Von Parteifreunden umzingelt
Ein halbes Jahr nach ihrer Wahl zur CDU-Chefin muss Annegret Kramp-Karrenbauer um ihren Rückhalt in der Partei fürchten.
BERLIN Signale in der Politik sind nicht immer einfach zu deuten. Was hat Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU) bezweckt, als er erklärte, dass Annegret Kramp-Karrenbauer die nächste Kanzlerkandidatin wird? Wollte er ihr wirklich nur den Rücken stärken? Wollte er die Werte-Union in die Schranken weisen, die zuvor eine Urwahl des nächsten CDU-Kanzlerkandidaten gefordert hatte? Oder wollte er ein Signal an den Chef der NRW-CDU, Armin Laschet, senden, dass dieser Kramp-Karrenbauer mit seinen öffentlichen Äußerungen nicht in die Enge treiben und eigene Ambitionen zurückstellen solle?
Fakt jedenfalls ist, dass Brinkhaus’ Kollegen im Fraktionsvorstand der Union überrascht waren über den Vorstoß des Chefs. Abgesprochen war er nicht. Mit der öffentlichen Einlassung habe Brinkhaus das Thema Kanzlerkandidatur erst groß gemacht und Kramp-Karrenbauer geschadet, heißt es. „Wenn sich Brinkhaus schon vor Kramp-Karrenbauer werfen muss, ist die Not wohl groß.“Kramp-Karrenbauer werde seit der Europawahl in der Fraktion „beäugt“, sagt ein anderer. Aber eigentlich spiele die Frage, ob sie Kanzlerkandidatin werden solle, gerade keine große Rolle.
Wie man die heikle K-Frage professionell beantwortet, machte am Dienstag der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier vor: „Selbstverständlich hat die Parteivorsitzende das Erstzugriffsrecht auf die Kanzlerkandidatur. Das war immer so, und das bleibt auch so“, sagte der Parteivize unserer Redaktion. Er fügte auch noch den Hinweis an, dass „wir alles Weitere zur gegebenen Zeit entscheiden“. Und damit ist auch gesagt, dass ein Zugriffsrecht auf die Kanzlerkandidatur eben nicht ohne breiten Rückhalt in Parteiführung und Landesverbänden in Anspruch genommen werden kann. behaupten: Die kann es nicht. Der Mehrheitstenor in der Partei lautet: Die muss jetzt liefern.
Bei der Vorstandsklausur nach der Europawahl hatte die Parteiführung ihr den Rücken gestärkt. Nach Angaben von Teilnehmern waren es auch die dramatischen Ereignisse um den Rücktritt von Andrea Nahles als Partei- und Fraktionschefin der SPD, die in der Union zum Schließen der Reihen führten.
Mit Erstaunen nahmen die Abgeordneten in der vergangenen Fraktionssitzung zur Kenntnis, dass sich Kramp-Karrenbauer zum Klima-Thema nicht positionierte. Es war Merkel, die dazu referierte und Maßnahmen ankündigte, die nicht mehr „Pillepalle“sein dürften.
Unter scharfer Beobachtung steht die Parteizentrale. Kramp-Karrenbauers Vertrauter Nico Lange, der eigentlich Bundesgeschäftsführer werden sollte, wird für eine Reihe von Pannen verantwortlich gemacht. Sechs Kreisverbände der Jungen Union in Hessen forderten von Kramp-Karrenbauer, auf die Nominierung Langes als neuer Bundesgeschäftsführer zu verzichten. Zugleich kritisierten sie den Berater der Parteichefin massiv. Dieser sei „einer der Hauptverantwortlichen für das dilettantische und nicht entschuldbare Verhalten der Berliner Parteizentrale rund um die Europawahl“, heißt es in einem Dringlichkeitsantrag für den Landesparteitag der Jungen Union am vergangenen Wochenende, der von der Sitzungsleitung aus Geschäftsordnungsgründen nicht zur Abstimmung gestellt wurde. Unterschrieben haben den Antrag die JU-Kreisverbände Rheingau-Taunus, Offenbach-Land, Lahn-Dill, Darmstadt, Odenwald und Limburg. „Wenn Nico Lange neuer Bundesgeschäftsführer der CDU werden würde, würde man den Bock zum Gärtner machen und das Wohl der Partei fahrlässig riskieren“, heißt es weiter. Lange sei verantwortlich für die Wahlanalyse, die in der Nacht der Europawahl an den Bundesvorstand der CDU verschickt wurde und in der unter anderem das schlechte Abschneiden der CDU bei der Europawahl der Jungen Union zugeschrieben wurde.
„Hiermit hat Lange nicht nur unter Beweis gestellt, dass die Qualität politischer Analysen aus dem Konrad-Adenauer-Haus massiv zu hinterfragen ist, sondern auch, dass er die Partei, die er demnächst als Bundesgeschäftsführer mitführen soll, nicht kennt.“