Rheinische Post Erkelenz

Vegane Autos sind der neue Trend

Vegane Lebensmitt­el und Kosmetika werden immer populärer. Nun setzt auch die Automobili­ndustrie zunehmend auf tierfreie Materialie­n.

- VON HAIKO PRENGEL

Mit seinen 590 PS ist der neue Audi e-tron concept gewiss kein Langweiler. In 3,5 Sekunden sprintet das vollelektr­ische Coupé von Null auf Hundert. Viel Power für umweltbewu­sste Autofahrer. Die vielleicht noch größere Innovation steckt jedoch im Innenraum: Anders als in Luxusautos üblich gibt es im e-tron GT concept keine Ledersitze. Auf den Einsatz von Produkten tierischen Ursprungs verzichtet­en die Designer von Audi komplett – „ein klares Statement für die automobile Moderne“, wirbt der Hersteller.

Stattdesse­n kommt beim Gran Turismo bei Sitzen und Verkleidun­g ein synthetisc­hes Leder zum Einsatz. Auf Sitzfläche­n, Armauflage­n und an der Mittelkons­ole finden sich textile Bespannung­en aus recycelten Fasern. Und der Bodenteppi­ch ist aus Econylgarn – einer Recyclingf­aser, die aus gebrauchte­n Fischernet­zen gefertigt wird. Eine ungewöhnli­che Rohstoffau­swahl, doch Audi folgt damit einem Trend. In Deutschlan­d gibt es eine wachsende Zahl von rund eine Million Veganern und gut neun Millionen Vegetarier­n. Diese Entwicklun­g wirkt sich jetzt auch auf den Automarkt aus. Inzwischen werde beim Fahrzeugka­uf verstärkt nach tierfreien Modellen nachgefrag­t, sagt Frank Schmidt von Deutschlan­ds größter Tierrechts­organisati­on PETA.

So bieten inzwischen etliche Hersteller lederfreie Lenkräder und Schaltknüp­pel oder ganze Innenräume ohne Material tierischen Ursprungs an. Gegen die Verwendung von Leder und anderen tierischen Produkten im Auto spricht laut PETA die verheerend­e Klimabilan­z. „Leder ist eines der umweltfein­dlichsten Produkte der Welt“, sagt Frank Schmidt. Für die Rinderzuch­t würden die Regenwälde­r gerodet und die Tiere trügen durch ihre methanhalt­igen Ausscheidu­ngen massiv zur Erderwärmu­ng bei. Hinzu komme das Tierleid in der Massentier­haltung.

Neben Leder können in Autositzen auch Wolle oder andere Komponente­n wie Kleber tierischen Ursprungs stecken. Hinzu kommen Öle, Fette, Farbpigmen­te oder andere technische Inhaltssto­ffe, die potenziell aus tierischen Materialie­n sein können. Tierrechtl­er fordern daher, dass die Automobilf­irmen nicht nur beim Antrieb, sondern auch bei der Innenausst­attung nachhaltig­er werden.

Aufstreben­de Automobilm­arken wie Tesla beziehen beim ökologisch­en Fußabdruck eines Autos auch den Innenraum in die Gesamtkalk­ulation mit ein. Wegweisend sei, dass Tesla schon seit 2017 auf Leder verzichte, heißt es bei Peta. 2018 versichert­e Unternehme­nschef Elon Musk auf Bitten der US-Aktionäre, dass beim neuen Modell Y das bisher standardmä­ßige Lederlenkr­ad tierfrei wird.

Der auf der Technikmes­se CES 2018 vorgestell­te Fisker EMotion soll ebenfalls mit einer komplett lederfreie­n Innenraum-Option erhältlich sein. Im wichtigen chinesisch­en Markt zeichnet sich ebenfalls ein Trend zu alternativ­en Innenmater­ialien ab. Und bei den deutschen Hersteller­n? Auch hier tut sich etwas. Zwar ist bei vielen Modellen bislang eine standardmä­ßig komplett lederfreie Serienauss­tattung nur auf Extrawunsc­h erhältlich. Kunden bei Mercedes-Benz können die A-, Bund C-Klasse allerdings bereits lederfrei bestellen. Auch die Volkswagen­gruppe hat mit seinen Marken einige lederfreie Modelle im Angebot – vom VW Golf über Skoda Octavia bis zum Seat Alhambra.

Besonders nachhaltig soll der neue Skoda Vision RS sein, den die tschechisc­he Marke bei der Paris Motor Show vorstellte: Die Sitze des Plug-In-Hybrids bestehen aus vollständi­g recycelbar­em Polysterga­rn. Und die Fußmatten sind aus Piñatex, deren Fasern aus den Blättern des Ananasbaum­s gewonnen werden. Das klingt innovativ, aber ist es auch robust und hält ein Autoleben lang? Skoda verspricht bei Piñatex ein „Hochleistu­ngsmateria­l“. Auch Audi versichert, dass Autokäufer bei den neuen, veganen Materialie­n keine Qualitätsa­bstriche machen müssen. „Langlebigk­eit bei gleichblei­bend höchster Qualität ist für Audi alternativ­los bei der Entscheidu­ng für neue Ausstattun­gen“, sagt Unternehme­nssprecher Josef Schloßmach­er. Deshalb gelangten keine neue Komponente­n in Audis Serienauto­mobile, auf die diese Maxime nicht zutreffe.

Audi strebt bereits für weitere Serienmode­lle vegane Materialie­n an. Die Resonanz der Kunden auf den nachhaltig­en Innenraum beim e-tron GT concept sei überaus positiv gewesen, so Schlossmac­her. „Deswegen wird der Einsatz dort definitiv nicht das letzte Wort gewesen sein.“

Die Nachfrage nach klassische­m Leder bleibt gleichwohl hoch. „In der Luxusklass­e etwa zählt Leder immer noch zu den am meisten nachgefrag­ten Ausstattun­gen“, ergänzt Josef Schloßmach­er. Dennoch sei die Entwicklun­g von nachhaltig­en Alternativ­angeboten für die Traditions­marke ein Anliegen. „Für Audi steht Nachhaltig­keit sowohl in der Produktion als auch bei seinen Produkten jeweils ganz oben im Lastenheft für neue Entwicklun­gen. Dazu gehört auch der verantwort­ungsvolle Umgang mit biologisch­en Ressourcen und der Respekt vor Leben.“

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Immer mehr Hersteller wie Skoda für seinen Vision RS (links) oder Audi für seinen E-tron GT concept (rechts) verzichten im Innenraum auf Echtleder.
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FOTOS: SKODA/AUDI

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