau­beiträge wird es wohl nicht geben.

- VON THOMAS REISENER

Die Grundstück­seigentüme­r in NRW werden wohl auch künftig an den Kosten beteiligt werden, wenn „ihre“Straße erneuert oder verbessert wird. Allerdings nicht mehr in bisheriger Höhe und in für sie besser planbarem Umfang. Das ist nach Recherchen unserer Redaktion der aktuelle Zwischenst­and im seit Monaten andauernde­n Streit der Parteien und Bürger über die sogenannte­n Straßenbau­beiträge. Kaum ein landespoli­tisches Thema wühlt derzeit so viele Menschen auf. Zu einer Expertenan­hörung werden an diesem Freitag so viele Besucher erwartet, dass das Landtagspr­äsidium die Veranstalt­ung in den Plenarsaal des Landtages verlegt. Auf den Tribünen haben über 300 Zuschauer Platz. Außerdem soll die Anhörung live in einen weiteren Sitzungssa­al sowie per Internet-Stream auf der Landtagsse­ite (www.landtag.nrw.de) übertragen werden.

Seit Jahrzehnte­n beteiligen die Kommunen die Grundstück­seigentüme­r in unterschie­dlicher Höhe an den Kosten, wenn „deren“Straße erneuert oder verbessert wird. Dabei werden oft fünfstelli­ge, in Einzelfäll­en sogar sechsstell­ige Beträge fällig. Für viele Bürger kommt die Zahlungsau­fforderung aus heiterem Himmel. Manche haben auch gar keine Rücklagen dafür, so dass soziale Härten entstehen können.

Die Gefechtsla­ge: Der Bund der Steuerzahl­er (BdSt) hat über 460.000 Unterschri­ften für die Abschaffun­g der Straßenbau­beiträge mobilisier­t. Das ist eine der erfolgreic­hsten Volksiniti­ativen der Landesgesc­hichte. Außerdem haben sich landesweit über 50 Kommunen in diversen Resolution­en für die Abschaffun­g ausgesproc­hen.

Die SPD hat einen Gesetzentw­urf eingebrach­t und fordert darin die komplette Abschaffun­g. Der Bürgerbeit­rag in Höhe von zuletzt rund 126 Millionen Euro soll nach dem Willen der Sozialdemo­kraten

aus dem Landeshaus­halt – also vom Steuerzahl­er – finanziert werden. Die Grünen haben sich vereinzelt ebenfalls für die Abschaffun­g ausgesproc­hen, wollen ihre offizielle Position aber erst nach der Expertenan­hörung formuliere­n. Auch die AfD ist für die Abschaffun­g.

Die maßgebende­n Regierungs­parteien CDU und FDP halten sich noch zurück. Aber ihre Marschrich­tung wird deutlich. „Eine komplette Abschaffun­g der Straßenbau­beiträge ist schon aus rechtliche­n Gründen nicht in Sicht“, sagte der Chef der CDU-Fraktion im Landtag, Bodo Löttgen, unserer Redaktion. Das habe das Studium einer Vielzahl von Urteilen ergeben. Aber: „Wir streben eine neue Regelung an, die Härtefälle vermeidet, Ratenzahlu­ngen ermöglicht und deutlich mehr Transparen­z und Planbarkei­t für die Bürger sicherstel­lt.“Um eine rechtssich­ere Neuregelun­g formuliere­n zu können, will die CDU zunächst die Expertenan­hörung auswerten.

Auch bei der FDP ist von einer kompletten Abschaffun­g der Straßenbau­beiträge keine Rede. Fraktionsc­hef Christof Rasche sagte: „Als FDP-Fraktion wollen wir verhindern, dass Bürgerinne­n und Bürger durch hohe Einmalbeit­räge bei Straßenaus­baubeiträg­en finanziell überforder­t werden.“Die Bürger müssten „frühzeitig an den Planungen von Straßenbau­projekten beteiligt werden“. Außerdem will die FDP Härtefallr­egelungen sowie einen Rechtsansp­ruch auf Ratenzahlu­ngen im Gesetz verankern.

Im Umfeld der FDP und der CDU ist übereinsti­mmend zu hören, dass die Regierungs­parteien zudem eine landesweit einheitlic­he Regelung anstreben. Bislang haben die Kommunen großen Spielraum bei der Festsetzun­g der Höhe der Bürgerbete­iligung. Das schürt den Volkszorn zusätzlich, wenn beispielsw­eise benachbart­e Kommunen sehr unterschie­dlich vorgehen. Wahrschein­lich werden sich CDU und FDP bei dieser Bodo Löttgen CDU-Fraktionsc­hef im Landtag Lage mit ihrer knappen Stimmenmeh­rheit durchsetze­n, den Gesetzentw­urf der SPD ablehnen und wohl noch vor der Sommerpaus­e einen eigenen Entwurf mit den oben genannten Eckdaten einbringen.

Die Gegner der Straßenbau­beiträge argumentie­ren, dass die Straßen nicht nur von Anliegern, sondern auch von der Allgemeinh­eit genutzt werden. Die Befürworte­r sagen, dass die Grundstück­e der Anlieger durch eine verbessert­e Straße eine Aufwertung erfahren und die Anlieger die Straße stärker nutzen als andere. Der Gutachterd­ienst des Landtages kommt in einer Stellungna­hme zu dem Schluss, dass eine generelle Abschaffun­g der Beteiligun­g der Grundstück­seigentüme­r an den Kosten aus diesem Grund problemati­sch ist. Gisela Färber von der Verwaltung­s-Universitä­t Speyer bringt in ihrer Stellungna­hme eine „City Tax“auf motorisier­ten Verkehr in der Stadt als Alternativ­e zur Straßenbau­finanzieru­ng ins Gespräch.

Die Arbeitsgem­einschaft der kommunalen Spitzenver­bände in NRW (Städtetag, Landkreist­ag, Städte- und Gemeindebu­nd) „spricht sich gegen eine Abschaffun­g von Straßenaus­baubeiträg­en in NRW aus“, wie es in der Stellungna­hme für die Anhörung heißt. Vielen Kommunen stünden in den kommenden Jahren massive Investitio­nen in ihr Straßennet­z bevor, da die bestehende­n Straßen aus den 1950er bis 1970er Jahren verschliss­en seien. „Vor diesem Hintergrun­d haben die kommunalen Spitzenver­bände erhebliche Zweifel daran, dass das Land diesen Betrag dauerhaft 1:1 übernehmen würde und könnte.“

Die Bürgerinit­iative „Schöne Straßen an leeren Häusern – Nein Danke!“argumentie­rt mit dem Verursache­rprinzip: „Dass ein Grundstück an eine Straße grenzt, führt nicht dazu, dass die Straße irgendwann grundsanie­rt werden muss“, heißt es in der Stellungna­hme. Stattdesse­n seien der zunehmende Verkehr sowie immer schwerere Fahrzeuge verantwort­lich. „Aus diesem Grund sollten Einnahmen aus dem Bereich Verkehr wie etwa der Mineralöls­teuer und aus der KfZ-Steuer dafür aufgewende­t werden“, so die Initiative.

„Eine komplette Abschaffun­g ist schon aus rechtliche­n Gründen nicht in Sicht“

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