„Revolution im Sudan hat gerade erst angefangen“
KHARTUM (dpa) In der Hitze Khartums, der Hauptstadt des Sudan, sitzen Männer in einem kleinen Vorzimmer. Einer hat einen Arm in einer Schlinge. Ein zweiter hat eine Bandage – dort, wo er angeschossen wurde. Ein dritter hebt sein Shirt und zeigt Wunden von Schlagstöcken auf seinem Rücken.
Amar Mohammed al Hassan und seine Freunde Abdu al Rahim und Ali Idris waren dabei, als Sicherheitskräfte vergangene Woche die Sitzblockade im Stadtzentrum brutal auflösten. Demonstranten wurden erschossen, geschlagen und verjagt, Zelte niedergebrannt und Leichen in den Nil geworfen. Einem Ärzteverband zufolge starben mehr als 100 Menschen. Das Internet haben die regierenden Generäle aus Furcht vor neuen Protesten seither weitgehend abschalten lassen. Wurde damit eine weitere Revolution in der arabischen Welt zunichte gemacht? Idris sagt: „Es hat gerade erst angefangen.“
Der Sudan ist seit Jahren international isoliert, die Opposition wird unterdrückt, wirtschaftlich liegt das Land am Boden. Massenproteste der unzufriedenen Bevölkerung führten im April zu einem Militärputsch, bei dem Präsident Omar al Baschir nach rund 30 Jahren abgesetzt wurde. Schnell machte sich unter den 41 Millionen Einwohnern Euphorie breit. Die Demonstranten gaben sich nicht mit einer Militärherrschaft zufrieden. Sie forderten eine zivile Regierung und demonstrierten weiter mit der Sitzblockade.
Nachdem Verhandlungen zwischen Generälen und Opposition über die Bildung einer Übergangsregierung gescheitert waren, gingen vergangene Woche Montag Sicherheitskräfte gegen die Sitzblockade vor. Die Demonstranten sind sich sicher: Die Sicherheitskräfte waren Mitglieder der „Schnellen Einsatztruppen“, einer berüchtigten und quasi-autonomen Einheit der Streitkräfte. Die Generäle werden von Saudi-Arabien und den Emiraten gestützt. Doch die Opposition gibt sich nicht geschlagen. Sie rief zu einem Generalstreik auf, der seit Sonntag gilt. Er soll Druck auf die Generäle ausüben, die Macht bald an eine zivile Übergangsregierung abzugeben. In der Stadt herrscht daher eine angespannte Ruhe – fast so, als würden die Menschen die Luft anhalten. Doch wie lange halten die Menschen dies durch?
Abgesehen von Erklärungen auf Facebook und Twitter hält sich die Opposition seit dem brutalen Vorgehen des Militärs zurück. Führende Mitglieder des Gewerkschaftsbündnisses SPA, das die Massenproteste organisiert hatte, sind kaum oder gar nicht zu erreichen. Die Opposition habe Angst, vermuten einige; andere sagen, sie brauche Zeit, eine neue Strategie zu entwickeln.