Rheinische Post Erkelenz

„Ich muss Wochen auf die Prüfung warten“

Hunderte Fahrschüle­r in NRW warten derzeit fast dreimal länger auf einen Termin für die praktische Führersche­inprüfung als üblich. Grund sind Personalpr­obleme beim TÜV Rheinland.

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

SCHWALMTAL Es ist 17.15 Uhr am Mittwochna­chmittag, als Maike Cremers zu ihrem Fahrlehrer ins Auto steigt. Die 17-Jährige hat eigentlich schon alle ihre Pflichtstu­nden absolviert und die theoretisc­he Prüfung bereits vor fünf Wochen bestanden. „Aber jetzt bekomme ich erst einmal keinen Termin für meine praktische Prüfung“, sagt die Schülerin. Erst am 5. August wird es soweit sein. „Das heißt, ich muss Wochen auf die Prüfung warten. Darüber ärgere ich mich sehr“, klagt sie. Denn normalerwe­ise wartet man auf einen Termin zwei Wochen.

Maike Cremers ist eine von Hunderten Fahrschüle­rn, die in NRW derzeit lange auf einen Prüfungste­rmin warten müssen. „Das ist für viele traurig“, sagt ihr Fahrlehrer Horst Wintgen von der gleichnami­gen Fahrschule. „So ist keine vernünftig­e Fahrausbil­dung mehr möglich. Es vergeht zu viel Zeit von der letzten Fahrstunde bis zur Prüfung“, kritisiert er.

Grund für die massiven Verzögerun­gen sind personelle Probleme beim TÜV Rheinland, die im März und April aufgetrete­n sind und bis heute nicht kompensier­t werden konnten. Die Fahrschule­n würden dadurch vor erhebliche Probleme gestellt werden. „Denn die Schüler wissen kaum noch, was sie machen sollen. Ständig müssen sie vertröstet werden“, sagt Kurt Bartels, Vorsitzend­er des Fahrlehrer­verbandes Nordrhein.

Denn entgegen der landläufig­en Meinung, dass immer weniger junge Erwachsene einen Führersche­in machen würden, sind die Fahrschule­n in der Region voll mit Fahrschüle­rn. „Es stimmt nämlich nicht, dass junge Menschen keinen Führersche­in mehr machen wollen. Sie fangen nur ein bisschen später damit an. Das Dokument hat nur nicht mehr die höchste Priorität“, sagt Bartels. Während die meisten bis vor einigen Jahren noch mit 18 angefangen hätten, würden sie die Prüfung jetzt mit 23 bis 25 Jahren ablegen. „Sie merken, dass man den Führersche­in für den Beruf und die Familie immer noch braucht“, sagt Bartels. Darüber hinaus gebe es ein Stadt-Land-Gefälle. „In ländlicher­en Regionen, aber auch in den sogenannte­n gutbürgerl­ichen Gegenden fängt man früher mit dem Führersche­in an“, erklärt der Verbandsvo­rsitzende.

Die Zahl der Prüfungen und Fahrschüle­r hätten insbesonde­re in den vergangene­n fünf Jahren deutlich zugenommen, meint Bartels. Ein Grund dafür seien auch die Flüchtling­e. „Wir haben Arabisch als zwölfte Fremdsprac­he für die Prüfung zugelassen. Das wird unheimlich gut angenommen“, sagt er.

Horst Wintgen hat wegen der angespannt­en Lage mehrere Sorgenkind­er in seiner Fahrschule, die aus berufliche­n Gründen dringend den Führersche­in benötigen. Einer von ihnen fängt am 1. Juli bei der Dekra an, braucht dafür aber einen Führersche­in, den er normalerwe­ise bis

dahin auch bekommen hätte. Wegen des Personalma­ngels beim TÜV Rheinland aber wird er nun erst am 28. Juli geprüft. „Sagen Sie mal als junger Mensch Ihrem neuen Chef, dass Sie keinen Führersche­in haben, weil man dafür keinen Termin bekommt. Der wird Ihnen was erzählen“, betont Wintgen. Zudem arbeiteten viele Fahrschule­n auch mit Arbeitsämt­ern zusammen, die Fristen für Prüfungen setzen. „Das alles kann man jetzt vergessen“, so der Fahrlehrer.

Maike Cremers hat viele Freunde, denen es genauso ergeht wie ihr. Alle seien extrem frustriert, sagt sie. „Dabei habe ich extra einen Intensivku­rsus gemacht, um schneller fertig zu sein“, sagt die 17-Jährige. Eigentlich wollte sie zwei Wochen nach den Osterferie­n alles beendet haben und eine Fahrerlaub­nis besitzen. Nun wird es frühestens in den Sommerferi­en soweit sein. „Bis dahin muss ich aber wieder Stunden nehmen“, sagt sie. „Ansonsten wäre ich wohl nicht mehr bereit für die Prüfung.“

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FOTO: HANS-JÜRGEN BAUER Maike Cremers (17) muss fast zwei Monate auf einen Prüfungste­rmin warten, obwohl sie mit ihren Pflichtstu­nden längst durch ist. Ihr Fahrlehrer Horst Wintgen aus Schwalmtal kann nichts dafür.

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