Was Bürger auf die Straße treibt
Der landesweite Aufstand gegen die Beteiligung von Grundstückseigentümern an kommunalen Straßenkosten ist enorm. Aber die geforderte Abschaffung der Straßenbaubeiträge wird es wohl nicht geben.
Die Grundstückseigentümer in NRW werden wohl auch künftig an den Kosten beteiligt werden, wenn „ihre“Straße erneuert oder verbessert wird. Allerdings nicht mehr in bisheriger Höhe und in für sie besser planbarem Umfang. Das ist nach Recherchen unserer Redaktion der aktuelle Zwischenstand im seit Monaten andauernden Streit der Parteien und Bürger über die sogenannten Straßenbaubeiträge. Kaum ein landespolitisches Thema wühlt derzeit so viele Menschen auf. Zu einer Expertenanhörung werden an diesem Freitag so viele Besucher erwartet, dass das Landtagspräsidium die Veranstaltung in den Plenarsaal des Landtages verlegt. Auf den Tribünen haben über 300 Zuschauer Platz. Außerdem soll die Anhörung live in einen weiteren Sitzungssaal sowie per Internet-Stream auf der Landtagsseite (www.landtag.nrw.de) übertragen werden.
Seit Jahrzehnten beteiligen die Kommunen die Grundstückseigentümer in unterschiedlicher Höhe an den Kosten, wenn „deren“Straße erneuert oder verbessert wird. Dabei werden oft fünfstellige, in Einzelfällen sogar sechsstellige Beträge fällig. Für viele Bürger kommt die Zahlungsaufforderung aus heiterem Himmel. Manche haben auch gar keine Rücklagen dafür, so dass soziale Härten entstehen können.
Die Gefechtslage: Der Bund der Steuerzahler (BdSt) hat über 460.000 Unterschriften für die Abschaffung der Straßenbaubeiträge mobilisiert. Das ist eine der erfolgreichsten Volksinitiativen der Landesgeschichte. Außerdem haben sich landesweit über 50 Kommunen in diversen Resolutionen für die Abschaffung ausgesprochen.
Die SPD hat einen Gesetzentwurf eingebracht und fordert darin die komplette Abschaffung. Der Bürgerbeitrag in Höhe von zuletzt rund 126 Millionen Euro soll nach dem Willen der Sozialdemokraten
aus dem Landeshaushalt – also vom Steuerzahler – finanziert werden. Die Grünen haben sich vereinzelt ebenfalls für die Abschaffung ausgesprochen, wollen ihre offizielle Position aber erst nach der Expertenanhörung formulieren. Auch die AfD ist für die Abschaffung.
Die maßgebenden Regierungsparteien CDU und FDP halten sich noch zurück. Aber ihre Marschrichtung wird deutlich. „Eine komplette Abschaffung der Straßenbaubeiträge ist schon aus rechtlichen Gründen nicht in Sicht“, sagte der Chef der CDU-Fraktion im Landtag, Bodo Löttgen, unserer Redaktion. Das habe das Studium einer Vielzahl von Urteilen ergeben. Aber: „Wir streben eine neue Regelung an, die Härtefälle vermeidet, Ratenzahlungen ermöglicht und deutlich mehr Transparenz und Planbarkeit für die Bürger sicherstellt.“Um eine rechtssichere Neuregelung formulieren zu können, will die CDU zunächst die Expertenanhörung auswerten.
Auch bei der FDP ist von einer kompletten Abschaffung der Straßenbaubeiträge keine Rede. Fraktionschef Christof Rasche sagte: „Als FDP-Fraktion wollen wir verhindern, dass Bürgerinnen und Bürger durch hohe Einmalbeiträge bei Straßenausbaubeiträgen finanziell überfordert werden.“Die Bürger müssten „frühzeitig an den Planungen von Straßenbauprojekten beteiligt werden“. Außerdem will die FDP Härtefallregelungen sowie einen Rechtsanspruch auf Ratenzahlungen im Gesetz verankern.
Im Umfeld der FDP und der CDU ist übereinstimmend zu hören, dass die Regierungsparteien zudem eine landesweit einheitliche Regelung anstreben. Bislang haben die Kommunen großen Spielraum bei der Festsetzung der Höhe der Bürgerbeteiligung. Das schürt den Volkszorn zusätzlich, wenn beispielsweise benachbarte Kommunen sehr unterschiedlich vorgehen. Wahrscheinlich werden sich CDU und FDP bei dieser Bodo Löttgen CDU-Fraktionschef im Landtag Lage mit ihrer knappen Stimmenmehrheit durchsetzen, den Gesetzentwurf der SPD ablehnen und wohl noch vor der Sommerpause einen eigenen Entwurf mit den oben genannten Eckdaten einbringen.
Die Gegner der Straßenbaubeiträge argumentieren, dass die Straßen nicht nur von Anliegern, sondern auch von der Allgemeinheit genutzt werden. Die Befürworter sagen, dass die Grundstücke der Anlieger durch eine verbesserte Straße eine Aufwertung erfahren und die Anlieger die Straße stärker nutzen als andere. Der Gutachterdienst des Landtages kommt in einer Stellungnahme zu dem Schluss, dass eine generelle Abschaffung der Beteiligung der Grundstückseigentümer an den Kosten aus diesem Grund problematisch ist. Gisela Färber von der Verwaltungs-Universität Speyer bringt in ihrer Stellungnahme eine „City Tax“auf motorisierten Verkehr in der Stadt als Alternative zur Straßenbaufinanzierung ins Gespräch.
Die Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände in NRW (Städtetag, Landkreistag, Städte- und Gemeindebund) „spricht sich gegen eine Abschaffung von Straßenausbaubeiträgen in NRW aus“, wie es in der Stellungnahme für die Anhörung heißt. Vielen Kommunen stünden in den kommenden Jahren massive Investitionen in ihr Straßennetz bevor, da die bestehenden Straßen aus den 1950er bis 1970er Jahren verschlissen seien. „Vor diesem Hintergrund haben die kommunalen Spitzenverbände erhebliche Zweifel daran, dass das Land diesen Betrag dauerhaft 1:1 übernehmen würde und könnte.“
Die Bürgerinitiative „Schöne Straßen an leeren Häusern – Nein Danke!“argumentiert mit dem Verursacherprinzip: „Dass ein Grundstück an eine Straße grenzt, führt nicht dazu, dass die Straße irgendwann grundsaniert werden muss“, heißt es in der Stellungnahme. Stattdessen seien der zunehmende Verkehr sowie immer schwerere Fahrzeuge verantwortlich. „Aus diesem Grund sollten Einnahmen aus dem Bereich Verkehr wie etwa der Mineralölsteuer und aus der KfZ-Steuer dafür aufgewendet werden“, so die Initiative.
„Eine komplette Abschaffung ist schon aus rechtlichen Gründen nicht in Sicht“