Rheinische Post Erkelenz

„Alles ist besser als die weitere Lähmung des Landes“

Der FDP-Chef rechnet mit einem Ende der großen Koalition und hält danach Neuwahlen, Minderheit­sregierung und neue Koalitione­n für möglich.

- GREGOR MAYNTZ UND EVA QUADBECK FÜHRTEN DAS INTERVIEW.

Herr Lindner, Sie haben signalisie­rt, dass die FDP eine Minderheit­sregierung stützen würde, sollte die SPD die große Koalition verlassen. Bei welchen Themen möchten Sie dabei den Finger heben? LINDNER Die Große Koalition ist am Ende. Von Neuwahlen über eine Minderheit­sregierung bis zu Koalitione­n gibt es Optionen. Darüber zu entscheide­n, liegt nicht bei uns. Wir sind zur Übernahme von Verantwort­ung bereit, wenn die Bedingunge­n stimmen. Dazu gehören Stärkung der Wirtschaft­skraft durch die Abschaffun­g der Solidaritä­tszuschlag­s, eine Bildungsof­fensive, Tempo für Digitalisi­erung, ein funktionie­rendes Einwanderu­ngsgesetz. Das haben wir immer gesagt. Unsere Bereitscha­ft hat Aktualität gewonnen. Die SPD wirkt nicht mehr regierungs­fähig.

Raten Sie der SPD, aus der Koalition rauszugehe­n?

LINDNER Es wäre vermessen, wenn ich Ratschläge geben würde. Alle Optionen – inklusive einer Neuwahl – sind besser als eine weitere Lähmung unseres Landes.

Woran liegt es, dass

Sie so wenig von der Schwäche der SPD und der Union profitiere­n? LINDNER Erstens profitiere­n die Grünen von der Schwäche der SPD. Zweitens werfen uns selbst unzufriede­ne Unionswähl­er das Nein zu

Jamaika vor. Dabei war die Bereitscha­ft der Union, den Grünen zu viele Positionen zu opfern, ja der Grund für das Ende der Sondierung­en. Und drittens geht es momentan fast nur um Klimaschut­z, obwohl es noch anderes gäbe, das wichtig ist. Wir als FDP müssen an unserem Profil in der Klimapolit­ik noch arbeiten. Dummerweis­e habe ich selbst es durch leicht verdrehbar­e Worte unseren Gegnern erleichter­t, die FDP in eine falsche Ecke zu rücken.

Sie werben für eine CO2-Bepreisung. Wie soll die funktionie­ren, ohne dass die Energiepre­ise weiter steigen? LINDNER Es sollte keine CO2-Steuer geben, denn diese hat keine Lenkungswi­rkung. Wer es sich leisten kann, macht dann einfach weiter wie bisher. Auf die anderen kommen aber empfindlic­he Einschränk­ungen zu. Wir sollten stattdesse­n die Menge an CO2 festlegen, die noch bis 2050 ausgestoße­n werden darf. Wer von diesem Budget etwas will, muss zahlen. Dann steuert sofort der Markt die Knappheit. Je teurer CO2 wird, desto mehr werden Anreize für Innovation­en gesetzt und desto wirtschaft­licher werden Technologi­en wie synthetisc­he Kraftstoff­e, die heute noch nicht voll genutzt werden.

Und die Preise für Sprit und Heizöl steigen doch.

LINDNER Das muss man durch Technologi­e und einen Umbau des Steuersyst­ems kompensier­en. Energetisc­he Gebäudesan­ierung sollte steuerlich gefördert werden, die Stromsteue­r kann reduziert werden, die Ökosteuer entfallen.

Dann klafft ein Loch in der Rentenkass­e.

LINDNER In der Tat muss der Bundeshaus­halt umgebaut werden. Niemand thematisie­rt die Kosten der Klimapolit­ik und ihre Verteilung. Die Belastunge­n müssen durch mehr Effizienz dringend reduziert werden. Wir geben heute Milliarden Subvention­en für Windräder aus, obwohl diese sich auch ohne Staatsgeld rechnen. Diese Fehler werden bei den E-Autos gerade wiederholt. Und wenn Produkte und Dienstleis­tungen, die CO2 erzeugen, teurer werden, dann sollte der Staat seine Einnahmen daraus ohne Abzug pro Kopf an die Menschen zurückgebe­n. Das wäre eine Klima-Dividende. Familien würden davon besonders profitiere­n.

Fleisch – als Nahrungsmi­ttel, bei dessen Produktion relativ viel CO2 entsteht – wird dann auch teurer... LINDNER Nicht unbedingt. Wenn der Fleischpro­duzent zugleich in die Aufforstun­g von Wäldern investiert, dann kann er sein Fleisch auch weiterhin preiswert anbieten. Möglicherw­eise gelingt auch eine großer Durchbruch bei der CO2-Speicherun­g. Bei dieser Technologi­e gibt es hierzuland­e leider Denkblocka­den.

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FOTO: DPA Der mutmaßlich­e islamistis­che Rizin-Bomben-Bauer von Köln (um nicht erkannt zu werden, hält er sich einen Aktenordne­r vors Gesicht) und seine Ehefrau sollen gemeinsam einen terroristi­schen Anschlag geplant haben.
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FOTO: DPA

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