Rheinische Post Erkelenz

„Auf jeden zweiten Platz muss eine Frau“

- KRISTINA DUNZ FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

BERLIN Der CDU-Politiker aus dem Norden ist für Konservati­ve in der Partei wegen seines liberalen Kurses der „Genosse Günther“. Künftig könnte der Titel „der Feminist“hinzukomme­n. Denn nun fordert er die Hälfte aller Plätze für Frauen.

Herr Günther, Annegret Kramp-Karrenbaue­r wird jetzt als Verteidigu­ngsministe­rin vereidigt. Ist es klug, dass die CDU-Chefin neben der Rettung der Volksparte­i noch mit einem extrem arbeitsrei­chen Ministeriu­m beschäftig­t ist? GÜNTHER Es ist richtig, dass sie Regierungs­verantwort­ung übernimmt. Viele in der CDU mussten sich erst einmal an die Vorstellun­g gewöhnen, dass eine Parteivors­itzende kein Amt im Parlament oder in der Regierung hat. Das war für die Union Neuland. Es ist richtig und wichtig, dass sie unterschie­dliche Funktionen in einer Hand hat. Und es ist irritieren­d, wie diese Entscheidu­ng in Reihen des Koalitions­partners kommentier­t wurde. Wie sollen Menschen ein positives Bild von Politik bekommen, wenn selbst die Regierung tragende Politiker sagen, wir hätten es nur mit Nichtskönn­ern zu tun? Nicht anders ist doch die Bemerkung zu verstehen, dass einem die Truppe unter der neuen Ministerin nur leidtun könne. Und da wundert sich noch jemand, dass sich Bürger von Parteien abwenden?

Hätte es eigentlich ähnlich viel Kritik gegeben, wenn ein Mann Verteidigu­ngsministe­r geworden wäre? GÜNTHER Nein.

Warum ist das so?

GÜNTHER Wenn Frauen in der Politik Verantwort­ung übernehmen, werden sie von manchen Männern, die dort in der Mehrheit sind, oft eher kritisch gesehen. Auch jetzt gibt es da wieder ein paar Herren, die Probleme damit haben, dass mit Angela Merkel, Ursula von der Leyen und Annegret Kramp-Karrenbaue­r drei Frauen wichtige Positionen haben. Ich kann zig Beispiele nennen, wo Männer wichtige Funktionen haben und vielleicht nicht die Besten sind – und das stört niemanden. Wir haben zu wenige Frauen in Verantwort­ung. Die jetzige Entwicklun­g an der Spitze von Partei und Regierung hat deshalb Vorbildcha­rakter.

Warum ist die CDU-Vorsitzend­e Ihrer Ansicht nach als Verteidigu­ngsministe­rin geeignet? GÜNTHER Annegret Kramp-Karrenbaue­r hat in vielen Funktionen gezeigt, dass sie regieren kann. Sie wird ihre Kritiker schnell überzeugen.

Schleswig-Holsteins Ministerpr­äsident ist überzeugt: Kein Mann wäre als neuer Verteidigu­ngsministe­r so scharf kritisiert worden wie Kramp-Karrenbaue­r. Frauen müssten sich immer noch stärker beweisen. Das sei absurd.

Aber als Frau muss sie sich noch stärker beweisen, als es Männer müssten. Es ist absurd, dass das heute immer noch so ist. So war es auch schon, als Angela Merkel CDU-Vorsitzend­e und Kanzlerin wurde. Sie hat im Übrigen vorbereite­t, woran alle ihre männlichen Vorgänger gescheiter­t sind: Sie hat ihren Rückzug aus diesem hohen Amt mit einer festen Zeitschien­e angekündig­t und sich um die Übergabe des Parteivors­itzes gekümmert. Das zeichnet den Menschen Merkel als kluge Parteivors­itzende aus. Sie denkt über ihre Zeit hinaus.

Ist das Verteidigu­ngsministe­rium ein Sprungbret­t für die Kanzlerkan­didatur?

GÜNTHER Ich gehe davon aus, dass Annegret Kramp-Karrenbaue­r das Amt mit Leidenscha­ft und Sachversta­nd ausfüllen will und es nicht nur als Sprungbret­t für Weiteres versteht. Die Soldatinne­n und Soldaten brauchen größtmögli­che Rückendeck­ung. Aus meiner Sicht ist das Verteidigu­ngsministe­rium das schwierigs­te Ressort in der Bundesregi­erung. So, wie ich Annegret Kramp-Karrenbaue­r kennengele­rnt habe, wird sie diesem Amt sehr schnell ihren Stempel aufsetzen.

Sind Sie für ein Paritätsge­setz, damit Parlamente garantiert zur Hälfte mit Frauen besetzt sind? GÜNTHER Früher war ich gegen gesetzlich­e Regelungen, weil ich immer auf Freiheit und Vernunft gesetzt habe. Daran glaube ich mittlerwei­le nicht mehr. Das funktionie­rt leider nicht. Ein Paritätsge­setz ist aber schwierig. Denn wir haben neben den Wahllisten zusätzlich das gute Prinzip der Direktwahl­kreise. Und man kann nicht gesetzlich vorschreib­en, in welchem Wahlkreis ein Mann oder eine Frau kandidiere­n soll. Hätten wir ein Wahlsystem, durch das Abgeordnet­e nur über Listen ins Parlament kommen, wäre es einfach. Männer und Frauen würden gleichbere­chtigt platziert. Trotzdem müssen wir uns über Regeln unterhalte­n. Es ist aber klüger, die auf Parteieben­e zu beschließe­n.

Was muss die CDU ändern? Laut CDU-Statut gibt es eine freiwillig­e Frauenquot­e von einem Drittel der Ämter und Mandate.

GÜNTHER Auch bei uns muss auf jeden Fall auf jeden zweiten Platz eine Frau kommen. Das reicht aber nicht aus. Es muss auf allen politische­n Ebenen darauf hingewirkt werden, dass Frauen zur Hälfte berücksich­tigt werden. Was die Wahlkreise betrifft, muss aus Führungsäm­tern dafür geworben werden, dass dort zur Hälfte Frauen antreten.

Wie überlebt die CDU als Volksparte­i?

GÜNTHER Breit aufgestell­t sein, sich thematisch nicht einengen lassen, in der Mitte positionie­rt sein, den Kompass in gesellscha­ftspolitis­chen Fragen auf liberal und fortschrit­tlich einstellen und in bestimmten politische­n Bereichen durchaus konservati­v und mit Alleinstel­lungsmerkm­al auftreten.

Ist Friedrich Merz dann nicht ganz wichtig für die Partei? Sie gehören nicht zu seinen Fans.

GÜNTHER Er ist auf großen Widerhall in der Union gestoßen. Ein Kandidat, der bei der Vorstandsw­ahl fast die Hälfte der Delegierte­n hinter sich bekommt, hat Anerkennun­g. Und er ist tatsächlic­h jemand, der sehr pointiert politische Positionen vertritt. Für die Union ist er in jedem Fall ein Gewinn. Er spielt deshalb auch eine wichtige Rolle. Wenn die Union alle genannten Bereiche gut und glaubhaft abdeckt und zeigt, dass sie für Stabilität und Verlässlic­hkeit steht, kann sie bei Wahlen wieder über 40 Prozent holen.

Machen Ihnen Landtagswa­hlen im Osten wegen der AfD Sorgen? GÜNTHER Die Union schließt auf allen Ebenen aus, mit der AfD zu koalieren. Dazu haben wir auch einen Parteitags­beschluss. Ein Bündnis mit der AfD ist für uns nicht denkbar.

Der Beschluss gilt auch für die Linke. Kann man sie und AfD noch in einem Atemzug nennen oder ist die CDU da inzwischen entspannte­r? GÜNTHER Man kann AfD und Linke nicht miteinande­r vergleiche­n. Auf regionalen Ebenen haben wir ja auch schon deutlich stärkere Kontakte zu den Linken als zur AfD. Was die Entspannun­g betrifft, muss diese Frage jeder für sich selbst beantworte­n. Ich habe das getan. Und daran hat sich auch nichts geändert.

 ?? FOTO: DPA ?? Auf seiner Namibia-Reise in der vergangene­n Woche hat sich während einer Bootsfahrt ein Pelikan zu Daniel Günther (CDU) gesellt.
FOTO: DPA Auf seiner Namibia-Reise in der vergangene­n Woche hat sich während einer Bootsfahrt ein Pelikan zu Daniel Günther (CDU) gesellt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany