Ein Feld für die Sozialdemokraten
Die SPD war früher die Schutzmacht der kleinen Leute. Eine Position, die sie aufgegeben hat. Das ist auch aus ökonomischer Sicht bedenklich.
Man muss die Thesen des früheren SPD-Chefs und heutigen Linken-Politikers Oskar Lafontaine nicht teilen. In einem Punkt hat er aber recht: Die SPD kann nicht erwarten, dass Millionen Frauen in prekären Beschäftigungsverhältnissen jubeln, wenn ihre Partei die Frauenquote in Aufsichtsräten einführt. Das Dilemma der SPD: Weil sie sich nicht mehr um ihre Stammklientel – die hart arbeitenden Menschen in der unteren Hälfte der Einkommensbezieher – kümmert, wird sie bei Wahlen abgestraft. Dabei gäbe es durchaus eine Agenda. Nach Zahlen der Böckler-Stiftung arbeitet jeder Vierte in einer atypischen Beschäftigung – Teilzeit, Minijob, Leiharbeit oder befristet. Die Mehrheit ist weiblich. Wenn das Einkommen der Hauptverdiener in vielen Familien nicht ausreicht, um halbwegs anständig über die Runden zu kommen, ist etwas faul. Wenn die
SPD diesen Menschen nichts bieten kann, wählen die entweder die Linkspartei oder sogar die AfD.
Was wäre eine vernünftige Antwort auf diese Einkommens-Schieflage? Plumpe Umverteilung und ein bedingungsloses Grundeinkommen helfen nicht weiter. Die SPD müsste sich stärker auf eine der größten Errungenschaften der Bundesrepublik zurückbesinnen – das Tarifvertragsgesetz. Tarifverträge sorgen dafür, dass die Einkommen der einfachen Beschäftigten nicht zurückbleiben. In Deutschland hat aber eine Tarifflucht eingesetzt. Arbeiteten in Westdeutschland noch vor 20 Jahren mehr als drei Viertel der Beschäftigten im Rahmen eines Tarifvertrags, sind es heute nur noch knapp mehr als die Hälfte.
Aber Vorsicht! Zu hohe Tarifabschlüsse können Jobs vernichten, komplizierte Regelungen Firmen von Neueinstellung abhalten. Aber den Arbeitsmarkt bei den prekär Beschäftigten tarifpolitisch zu ordnen, widerspricht nicht der Marktwirtschaft. Ein Feld für die SPD.
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