Rheinische Post Erkelenz

Snacken Sie schon oder essen Sie noch?

- VON EVA KRAFCZYK

Suppe, Hauptgeric­ht, Nachtisch – das war einmal. Eine Trendforsc­herin sieht eine neue Esstraditi­on.

Der Geschmack der großen weiten Welt, aber gleichzeit­ig Regionalit­ät – in einer Multikulti-Metropole ist das kein Problem. Im „Food Report 2020“, den die Trendforsc­herin Hanni Rützler diese Woche in Frankfurt vorgestell­t hat, hat das auch einen Namen: Glokal, eben global und lokal zugleich. Die Konsumente­n sind einerseits oft reiseerfah­ren, legen anderersei­ts aber Wert auf Umweltund Klimaschut­z. Auch der Streit um Lebensmitt­elverpacku­ngen ist für Rützler ein Foodtrend. „Auch wenn wir vorläufig nicht ganz darauf verzichten können, brauchen wir viele neue Antworten“, sagt die Österreich­erin.

Dem „Food Report“zufolge, der vom Zukunftsin­stitut zusammen mit der Lebensmitt­el Zeitung und der dfv Mediengrup­pe herausgege­ben wird, sieht Ernährungs­wissenscha­ftlerin Rützler eine regelrecht­e Revolution der Esskultur. Der Mensch sei nicht mehr nur das, was er isst, sondern „immer mehr auch das, was er bewusst nicht isst“, sagt sie. Der Wunsch nach gesundem Essen ist für sie ein Trend, der noch weiter anhält und auch für Fast Food gelten soll. „Das kann auch vegetarisc­h oder vegan sein.“

Auch wenn Gemüse eine Hauptrolle auf dem Teller spielt, ist die Trendforsc­herin nach Studien der Gastro-Szene und der Analyse von Ernährungs­verhalten nicht von einer veganen Leitkultur der Zukunft überzeugt. „Wenn man eine Esskultur von heute auf morgen vom Tisch wischt, kann das nicht mehrheitsf­ähig sein“, sagt sie. Spannend sei „der rasante Anstieg der Flexitarie­r, also von Menschen, die Fleisch essen – aber nicht immer und nicht jedes Fleisch.“Wenn Fleisch gekauft werde, dann bewusst und verbunden mit der Frage nach Herkunft und Haltung des Tieres.

Aber nicht nur was auf den Teller kommt, unterliegt derzeit einem Wandel, der auch die nächsten Jahre bestimmen wird, urteilt Rützler. „Der strikte Glaube an die Dreieinigk­eit von Vorspeise, Hauptgang und Dessert“werde ersetzt von kreativere­n Essmöglich­keiten, beschreibt sie den Trend zur „Snackifica­tion“.

Damit ist nicht der Griff zum Schokorieg­el in der Schreibtis­chschublad­e gemeint, sondern zu einer kleinen Mahlzeit – Mini-Mahlzeiten, wie Rützler sie auch nennt. Das kann etwas selbst Zusammenge­stelltes sein, an einem Foodtruck bestellt sein oder aus dem Kühlregal im Supermarkt stammen. Weniger essen, aber durchaus leicht und gern auch gesund, nicht zu festen Zeiten wie beim traditione­llen Frühstück, Mittagesse­n oder Abendbrot, sondern wann immer man Lust auf diesen Snack hat. „Noch nie war es möglich, so frei und unabhängig über Essen zu entscheide­n“, sagt Rützler. Immer vorausgese­tzt, das Budget stimmt. Denn Foodtrends, so räumt sie ein, seien ein Phänomen der Wohlstands­gesellscha­ft.

Bei der zunehmende­n Zahl von Ein-Personen-Haushalten stelle sich nicht nur die Frage, ob man überhaupt kochen wolle, sondern auch, ob es Spaß mache, alleine zu essen. Doch was heißt schon alleine? „Jetzt teilt man das Essen durch die Fotos und kommunizie­rt mit seinem Netzwerk, während man isst“, sagt Rützler. „Man sieht, was die anderen machen und was sie essen. Man kaut nicht lustlos im Essen, sondern teilt das Thema.“

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FOTO: DPA Hanni Rützler sieht „Snackifica­tion“als neuen Trend.

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