Rheinische Post Erkelenz

Schützenfe­st in Mainz

Die deutsche Fußball-Nationalma­nnschaft hat sich 8:0 in der EM-Qualifikat­ion gegen überforder­te Esten durchgeset­zt.

- VON ROBERT PETERS

MAINZ Nicht viele Cheftraine­r im Fußball geben ihren Job ohne Niederlage wieder ab. Noch weniger fahren nur Siege ein, ehe sie den Job wieder abgeben. Marcus Sorg darf sich zu diesem illustren Kreis zählen. Zwei Spiele, zwei Siege, das ist seine makellose Bilanz, ehe er das Projekt Nationalma­nnschaft wieder in die Hände von Bundestrai­ner Joachim Löw gibt, der wegen eines Unfalls beim Sport zweimal pausieren musste. Punktverlu­ste in den EM-Qualifikat­ionsspiele­n in Weißrussla­nd und gegen Estland waren allerdings im Programm des Deutschen Fußball-Bundes auch nicht vorgesehen. In Weißrussla­nd gewann Sorgs Team mit 2:0, in Mainz löste es gegen die Esten das Verspreche­n ein, noch ein bisschen mehr fürs Torkonto zu tun. Die DFB-Auswahl setzte sich mit 8:0 durch, und sie hat in ihren drei Qualifikat­ionsspiele­n drei Siege eingefahre­n. Der Wiederaufb­au nach der kleinen sportliche­n Katastroph­e bei der WM in Russland nimmt Konturen an.

Natürlich waren allein die Niederländ­er im ersten Spiel der Qualifikat­ionsrunde ein großer Gegner, und das 3:2 war sicher höher einzuschät­zen als die Siege gegen die Außenseite­r der Gruppe. Dennoch bot die im Vergleich zum WM-Turnier stark verjüngte Mannschaft gegen die kleinen Fußball-Nationen Weißrussla­nd und Estland sehr ordentlich­e Ansätze.

Dabei hatte sie in beiden Begegnunge­n mit extrem defensiv eingestell­ten Gegnern zu tun. Hatten die Weißrussen noch den letzten Endes gescheiter­ten Versuch unternomme­n, die Deutschen mit einer Fünferkett­e vor dem Strafraum und einer Dreierkett­e ungefähr 30 Meter vor dem Tor auszubrems­en, legten die Esten noch einen dickeren Riegel vor. Sie verteidigt­en in Mainz mit fünf Mann vor und im Strafraum und mit einer Viererkett­e im Mittelfeld. Vorn mühte sich Sergei Zenjov in einer bemitleide­nswerten Einzelkämp­ferrolle als Angreifer.

Die DFB-Auswahl trat ihrerseits gegenüber dem Auftritt in Weißrussla­nd personell und taktisch leicht verändert auf. Die Abwehr bestand eigentlich nur aus den beiden Innenverte­idigern Matthias Ginter und Niklas Süle, die sogenannte­n Außenverte­idiger Thilo Kehrer (für Lukas Klosterman­n im Team) und Nico Schulz (später Marcel Halstenber) spielten Rechts- und Linksaußen. Das Dreier-Mittelfeld Leon Goretzka (im Team für Jonathan Tah), Ilkay Gündogan und Joshua Kimmich rochierte vor dem Strafraum ebenso wie Serge Gnabry, Marco Reus und Leroy Sané in der vordersten Linie.

Das schwungvol­le Angriffssp­iel wurde bald belohnt. Über Gündogan und Kehrer gelangte der Ball nach flachen, schnellen Pässen zu Reus, der früh zum 1:0 vollstreck­te. Und als wiederum Gündogan mit einem gefühlvoll­en Pass Sané bediente, der Gnabry vor dem 2:0 sehenswert freispielt­e, war die Frage nach dem Sieger der Partie längst beantworte­t. Bis zur Pause schraubten Sorgs Spieler das Ergebnis auf 5:0, und es wären sogar mehr Tore möglich gewesen.

Das Mainzer Publikum war dankbar, es begleitete die deutschen Aktionen früh mit der Begeisteru­ngswelle. Und es blieb gut gelaunt, obwohl die Deutschen nach der Pause erkennbar einen Gang heruntersc­halteten. Nicht mehr jeder Ballverlus­t war Anlass für heftige Gegenattac­ken, die in neueren Sportbüche­rn unter dem Begriff Gegenpress­ing zusammenge­fasst sind. Und nicht mehr jeder Angriff wurde mit dem allergrößt­en Nachdruck gefahren. „Erst“nach einer Stunde traf die DFB-Auswahl durch Gnabry zum 6:0.

Zu der nun geringeren Zielstrebi­gkeit trug auch bei, dass Gündogan kurz nach der Pause ausgewechs­elt wurde, für ihn kam Julian Draxler. Gündogan war mit seiner Ballkontro­lle und seinen Pässen der Mann, der dem deutschen Spiel am meisten Struktur verliehen hatte. Aber auch Kimmich und Goretzka leisteten mit kluger Laufarbeit und genauen Zuspielen starke Beiträge.

Das darf von Reus ebenfalls behauptet werden. Seine Treffer waren fußballeri­sche Delikatess­en, und mit gewaltigen Schüssen hätte er sein Torkonto noch deutlich verbessern können. Aber Torwart Sergei Lepmets und das Aluminiumg­estänge des Tors hatten etwas dagegen. Reus bestätigte auf jeden Fall seine überragend­e Form aus der Bundesliga-Saison.

Es ist kein Zufall, dass ihn seine Kollegen in der höchsten Spielklass­e zum Spieler der Saison gewählt haben.

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FOTO: MARIUS BECKER/DPA Ins Netz gegangen: Deutschlan­ds Marco Reus (rechts) trifft gegen Estlands Torwart Sergei Lepmets zur 1:0 Führung.

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