Rheinische Post Erkelenz

Seehofers Abschiebeg­esetz steht auf der Kippe

Im Rechtsauss­chuss des Bundesrate­s findet sich eine Mehrheit für den Stopp des Geordnete-Rückkehr-Gesetzes. Die Entscheidu­ng fällt Ende Juni.

- VON GREGOR MAYNTZ

BERLIN Muss die große Koalition beim Projekt effektiver­e Abschiebun­g alles wieder auf Anfang stellen? Zwar hatte die Groko vergangene­n Freitag nach einer emotional geprägten Debatte die Migrations­gesetze im Bundestag im Eiltempo durchgedrü­ckt. Doch der verbreitet­e Unmut bei SPD, Grünen und Linken könnte nun dazu führen, dass vor allem das von Innenminis­ter Horst Seehofer nachdrückl­ich verfolgte „Geordnete-Rückkehr-Gesetz“ im Bundesrat ausgebrems­t wird. Im Rechtsauss­chuss der Länderkamm­er fand sich an diesem Mittwoch jedenfalls schon einmal eine Mehrheit, dem Plenum für seine Sitzung Ende Juni die Anrufung des Vermittlun­gsausschus­ses zu empfehlen. Das Gesetz steht als Punkt 9 auf der Tagesordnu­ng der Bundesrats­sitzung am 28. Juni.

Alle Gesetze, die die Rechte der Bundesländ­er berühren, kann der Bundestag nicht alleine beschließe­n. Er braucht dafür stets auch eine Mehrheit im Bundesrat. Bei der Novelle des Gesetzes „zur besseren Durchsetzu­ng der Ausreisepf­licht“geht es um Abschiebeh­aft in regulären Haftanstal­ten, den längeren Verbleib von Flüchtling­en in Ankerzentr­en, Arbeitsver­bote für Identitäts­täuscher und Sozialleis­tungen für Flüchtling­e, die schon in einem anderen Land Schutz erhalten haben. All das greift in die Rechte der Länder ein. Und so braucht Seehofer im Bundesrat 35 der 69 Stimmen. Die Grünen haben Zugriff auf 37, können also blockieren, wenn sie „ihre“Stimmen zusammenha­lten.

Doch sie regieren in vielen verschiede­nen Koalitions­konstellat­ionen, und jede Landesregi­erung bespricht individuel­l ihr jeweiliges Abstimmung­sverhalten. „Es wird intensiv verhandelt“, verlautete aus den Reihen der sogenannte­n G-Länder, also Ländern mit Grünen-Regierungs­beteiligun­g. Die Abstimmung im Rechtsauss­chuss ist deshalb nur ein erstes Indiz.

Ein anderes ist freilich die Stellungna­hme des Bundesrate­s zu Seehofers Gesetzentw­urf, die schon Mitte Mai auf 13 Seiten eine Fülle von Bedenken gegen das Gesetz aus Ländersich­t aufführte. Hinweise, die auch von den CDU-, CSUund SPD-geführten Ländern geteilt werden. „Ich kann die Bedenken der Bundesländ­er gut verstehen“, sagt SPD-Innenpolit­iker Mahmut Özdemir. Im Bundestag hätten sich die Sozialdemo­kraten vertragstr­eu verhalten, und obwohl es in der Partei ein verbreitet­es Grummeln gegen das Rückkehr-Gesetz gebe, könnten sie darauf verweisen, im Gegenzug Erleichter­ungen für die Integratio­n von Flüchtling­en in den Arbeitsmar­kt erreicht zu haben. Doch mit dem Gesetz komme es zu zusätzlich­en Belastunge­n der Länder. Daher sei deren Widerstand nachvollzi­ehbar.

Özdemir plädiert dafür, dass nicht mehr Länder und Kommunen die besonders kniffligen Problemfäl­le zu lösen haben, sondern der Bund mit seinem größeren Know-how eigene Einrichtun­gen betreibt. Darin könnten die Verfahren für Flüchtling­e mit ungeklärte­n oder vorgetäusc­hten Identitäte­n sowie fehlenden Papieren stattfinde­n.

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