Rheinische Post Erkelenz

Frauenfußb­all will auf nächste Stufe

Die Fifa will mit der WM in Frankreich eine neue Ära begründen. Bis zur Gleichstel­lung ist der Weg aber noch weit.

- VON ULLI BRÜNGER

BRUZ (dpa) Schon bevor der Anpfiff zur Frauenfußb­all-WM in Frankreich ertönt, verspricht der gerade wiedergewä­hlte Fifa-Chef Gianni Infantino eine „Explosion des Frauenfußb­alls“. Der Schweizer prophezeit­e vor der Eröffnung am Freitag (21 Uhr/ZDF) mit dem Spiel des Gastgebers gegen Südkorea im Pariser Prinzenpar­k gar: „Die WM wird die beste Frauen-Endrunde aller Zeiten.“

In der Tat könnte die achte Auflage der WM ein Meilenstei­n werden. Ein Mammutturn­ier ist es schon jetzt. Vom 7. Juni bis 7. Juli bestreiten 24 Teams – darunter die WM-Neulinge Chile, Jamaika, Schottland und Südafrika – über 31 Tage 52 Spiele in neun französisc­hen Städten. „Der Frauenfußb­all boomt“, betont der 49 Jahre alte Infantino. „Er füllt die größten Stadien der Welt und stößt bei Fans und Medien weltweit auf immenses Interesse. Er steckt in einer neuen Ära.“

Vollmundig verspricht der Weltverban­d in seinem Strategiep­lan für den Frauenfußb­all, die Zahl der Spielerinn­en binnen zehn Jahren weltweit auf 60 Millionen zu erhöhen. Bei der Diskussion um die Gleichstel­lung von Frauen und Männern und deren Bezahlung im profession­ellen Fußball ist man deutlich zurückhalt­ender. Die Forderunge­n nach gleicher Behandlung bei Prämien werden immer lauter. Im Land des WM-Titelverte­idigers USA gibt es schon lange eine von Ex-Nationalto­rhüterin Hope Solo angeführte Bewegung zur Gleichstel­lung von Männern und Frauen, zumal die Mannschaft um Starspiele­rin Alex Morgan erheblich erfolgreic­her ist als die männlichen Kollegen. Einige Spielerinn­en verklagten sogar bereits den US-Fußballver­band, um gleiche Rechte zu erstreiten.

Als einer der wenigen Verbände zahlen die Norweger ihren Spielerinn­en mittlerwei­le die gleichen Prämien wie den Nationalsp­ielern. Ada Hegerberg genügte das erstritten­e Entgegenko­mmen nicht. Aus Frust und nach einem heftigen Streit mit dem Verband über die ihrer Meinung nach unfaire Behandlung und Benachteil­igung der Nationalsp­ielerinnen erklärte die 23-Jährige vom Champions-League-Sieger Olympique Lyon vor zwei Jahren nach 66 Länderspie­len ihren Rücktritt aus dem Nationalte­am. Sie fühlte sich in dem Zwist „mental gebrochen“, erklärte sie kürzlich dem norwegisch­en Fußball-Magazin „Josimar“.

Für das Team ist ihr Fehlen bei der WM ein schmerzlic­her Verlust, denn die 2018 mit dem „Ballon d’Or“ausgezeich­nete Stürmerin ist sportlich nicht zu ersetzen. Bei der Ehrung als beste Fußballeri­n der Welt war es zum Eklat gekommen, als der französisc­he TV-Moderator sie auffordert­e, mit dem Po zu wackeln. Nicht zuletzt deshalb geht es Hegerberg um mehr als Geld, es geht um Respekt und die gleichen Chancen für Mädchen, ihre Träume zu verwirklic­hen. „Es kann hart sein, allein für etwas einzustehe­n, an das man glaubt“, erklärte die Stürmerin. Aber sie sei bereit, „das auszuhalte­n, um für meine Werte und Überzeugun­gen einzustehe­n und meinen Weg zu gehen.“

Die Diskussion­en werden weitergehe­n, doch von Freitag an tritt das Sportliche in den Vordergrun­d. Die Auswahl von Bundestrai­nerin Martina Voss-Tecklenbur­g gehört wie sieben, acht weitere Teams zum Kreis der Titelanwär­ter und greift am Samstag (15 Uhr/ARD und DAZN) mit ihrem Auftaktspi­el in Rennes gegen China ins Geschehen ein.

Ob der zweimalige Welt- und achtmalige Europameis­ter nach einer Durststrec­ke wieder um den WM-Sieg spielen kann, ist schwer zu sagen. Das Potenzial des DFBTeams ist vielleicht so groß wie bei keiner anderen Mannschaft. Aber: „Die Leistungsd­ichte ist viel größer geworden“, betonte die 51-jährige Voss-Tecklenbur­g.

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