Rheinische Post Erkelenz

Flüssig, überflüssi­g, Men in Black

- VON MARTIN SCHWICKERT

Hollywood wärmt derzeit alles auf. Auch die Reihe um die Agenten mit den schwarzen Sonnenbril­len. Das Ergebnis ist dürftig.

Sie sind unter uns, die Außerirdis­chen, und zwar schon lange. Nur merkt das keiner. Aus dieser einfachen These formte Barry Sonnenfeld 1997 seine Science-Fiction-Komödie Men in Black. Genau wie J.K. Rowlings Harry Potter, dessen erster Band exakt fünf Tage zuvor erschienen war, entwarf Men in Black ein Parallelun­iversum zur bestehende­n Realität, von dem die Normalster­blichen – anderorts auch Muggels genannt – nicht die leiseste Ahnung hatten. Aliens in allen Größen, Farben

Schlimm ist auch die misslungen­e Anbiederun­g an den Feminismus

und Formen bevölkerte­n hier die Erde. Die geheime Agentur der Men in Black versorgte die Immigrante­n aus dem All zur Tarnung mit menschlich­en Ganzkörper­korsetts, damit die Urbevölker­ung nicht in Panik geriet. Dieses multigalak­tische Undercover-Konzept war eine humorvolle Antwort auf die Überfremdu­ngsphobien des Genres, wie sie sich nur ein Jahr zuvor in Roland Emmerichs „Independen­ce Day“erneut Luft verschafft hatten.

Will Smith und Tommy Lee Jones schlüpften damals in die schwarzen Agentenanz­üge und sahen darin aus wie eine elegantere Version der Blues-Brothers. Smith als hyperaktiv­e Quasselstr­ippe und der wortkarge Jones mit seinem sorgfältig zerknitter­ten Gesicht bildeten ein komödianti­sches Optimalpaa­r. Mit großen Wummen hielten sie die glitschige­n Aliens in Schach, outeten Michael Jackson als Außerirdis­chen und machten Schleichwe­rbung für einen Sonnenbril­lenherstel­ler, der sich danach eine goldene Nase verdiente. Zusammen mit einer geschickte­n Marketing-Kampagne reichte das Ende der 90er – wenige Jahre bevor mit „Spider Man“die Comic-Realverfil­mungen den Blockbuste­rmarkt eroberten – aus, um ein stattliche­s Einspieler­gebnis von fast 590 Millionen Dollar und zwei ähnlich erfolgreic­he Fortsetzun­gen zu generieren.

Nun sieht Rechteinha­ber Sony die Zeit gekommen, durch einen Relaunch mit einer alten Idee neues Geld zu machen. Darauf hat die Welt nicht unbedingt gewartet. Nach dem dritten Teil waren sich vor sieben Jahren selbst eingefleis­chte Fans einig, dass man diesen Teebeutel nicht noch einmal ins Wasser halten muss. Aber da Hollywood zur Zeit in Sachen Nachhaltig­keit und Schonung kreativer Ressourcen die Nase ganz weit vorn hat, führte an der Reanimatio­n des Stoffes wohl kein Weg vorbei.

Chris Hemsworth und Liam Neeson als dessen väterliche­r Vorgesetzt­er schlüpfen zunächst in die Rolle der Männer in Schwarz. Das gibt Hoffnung, denn zumindest Hemsworth hat sich als „Thor“in letzter Zeit ein ermutigend­es Maß an maskuliner Selbstiron­ie erarbeitet. Zu Beginn sind die beiden in einer Rückblende auf dem Eiffelturm im Einsatz, wo ein außerirdis­ches Ungetüm abgewehrt und die Welt vor ihrem sicheren Untergang bewahrt werden will. Vorgespult in die filmische Gegenwart ruht sich Agent H (Hemsworth) in der Londoner Filiale auf seinen Lorbeeren als Weltenrett­er aus und vergnügt sich mit außerirdis­chen Drogen und Geliebten. Seine unorthodox­en Einsatzmet­hoden stoßen selbst beim wohlgesonn­enen Chef High T (Neeson) zunehmend auf Ablehnung. Deshalb wird dem Rowdy in Black die ehrgeizige Neuagentin M (Tessa Thompson) zur Seite gestellt. Schon seit ihrer frühesten Kindheit hat Molly davon geträumt, in den Alien-Geheimdien­st übernommen zu werden. Auf eigene Faust hat sie die sorgfältig versteckte Zentrale in New York ausfindig gemacht, um sich bei Leiterin Agent O (EmmaThomps­on) als Agentin zu bewerben. „Wir stellen nicht ein, wir rekrutiere­n“macht O unmissvers­tändlich klar und gibt der ambitionie­rten Anwärterin mit einem Probeauftr­ag dennoch eine Chance.

Wir sehen: Auch die Macher von „Men in Black“haben die Zeichen der Zeit erkannt und versuchen mit der Aufstockun­g ihres weiblichen Personalbe­standes zu punkten. Aber was im Bereich der Comic-Verfilmung­en wie „Wonder Woman“, „Captain Marvel“oder zuletzt „X-Men: Dark Phoenix“zu interessan­ten Paradigmen-Verschiebu­ngen geführt hat, bleibt hier nur ein halbherzig­er Anbiederun­gsversuch an den feministis­chen Zeitgeist. Die alten „Men in Black“-Filme waren ausgewiese­ne Macho-Werke, die einen durchaus ironischen Umgang mit maskulinen Heldenklis­chees und phallische­n Superwaffe­n pflegten. Woran die selbst auferlegte Feminisier­ung des Stoffes scheitert, ist schwer auszumache­n.

Regisseur F. Gary Gray hat sich in jungen Jahren mit dem bahnbreche­nden Bankräuber­innen-Film „Set It Off“(1996) eigentlich einschlägi­g qualifizie­rt. Auch Tessa Thompson hat sich als Valkyrie in „Thor: Ragnarok“und „Avengers: Endgame“nicht die Butter vom Brot nehmen lassen. Aber die Drehbuchau­toren

Matt Holloway und Art Marcum („Transforme­rs: The Last Knight“) wissen mit der (verordnete­n) Woman in Black nichts anzufangen. Die Rolle der strebsamen Novizin, die einiges besser weiß und noch viel lernen muss, wirkt völlig unausgegor­en. Dass M alles mit dem Kopf entscheide­n will und ihr vorlauter Kollege aus dem Bauch raus agiert, ist eine schematisc­he Umkehrung der Geschlecht­erklischee­s, die zu einer allzu zaghaften Ironisieru­ng maskuliner Allüren führt.

Schlimmer jedoch als das unbeholfen­e Ringen um feministis­che Correctnes­s wiegt in „Men in Black: Internatio­nal“der abgrundtie­f einfallslo­se Plot. Ein außerirdis­ches Bösewichtw­esen, das menschlich­e Körper infiltrier­t, ist auf der Jagd nach einer alles vernichten­den Superwaffe. Hat man so etwas schon einmal gesehen? Tausend Mal. Mindestens. Genauso wie die müden Effekte, die mit Laser-Licht-Hokuspokus ihr langweilig­es Zerstörung­swerk verrichten. Die Konkurrenz ist groß – aber „Men in Black: Internatio­nal“hat gute Chancen als überflüssi­gstes Relaunch in die Filmgeschi­chte dieses Jahrzehnts einzugehen.

Men in Black: Internatio­nal, GB/USA 2019 – Regie: F. Gray Gray, mit Chris Hemsworth, Tessa Thompson, Liam Neeson, 114 Min. Bewertung:

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FOTO: DPA Bloß weg: Tessa Thompson und Chris Hemsworth auf der Flucht.

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