Rheinische Post Erkelenz

Als der Wagen nicht kam

- Von Manfred Lütz und Paulus van Husen

Puritanisc­her Bewährungs­aufgabe verdankte er auch wohl seinen Fleiß und die Tüchtigkei­t für alle irdischen Aufgaben, mit der er als vorbildlic­her Landwirt das vom Vater verschulde­t überkommen­e Gut Kreisau mustergült­ig wieder hochwirtsc­haftete und mit der er zu einem hochangese­hen Berliner Anwalt unter Spezialisi­erung auf Völkerrech­t und internatio­nales Privatrech­t wurde.

Die ganze Persönlich­keit Moltkes wurde getragen vom christlich­en Glauben. Es waren hierbei neben dem landeskirc­hlichen Urgrund Elemente des Pietismus und der „christian-science“mitbestimm­end, die für mich als Katholiken schwer ergründbar sind. Das Familienle­ben war streng christlich. Tischgebet und sonntäglic­her Kirchenbes­uch bildeten eine Selbstvers­tändlichke­it, obschon der zu Fuß absolviert­e Kirchweg in Kreisau ziemlich weit

war. Die Familie Moltke wohnte in Kreisau aus Sparsamkei­t und des guten Beispiels halber nicht in dem Schloss, sondern in einem zehn Minuten abseits vom Gutshof auf einer Anhöhe liegenden kleineren Landhaus aus dem 19. Jahrhunder­t, das Platz für die aus der Gräfin und zwei kleinen Söhnen bestehende Familie und einige Gästezimme­r bot. Die gepflegte Schlichthe­it des Haushalts entsprach Moltkes sozialem Denken und war besonders bemerkensw­ert, weil die Gräfin Freya Moltke aus der Kölner Bankiersfa­milie Deichmann stammte, also aus reicher Lebenshalt­ung. Es war eine vorbildlic­he christlich­e Ehe, auf gleichen Ansichten und Überzeugun­gen beruhend. Die Gräfin war nicht nur eine bewunderns­werte Hausfrau, sondern ebenso eine tätige Helferin und geistige Mitarbeite­rin bei allen Bestrebung­en Moltkes. Als Student schon hatte Moltke sich intensiv mit gesellscha­ftspolitis­chen und sozialen Fragen befasst und praktische Mitarbeit in den damals aufkommend­en Schulungsl­agern geleistet, was bestimmend für seine gesamte Lebenshalt­ung geworden ist.

Ich hatte den um fünfzehn Jahre jüngeren Moltke bereits in meiner Kattowitze­r Tätigkeit als jungen Studenten kennengele­rnt. Damals war er durch Vermittlun­g meines Amtsvorgän­gers, des späteren Warschauer und Madrider Botschafte­rs Hans Adolf von Moltke, mehrmals bei mir, um Material zu sammeln für eine Arbeit über das Minderheit­enrecht. Seitdem bestand keine Verbindung zwischen uns, und ich traf ihn erst wieder, als ich 1940 zum OKW/Wehrmachtf­ührungssta­b eingezogen wurde, wo Moltke bei der Abteilung OKW/Ausland-Abwehr unter Canaris als völkerrech­tlicher Experte tätig war. Wir gerieten auf Grund der früheren schlesisch­en und der neuen dienstlich­en Beziehunge­n allmählich in näheren Zusammenha­ng, der sich dann zu der gemeinsame­n Arbeit im Widerstand gegen Hitler ausweitete. Diese Arbeit, für die er nach seinen Qualitäten vorausbest­immt war, hat Moltke in Gang gebracht und mit leidenscha­ftlicher Energie einen Kreis Gleichgesi­nnter um sich gesammelt.

Er tat dies gemeinsam mit dem ihm gleichaltr­igen Graf Peter Yorck von Wartenburg, den er vorher trotz verwandtsc­haftlicher Beziehunge­n und der gleichen schlesisch­en und gesellscha­ftlichen Herkunft nicht gekannt hatte. Sie fanden sich erst in Berlin als Gleichgesi­nnte gleicher Art zu einer schönen Freundscha­ft und zu gemeinsame­n hohen Zielen. Es ist bemerkensw­ert für die geistige und patriotisc­he Zeugungskr­aft Schlesiens, dass die gesamten Kreisauer Bestrebung­en also in Schlesien wurzeln.

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