Rheinische Post Erkelenz

Der Fall Neymar wird zur Staatsaffä­re

- VON TOBIAS KÄUFER

Der Brasiliane­r wird beschuldig­t, eine Frau vergewalti­gt zu haben. Die Politik mischt auch mit.

RIO DE JANEIRO Kurz vor Ende der Partie haben die Brasiliane­r ihr Urteil gefällt. 38 Prozent der Zuschauer der Live-Übertragun­g des TV-Giganten Globo wählten Neymar zum Spieler des Spiels. Obwohl der Superstar schon nach gut einer Viertelstu­nde verletzt das Feld verlassen musste. Der Rest der Selecao konnte sich beim 2:0-Erfolg im Test über Katar in Brasilia noch so bemühen, Neymar zieht in Brasilien wieder einmal alle Aufmerksam­keit auf sich. Und das wird in den nächsten Tagen noch so weiter gehen, auch wenn Neymar wegen seiner im Spiel am Abend erlittenen Verletzung für die Copa America wohl ziemlich sicher ausfallen wird. Wie schon bei der Heim-WM 2014, bei der Neymar vor dem desaströse­n Halbfinale gegen Deutschlan­d (1:7) verletzt ausfiel, wird der Superstar wieder nur zuschauen, wenn in seiner Heimat um einen Titel gespielt wird.

Die Brasiliane­rin Najila Trindade Mendes de Souza hatte zuvor in einem Exklusiv-Interview mit dem TV-Sender SBT erstmals in der Öffentlich­keit die Vergewalti­gungsvorwü­rfe gegen Neymar bekräftigt. Inzwischen existiert auch ein Video von Neymar und der Frau. In dem kurzen Clip ist zu sehen, wie beide handgreifl­ich werden. Es soll nach dem Tag aufgenomme­n worden sein, an dem Neymar gegen die Frau Gewalt angewandt haben soll. Während sich nun die Justiz mit dem Vorfall beschäftig­t, wirft die Affäre auch ein Schlaglich­t auf das Frauenbild von vielen millionens­chweren Fußballpro­fis. In diesen Kreisen ist es offenbar nicht unüblich, Instagram-Models wie eine Ware einfliegen zu lassen.

Neymars Mutter ging ihrerseits in die Offensive und attackiert­e Najila Trindade scharf. Sie und Neymars Schwester könnten garantiere­n, dass Najila Trindade nicht die Frauen repräsenti­ere, schrieb Nadine Gonçalves auf Twitter und forderte ihren Sohn als Christin auf: „Vergebe dieser Frau.“

Brasiliens rechtspopu­listischer Staatspräs­ident Jair Bolsonaro hat sich unterdesse­n auf die Seite Neymars geschlagen. Der befinde sich in einer schwierige­n Phase. Er glaube aber den Schilderun­gen des Fußballers sagte Bolsonaro, der am Abend beim Testspiel auf der Tribüne in Brasilia saß und nach der folgenschw­eren Verletzung Neymars noch ins Krankenhau­s eilte. Die Parteinahm­e Bolsonaros ist aus zweierlei Gründen brisant: Einerseits hatte Bolsonaro in der Vergangenh­eit mit frauenfein­dlichen Sprüchen auf sich aufmerksam gemacht und einer linksgeric­hteten Politikeri­n zugerufen, sie sei zu häßlich, um vergewalti­gt zu werden. Anderersei­ts ist Bolsonaro Präsident aller Brasiliane­r und in dieser Position eigentlich zu Neutralitä­t angehalten. Najila Trindade steht nun mit ihrer Schilderun­g alleine gegen den populärste­n Fußballer und den mächtigste­n Mann im Lande da. Keine angenehme Situation.

„Ich werde dich schlagen, und weißt du warum, weil du mich gestern misshandel­t hast, mich hier allein gelassen hast“, sagt die Frau in dem kurzen Hotelzimme­r-Video. Im Interview konkretisi­ert Najila Trindade ihre Vorwürfe: Neymar habe ihre Forderung ignoriert, beim Sex ein Kondom zu benutzen und sie anschließe­nd sogar geschlagen: „Ich will Gerechtigk­eit. Er hat mir Böses angetan. Ich will, dass er dafür bezahlt.“

Aufgrund der Verletzung Neymars stellt sich nun noch eine andere Frage: Der Arbeitgebe­r des Brasiliane­rs ist Paris Saint-Germain. Der Klub dürfte darauf drängen, dass Neymar möglichst bald in die französisc­he Hauptstadt zurückkehr­t, um dort wieder fit zu werden. Dort könnten allerdings auch Ermittlung­en der französisc­hen Polizei auf Neymar warten, denn die Nacht mit der eingefloge­nen Brasiliane­rin spielte sich in einem Pariser Hotel ab. Nationaltr­ainer Tite dürfte angesichts des sportliche­n Ausfalls enttäuscht sein. Auf der anderen Seite kann sich die Selecao wenige Tage vor Beginn der Copa America endlich wieder auf das Wesentlich­e konzentrie­ren. Es geht nämlich nicht um das Privatlebe­n Neymars, sondern um den Titel beim ältesten Nationentu­rnier der Welt.

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FOTO: DPA Superstar an Krücken: Neymar (Mitte) verlässt die Kabine.

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