EU zeigt Härte gegenüber Johnson
Brexit-Hardliner Boris Johnson soll am Mittwoch neuer britischer Premierminister werden. Seine Pläne für den geplanten Austritt Großbritanniens stoßen in der EU auf Kritik.
LONDON (ap/dpa) Nach seinem innerparteilichen Sieg über Außenminister Jeremy Hunt will der künftige britische Premierminister Boris Johnson seine umstrittenen Brexit-Pläne durchsetzen und die Spaltung des Landes überwinden. Seine Ziele seien nun, den EU-Austritt zu vollziehen, das Land zu vereinen und Oppositionschef Jeremy Corbyn zu besiegen, sagte der neue Chef der britischen Konservativen nach seiner Wahl. Johnsons Sieg macht es wahrscheinlicher, dass Großbritannien die EU am 31. Oktober ohne Abkommen verlässt.
Johnson hatte sich in der Abstimmung innerhalb der Konservativen Partei mit 66,4 Prozent der Stimmen gegen Hunt durchgesetzt. Labour-Chef Corbyn forderte Neuwahlen. Die britische Königin Elizabeth II. ernennt Johnson am Mittwoch zum Premierminister. Es ist unklar, ob er in dieser Position einen Ausweg aus der festgefahrenen Situation beim britischen EU-Austritt finden kann.
Brexit-Chefunterhändler Michel Barnier stellte klar, dass die EU die von Johnson geforderte Neuverhandlung des Austrittsabkommens ablehnt. Er schrieb auf Twitter: „Wir freuen uns darauf, mit Boris Johnson nach seiner Amtsübernahme konstruktiv zusammenzuarbeiten, um die Ratifizierung des Austrittsabkommens zu erleichtern und um einen geregelten Brexit zu gewährleisten.“Möglich sind nach Barniers Worten nur Änderungen an der politischen Erklärung zu den künftigen Beziehungen. Bundeskanzlerin Angela Merkel und die anderen Staatsund Regierungschefs hatten wiederholt deutlich gemacht, dass es kein anderes als das mit May ausgehandelte Austrittsabkommen geben wird. Johnson lehnt das Abkommen allerdings vehement ab, weil er es als „Instrument der Einkerkerung“Großbritanniens in Zollunion und Binnenmarkt sieht.
Die deutsche Wirtschaft warnte Johnson vor einem ungeordneten Brexit. „Drohungen aus London, ungeordnet aus der EU auszuscheiden, sind schädlich und kommen wie ein Bumerang zurück“, sagte Joachim Lang, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Industrie. „Sie verstärken die bereits eingetretenen Schäden in der Wirtschaft.“ Eric Schweitzer, Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, sagte, der Brexit sei bereits jetzt eine große Belastung für die deutsche Wirtschaft.
Johnson bekam Glückwünsche von Verbündeten wie Gegnern. „Ich gratuliere Boris Johnson und freue mich auf eine gute Zusammenarbeit. Unsere Länder soll auch in Zukunft eine enge Freundschaft verbinden“, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel nach Angaben der stellvertretenden Regierungssprecherin Ulrike Demmer. US-Präsident Donald Trump gratulierte per Twitter: „Glückwunsch an Boris Johnson, dass er neuer Premierminister des Vereinigten Königreichs geworden ist“, schrieb Trump und fügte hinzu: „Er wird großartig sein!“Auch EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker ließ ausrichten, er wolle mit dem nächsten Premierminister so gut wie möglich zusammenarbeiten. Junckers Nachfolgerin Ursula von der Leyen sagte vor einem Treffen mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron in Paris, sie freue sich auf eine gute Arbeitsbeziehung mit Johnson.
Mitten in der Tankerkrise meldete sich auch Irans Außenminister Mohammed Dschawad Sarif. „Ich gratuliere meinem früheren Gegenüber Boris Johnson, dass er Premierminister des Vereinigten Königreiches geworden ist“, twitterte Sarif. Johnson war von Juli 2016 bis Juli 2018 Außenminister. Sarif kritisierte gleichzeitig das Vorgehen der britischen Regierung gegen einen Supertanker mit Öl aus dem Iran. „Die Beschlagnahme von iranischem Öl durch die May-Regierung auf Geheiß der USA ist Piraterie.“