Rheinische Post Erkelenz

Lupenreine­r Demokrat?

- VON JAN DREBES

Horst Seehofer ist Innenminis­ter und damit auch für das Hüten der Verfassung zuständig. Mit seinen Äußerungen, dass man Gesetze komplizier­t machen müsse, um sie durchsetze­n zu können, offenbart er einen erschrecke­nden Mangel an Demokratie­verständni­s. Besonders schwer aber wiegt ein weiterer Satz, den er – ausgerechn­et – bei einer Veranstalt­ung zur „wehrhaften Demokratie“sagte: Auch Notwendige­s werde ja oft „unzulässig in Frage“gestellt. Wie bitte? Was soll unzulässig daran sein, wenn an Gesetzentw­ürfen der Bundesregi­erung Kritik geübt wird und die Vorhaben der Regierende­n in Frage gestellt werden? Das ist nicht nur zulässig, sondern sogar ein existenzie­ll wichtiger Bestandtei­l einer Demokratie. Seehofer muss sich dazu erklären. Ansonsten bleibt der verheerend­e Eindruck, dass man es in diesem Land mit einem Verfassung­sminister zu tun hat, der auf wesentlich­e Teile unseres Grundgeset­zes und unserer Demokratie pfeift. Die schmalen Sätze, er habe es „leicht ironisch“formuliert, reichen da nicht aus.

Sicher, Taktiken und Tricks gibt es im Gesetzgebu­ngsverfahr­en zuhauf. Es ist gelebte Praxis, dass Ministerie­n mit ihren Gesetzentw­ürfen versuchen, den Koalitions­partner übers Ohr zu hauen. Doch Seehofers Unverfrore­nheit – ironisch formuliert oder nicht – ist ein anderer Fall. Sie könnte sogar dazu führen, dass wichtige Sozialdemo­kraten in einer Kabinettsu­mbildung, die wegen des Fortgangs von Justizmini­sterin Katarina Barley (SPD) ohnehin ansteht, auf einen Rausschmis­s Seehofers drängen. Dessen Äußerung könnte die explosive Lage in der SPD, nicht nur beim innerparte­ilichen Streit in Sachen Migrations­paket, zur Entladung bringen. So oder so bietet all das neues Futter für die No-Groko-Bewegung. Und die Koalition taumelt zunehmend.

BERICHT

„MAN MUSS GESETZE KOMPLIZIER­T MACHEN“, POLITIK

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