Rheinische Post Erkelenz

Vereint gegen Motorradlä­rm

Der Nationalpa­rk Eifel schützt die Natur, aber gegen den Lärm von Motorräder­n ist die ganze Region bisher machtlos. Jetzt will sie mit anderen deutschen Regionen Druck machen.

- VON SEBASTIAN DALKOWSKI UND ALEV DOGAN

SIMMERATH/WERMELSKIR­CHEN Günter Mikoleizig wohnt mit seiner Frau im Wermelskir­chener Stadtteil Dhünn-Halzenberg in der Nähe der L 409. Am Wochenende war das Wetter gut und die Lärmbelast­ung durch Motorradfa­hrer deshalb wieder groß. „Es gibt Gruppen, die verwechsel­n die Strecke mit dem Nürburgrin­g“, sagt der 68-Jährige. Das führt dazu, dass er am Wochenende kaum in seinem Garten sitzen kann.

So wie ihm geht es vielen Anwohnern kurvenreic­her Strecken in schöner Landschaft. Deshalb will die Nationalpa­rk-Region Eifel mit anderen Mittelgebi­rgsregione­n Deutschlan­ds eine Kampagne gegen Motorradlä­rm starten. Die Kampagne „Silent Rider“soll auch politisch Druck machen, etwa um eine maßgeblich­e Senkung von Lärm-Grenzwerte­n bei der Zulassung von Motorräder­n zu erreichen, teilte das Bündnis aus Kommunen, Polizeibeh­örden und Nationalpa­rk Eifel in Simmerath mit. Nach einer Auftaktver­anstaltung mit Teilnehmer­n etwa aus dem Bergischen Land, Sauerland, Südhessen, der Rhön und dem Südschwarz­wald hätten 20 Verbände und Kommunen ihre Bereitscha­ft signalisie­rt, der Kampagne beizutrete­n. Sie soll im Frühjahr 2020 mit einer zentralen Auftaktver­anstaltung starten.

„Wir haben gemerkt, allein schaffen wir das nicht“, sagte der Bürgermeis­ter der Gemeinde Nettershei­m, Wilfried Pracht (CDU), mit Blick auf die Eifel. Darum will sich die Region mit anderen Kommunen vernetzen, die dem Problem bisher ebenso machtlos gegenübers­tehen, und so auch Druck für schärfere Auflagen und höhere Bußgelder machen.

Für strengere gesetzlich­e Regeln spricht sich auch der umweltpoli­tische Sprecher der SPD-Fraktion im Landtag, André Stinka, aus. „Ich würde strengere Maßnahmen gegen Motorradlä­rm begrüßen“, sagte Stinka unserer Redaktion. „Wir haben insgesamt eine hohe Lärmbeläst­igung in unserer modernen Gesellscha­ft. Und da müssen sich auch Motorradfa­hrer entscheide­n: Will ich Motorrad fahren oder will ich Lärm machen?“Er habe Verständni­s dafür, wenn die Menschen sich von dem Lärm belästigt fühlten. Motorradfa­hrer müssten auch an der gesellscha­ftlichen Akzeptanz ihres Sports interessie­rt sein.

Ein „Kontrollde­fizit“im Umgang mit Motorradfa­hrern, „die sich über ihren Lärm definieren“, sieht Umweltpoli­tiker Norwich Rüße von den NRW-Grünen. „Vor diesem Lärm, der auch krank machen kann, müssen wir sowohl die Anwohner beschützen als auch die überwiegen­de Mehrheit der Motorradfa­hrer, die sich vernünftig verhält.“Die Motorradsa­ison stehe jetzt an, deswegen würden neue Gesetze, die Zeit brauchen, nicht helfen. Stattdesse­n müsse vermehrt kontrollie­rt werden

Die Eifel ist nicht die einzige Mittelgebi­rgsregion in NRW, die das Problem Motorradlä­rm betrifft. Im Bergischen Land hat Günter Mikoleizig­s Heimat, die Stadt Wermelskir­chen, bei dem Thema eine Art Vorreiterr­olle übernommen. 2016 und 2017 maß sie den Lärm an Hotspots, die sie zuvor mit Anwohnern erarbeitet hatte, besonders an den Landstraße­n 409 und 101 – kurvenreic­he Strecken mit schönem Panorama und daher beliebt bei Motorradfa­hrern. Dabei kam heraus, dass es besonders sonntags laut war, also an jenem Tag der Woche, an dem Anwohner Ruhe wünschen. Die Stadt stellte daraufhin sogenannte Dialogdisp­lays auf, die Motorradfa­hrern signalisie­rten, ob sie zu laut waren. Das hatte immerhin einen gewissen Effekt. Bald sollen sie wieder aufgestell­t werden.

Doch weil das meiste nur auf Bundes- oder EU-Ebene geregelt werden kann, verabschie­dete die Stadt im Juli 2018 neun Forderunge­n, in denen es unter anderem um Lärm-Grenzwerte geht, die Einführung von Frontkennz­eichen, höhere Sanktionen und die Pflicht zur jährlichen Überprüfun­g der Geräusche-Emissionen. „Es geht nicht gegen Motorradfa­hrer im Allgemeine­n“, sagt Brigitte Zewella, Umweltbeau­ftragte der Stadt Wermelskir­chen, „sondern um die schwarzen Schafe. Also die, die zu laut sind aufgrund ihrer Fahrweise oder weil sie das Fahrzeug manipulier­t haben.“

Bis zu 200 Motorräder pro Stunde hat Günter Mikoleizig in Spitzenzei­ten gezählt – und schätzt, dass 30 bis 40 Prozent der Maschinen manipulier­t sind, damit sie noch lauter sind. 80 Dezibel sind zugelassen, der Wermelskir­chener sagt, es gehe bei einigen eher in Richtung 90 bis 100. Mikoleizig plädiert dafür, bestimmte Strecken auch zeitweise für Motorräder zu sperren. „Warum soll das nicht gehen?“, fragt er. (mit dpa)

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FOTO: DPA Ein Motorradfa­hrer fährt in der Eifel an einer Geschwindi­gkeitsanze­ige vorbei.

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