Lupenreiner Demokrat?
Horst Seehofer ist Innenminister und damit auch für das Hüten der Verfassung zuständig. Mit seinen Äußerungen, dass man Gesetze kompliziert machen müsse, um sie durchsetzen zu können, offenbart er einen erschreckenden Mangel an Demokratieverständnis. Besonders schwer aber wiegt ein weiterer Satz, den er – ausgerechnet – bei einer Veranstaltung zur „wehrhaften Demokratie“sagte: Auch Notwendiges werde ja oft „unzulässig in Frage“gestellt. Wie bitte? Was soll unzulässig daran sein, wenn an Gesetzentwürfen der Bundesregierung Kritik geübt wird und die Vorhaben der Regierenden in Frage gestellt werden? Das ist nicht nur zulässig, sondern sogar ein existenziell wichtiger Bestandteil einer Demokratie. Seehofer muss sich dazu erklären. Ansonsten bleibt der verheerende Eindruck, dass man es in diesem Land mit einem Verfassungsminister zu tun hat, der auf wesentliche Teile unseres Grundgesetzes und unserer Demokratie pfeift. Die schmalen Sätze, er habe es „leicht ironisch“formuliert, reichen da nicht aus.
Sicher, Taktiken und Tricks gibt es im Gesetzgebungsverfahren zuhauf. Es ist gelebte Praxis, dass Ministerien mit ihren Gesetzentwürfen versuchen, den Koalitionspartner übers Ohr zu hauen. Doch Seehofers Unverfrorenheit – ironisch formuliert oder nicht – ist ein anderer Fall. Sie könnte sogar dazu führen, dass wichtige Sozialdemokraten in einer Kabinettsumbildung, die wegen des Fortgangs von Justizministerin Katarina Barley (SPD) ohnehin ansteht, auf einen Rausschmiss Seehofers drängen. Dessen Äußerung könnte die explosive Lage in der SPD, nicht nur beim innerparteilichen Streit in Sachen Migrationspaket, zur Entladung bringen. So oder so bietet all das neues Futter für die No-Groko-Bewegung. Und die Koalition taumelt zunehmend.
BERICHT
„MAN MUSS GESETZE KOMPLIZIERT MACHEN“, POLITIK