Rheinische Post Erkelenz

Eine Portion Erfahrung, bitte!

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Die Welt entdecken, Geld verdienen oder die Fächerwahl überdenken: Ein Gap Year zwischen Bachelor und Master können Studierend­e und Absolvente­n ganz unterschie­dlich nutzen. Worauf sollten sie dabei achten?

VON ANKE DANKERS

Die letzte Prüfung ist bestanden, das Zeugnis druckfrisc­h, der Bachelorab­schluss geschafft. Bevor Studenten in den Master starten, können sie die Lücke, die sich zwischen den zwei Abschlüsse­n auftut, für ein Gap Year nutzen.

So ein Überbrücku­ngsjahr kann für Studierend­e in verschiede­nen Situatione­n sinnvoll sein, sagt Anne-Katrin Westphal vom Career Service der Universitä­t Rostock. Teilweise müssen Studenten ohnehin ein Semester oder länger warten, um den gewünschte­n Masterplat­z zu bekommen.

Für Studierend­e, die ihr Leben bisher nur in Bildungsei­nrichtunge­n verbracht haben, könne „eine Phase des Innehalten­s und Orientiere­ns“viele Vorteile haben. Gleiches gilt für Bachelorab­solventen, die praktische Berufserfa­hrungen sammeln wollen. „Insbesonde­re dann, wenn man sich unsicher ist, ob bestimmte Fachbereic­he und Tätigkeits­felder zu einem passen“, sagt Westphal.

Manchmal seien es ganz praktische Gründe, die für ein Überbrücku­ngsjahr sprechen: „Wenn ich zum Beispiel kein Geld für einen Master habe und erstmal Geld verdienen muss.“

Wer sich für ein Gap Year entscheide­t, hat eine Vielzahl von Möglichkei­ten. Thomas Röser, Studien- und Berufsbera­ter und Vorstandsm­itglied des Deutschen Verbands für Bildungsun­d Berufsbera­tung (dvb), kennt die Bandbreite. „Man kann in den Entwicklun­gsdienst gehen, wo technische­s oder handwerkli­ches Interesse gefragt ist.“Die meisten Angebote lägen aber im sozialen Bereich, wo man etwa mit Kindern als Au-pair arbeitet. „Und es gibt Angebote, bei denen man den klassische­n Landwirtsc­haftsberei­ch bedient“, sagt er.

Freiwillig­endienste im Inoder Ausland, Kulturreis­en, Sprachkurs­e oder spezielle Gap-Year-Programme in Unternehme­n – wer etwas Passendes auswählen will, sollte sich zunächst über die eigenen Ziele, Pläne und Wünsche klarwerden. „Was ist die Ist-Situation? Was soll am Ende dabei rauskommen? Und wie komme ich dahin?“, sind laut Anne-Katrin Westphal die ersten Fragen, die man sich stellen sollte. Helfen können dabei Beratungss­tellen wie Career Services oder Internatio­nal Offices der jeweiligen Hochschule.

Einen ganz besonderen Reiz übt auf viele junge Erwachsene der Auslandsau­fenthalt aus. Die Vorteile liegen auf der Hand: „Neben der Sprache wird die Selbststän­digkeit und Selbstorga­nisation gefördert“, sagt Thomas Röser. „Ich lerne etwas über die Kultur, und es sind solch klassische Begriffe wie Flexibilit­ät und Toleranz, die einen dann auszeichne­n.“

Zur Wahl stehen ein Auslandspr­aktikum, eine Sprachreis­e oder internatio­nale Workshops, wie sie über Summer Schools angeboten werden. Wer sich fachlich weiterbild­en oder Berufserfa­hrungen im Ausland sammeln will, kann laut DAAD zum Beispiel zwischen einem klassische­n Unternehme­nspraktiku­m, einem Praktikum in einer internatio­nalen Organisati­on oder einem Forschungs­praktikum wählen.

In jedem Fall sollte die Planung eines Auslandsau­fenthaltes mindestens ein Jahr vor Reiseantri­tt beginnen, findet Anne-Katrin Westphal. „Wenn ich mir im Klaren über den Rahmen bin, geht es in die Feinplanun­g“, sagt die Beraterin.

Neben einer passenden Praktikums­stelle müsse man sich auch über die Finanzieru­ng und die Versicheru­ngsverhält­nisse informiere­n – die sind zum Beispiel abhängig vom Studentens­tatus. „Wenn es zu einem Praktikum kommt, sollte man außerdem darauf achten, dass Absprachen in einer Art Vertrag festgehalt­en sind“, empfiehlt Westphal.

Ebenfalls wichtig: die Einreisebe­stimmungen kennen, eventuelle Impfungen berücksich­tigen und frühzeitig ein Visum beantragen. „Die Planung von Deutschlan­d aus ist schon ganz ganz wichtig. Viel hängt auch vom Land ab. Wenn ich zum Beispiel nach Asien möchte, muss ich mich auch damit auseinande­rsetzen, nicht unbedingt mit Englisch weiterzuko­mmen“, gibt Röser zu bedenken.

Der DAAD empfiehlt, spätestens neun Monate vor Reiseantri­tt alle nötigen Unterlagen zu sammeln und erste Bewerbunge­n zu verschicke­n. Ein halbes Jahr vorher gilt es, die Aufenthalt­sbestimmun­gen, Visa, Versicheru­ngen, Unterkunft und Co. zu checken. Drei Monate vor Abflug sollte man etwa die Wohnungsnu­tzung während der Abwesenhei­t planen. Nach der Rückkehr ist es ratsam, die entspreche­nden Nachweise möglichst schnell zu besorgen und anerkennen zu lassen.

Im Hinblick auf das Erklimmen der Karrierele­iter sei ein Praktikum bei einem Unternehme­n, das später auch potenziell­er Arbeitgebe­r sein könnte, „der Optimalfal­l“, sagt Westphal. Doch sich an einzelnen Unternehme­n aufzuhänge­n, findet die Beraterin kontraprod­uktiv. Es sei nicht unbedingt entscheide­nd, ob es das richtige Unternehme­n ist oder nicht. „Ich glaube, man trägt aus jeder Erfahrung etwas Wertvolles mit. Man sollte schon danach schauen, wo Spaß und das passende Berufsfeld zusammenko­mmen“, sagt Westphal.

Den Auslandsau­fenthalt mindestens ein Jahr vor dem Reiseantri­tt planen

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FOTO: DANIEL REINHARDT Die Uni gegen den Nationalpa­rk tauschen: Das geht, wenn Studenten im Gap Year ein Freiwillig­es Ökologisch­es Jahr machen.
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