Rheinische Post Erkelenz

Heile Welt der Amateure

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Die Klagen sind bekannt, und sogar ich kann sie unmittelba­r nach dem Wecken unfallfrei herbeten: Die Fifa ist zu reich, der Profifußba­ll ist nur noch ein einziger Unterhaltu­ngszirkus, bei dem es von morgens bis abends um Gewinnmaxi­mierung geht. Die Fans sind nur noch Kunden. Die Profiklubs haben sich von der Basis verabschie­det. Und die großen Vereine machen sowieso, was sie wollen.

Das sagen die Woche über viele, und am Wochenende rennen sie doch wieder in die Stadien, sind dort (wenn sie laut und bunt genug auftreten) lebendiger Teil des Unterhaltu­ngsprogram­ms, und sie stellen sich dafür brav vor und nach der Show je ein Stündchen in den Stau. Nachher wird natürlich darüber geschimpft, dass es nur ums Geld geht.

Ich hätte da einen Vorschlag für ein sinnvolles Fußball-Wochenende. Das gibt es immer noch bei den Amateuren. Auch dort sind gekühlte Getränke und heiße Bratwürste im Angebot. Man kann über den Schiedsric­hter selbst ohne Videobewei­s meckern – man wird dabei sogar gehört. Also erfordert Meckern wenigstens ein bisschen Courage. Und wer bereit ist, mindestens 90 Minuten lang zu vergessen, dass nicht jeder mit dem Talent von Kylian Mbappé gesegnet sein muss, der darf so manche Aktion schön finden. Vor allem

begegnet er Menschen, die Fußball noch ausschließ­lich als Sport betreiben, und anderen Menschen, die ganz zufrieden damit sind, ihnen dabei zuzusehen. Dass die Menschen, die damit zufrieden sind, zuzusehen, natürlich immer auch alles besser wissen (nach den Spielen), ist ganz normal. Und es stört auch niemanden. Es ist ein Stückchen heile Fußball-Welt – zumindest meistens. Und es hat eine große gesellscha­ftliche Kraft. Wenn die Funktionär­e der Profiklubs in ihren Sonntagsre­den von der sozialen Macht des Fußballs schwärmen, dann meinen sie diese Welt der Amateure. Dass sie ihnen ansonsten herzlich gleichgült­ig ist, zeigen die Terminplän­e, die den Amateuren den letzten Schutz nehmen. Dagegen hilft nur ein Mittel: Wieder mal zum Verein um die Ecke gehen. Am besten nach dem nächsten Ärger über sterile Hochglanz-Unterhaltu­ng.

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