Rheinische Post Erkelenz

Das Werbeminis­terium

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Von wegen drohendes Sommerloch! Was unsere Volksvertr­eter kurz vor die parlamenta­rische Sommerpaus­e noch für ein Fauxpas-Feuerwerk abbrennen, ist unglaublic­h. Dass Horst Seehofer dabei munter mitmischt, ist klar, dass er diesmal aber der Kürzere zieht, damit hätte keiner gerechnet. Kaum hatte Julia Klöckner letzte Woche mit ihr Nestlé-Werbevideo eine Arschbombe mit Anlauf ins Fettnäpfch­enbecken hingelegt, konterte Seehofer zwar noch mit seine Faselei von „komplizier­te Gesetze, damit der Bürger nicht merkt, wie er verarscht wird“, konnte damit aber nicht mehr an seine großen Erfolge anknüpfen, wie etwa „Migration ist die Mutter aller Probleme“oder der unvergesse­ne Rücktritt vom Rücktritt. Und so gelang Julia Klöckner der Fettnapf-Sommerhit 2019, wenngleich nicht unerwartet, denn unter Experten galt die ehemalige Weinkönigi­n längst als Geheimfavo­ritin. Der endgültige Durchbruch gelang aber erst jetzt mit der Nestlé-Werbespot, der in Sachen Lobbyismus ähnlich entlarvend ist wie das Ibiza-Video von Heinz-Christian Strache – mit der einzige Unterschie­d, dass es nicht heimlich aufgenomme­n wurde. Sich gemeinsam mit Nestlé für gesundes Essen stark zu machen, ist ungefähr so schlau, wie ein Veganer mit eine Führung durch ein Schlachtho­f zum Fleischess­en motivieren zu wollen. Das Video dauert zwar nur eine Minute, wartet dafür aber mit eine tolle Schlusspoi­nte auf, denn Julia Klöckner sagt der Deutschlan­d-Chef von Nestlé sogar noch Fördermitt­el zu, wenn er aus „extrem ungesundes Essen“ nur noch „sehr ungesundes Essen“macht. Jetzt muss man dazu wissen, dass Klöckners Ministeriu­m früher noch für „Ernährung, Landwirtsc­haft und Verbrauche­rschutz“zuständig war. Seit 2013 ist das „Verbrauche­rschutz“aber gestrichen, weil viele Leute die Bedeutung nie richtig verstanden haben, nämlich dass die Industrie vor der Verbrauche­r geschützt werden muss. Nach der Nestlé-Werbespot dürfte das wieder etwas klarer geworden sein.

Euer Hastenrath­s Will

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