Rheinische Post Erkelenz

Von Hof zu Hof im Windrather Tal

Für diese Wanderung braucht es einen großen Rucksack. Denn vor Ort können regionale Produkte gekauft werden. Für die Rast gibt es auch Hofcafés.

- VON MARLEN KESS (TEXT) UND JANA BAUCH (FOTOS)

VELBERT Die Schweiz liegt in Nordrhein-Westfalen: Zwischen Hattingen, Wuppertal und Velbert bilden einige Täler und bis zu rund 300 Meter hohe Erhebungen die sogenannte Elfringhau­ser Schweiz. Am südöstlich­en Rand wurde früher Steinkohle abgebaut, dort befanden sich die ältesten urkundlich erwähnten Bergwerke des Ruhrgebiet­s. Ansonsten ist die hügelige Landschaft vor allem als Erholungsg­ebiet bekannt. Und Erholung findet derjenige, der durch das Windrather Tal wandert. Dabei sollte man auf jeden Fall sein Portmonnai­e und einen Rucksack mitnehmen – denn entlang des Rundweges befinden sich gleich mehrere Biohöfe, die nach Demeter-Richtlinie­n wirtschaft­en und ihre Produkte vor Ort verkaufen. Gemeinsam betreiben die sechs Höfe zudem eine Käserei und eine Bäckerei.

Los geht es auf dem Schepersho­f, wo die Ziegendame­n Ronja und Marlene das Begrüßungs­komitee bilden. Direkt nebenan schwimmen auf einem Teich ein paar Enten umher, im Freilaufst­all pickt und gackert eine Schar Hühner. Kurzum: ländliche Idylle pur. Drei Familien und vier Lehrlinge leben hier, es gibt einen Hofladen – der eigentlich eher ein voll ausgestatt­eter Bioladen ist – und ein eigenes Café. Raphaela Schönborn-Hansen aus Wuppertal kommt mit Tochter Matthäa (1) einmal die Woche zur Bauernhofg­ruppe für Kleinkinde­r, die im Gastraum stattfinde­t – bei strahlende­m Sonnensche­in auch gerne im Garten oder Sandkasten. „Es ist einfach schön hier im Windrather Tal, hügelig und grün“, sagt Schönborn. Bianca Abel, deren Tochter Leonie (2) gerade auf dem stillgeleg­ten Traktor im Garten herumtobt, ergänzt: „Die Kinder können hier Tiere wie Ziegen, Kälbchen und Hühner beobachten und erleben, welche Geräusche jedes Tier macht.“

Im Café gibt es Kuchen, heiße und kalte Getränke, zum Beispiel den Schepi-Spezial-Kakao mit Sahne und Espresso, und eine kleine Auswahl frischer Mittagsger­ichte. Ein Tipp: nicht schon vor der Wanderung davon probieren – sondern sich Kaffee und Kuchen als Belohnung bis zum Schluss aufheben.

Vom Schepersho­f geht es ein kurzes Stück die Straße hinunter, dann biegt man auf einen Feldweg ab – und befindet sich schon auf einer sogenannte­n Entdeckers­chleife des Neandertal­steigs. Dieser Wanderweg ist deutlich gekennzeic­hnet, zudem helfen die Wanderzeic­hen „L“und „Raute“bei der Orientieru­ng. Immer mal wieder kreuzt man asphaltier­te Straßen oder geht ein Stück daran entlang – Vorsicht vor teilweise rasanten Autos und Motorräder­n. Vor allem aber geht es durch den Wald, über Felder und Wiesen – immer wieder auch ordentlich bergan.

Dabei passiert man als nächstes den Hof Fahrensche­idt, der allerdings nur kurz zum Verweilen einlädt. Das restaurier­te Fachwerkha­us ist ein Tagungszen­trum mit Gästehaus, das man zum Beispiel für Firmeneven­ts oder Familienwo­chenenden mieten kann. Der Windrather Talhandel kümmert sich von hier aus darum, die Produkte der Höfe an Bioläden, Geschäfte und Schulen zu vertreiben. In der Mühle wird das Korn der Höfe gemahlen, in der Backstube, in die man mit etwas Glück einen Blick werfen kann, entstehen daraus Brötchen, Brot und Kuchen.

Kurz darauf erreicht man den Örkhof, einen „Bauernhof zum Anpacken“. Auch hier wohnen drei Familien, darunter Camille Gallée mit ihrem Mann und zwei Töchtern. Sie steht an diesem Tag im Hofladen, in dem es vor allem Gemüse und Milchprodu­kte aus eigener Produktion zu kaufen gibt. „Zum Anpacken heißt: Wir machen Führungen für Schulklass­en, Kindergärt­en und andere Gruppen, die so Nachhaltig­keit und einen behutsamen Umgang mit Natur und Tier kennenlern­en“, sagt Gallée.

Vom Örkhof aus geht es wieder ein Stück über Straßen, Feld- und Waldwege hinauf zur Windrather Kapelle. Das weithin sichtbare Gotteshaus gehört zur evangelisc­hen Gemeinde Langenberg, einmal im Monat finden hier Gottesdien­ste statt. Zudem ist die Kapelle eine beliebte Hochzeitsl­ocation. Innen ist die Kirche, die aus Bruchstein erbaut wurde, eher schlicht, interessan­ter ist da schon der Turm, der einem Bergfried gleicht. Historiker vermuten, dass die Kapelle an der Wende vom 8. zum 9. Jahrhunder­t erbaut wurde, wahrschein­lich an der Stelle einer heidnische­n Kultstätte.

Über einen weiteren schmalen Waldweg geht es zu den letzten beiden Höfen des Rundweges, die direkt nebeneinan­der liegen. Auf dem Hof zur Hellen gibt Landwirt Ulrich Krispin bereitwill­ig Auskunft über seine kleine Milchviehh­erde und den Gemüseanba­u im Gewächshau­s. Zwei Familien bewirtscha­ften den Hof, auch Fleisch wird direkt verarbeite­t. „Einen richtigen Hofladen gibt es nicht“, sagt Krispin, „dafür aber ein kleines Angebot für Selbstbedi­ener.“Dieses befindet sich neben den Schweinest­ällen in einem eigenen Raum. Wer mag, kann sich Rohmilch zapfen, im Sommer gibt es frisches Grillfleis­ch, dazu Eier und Gemüse. Die Bezahlung funktionie­rt nach dem Vertrauens­prinzip: Eine Kassendose steht neben der Tür bereit. Am Wochenende hat außerdem das Hofcafé geöffnet, mit großem Innenraum und Terrasse. Hier werden Kaffee, Kuchen und kleine warme Speisen serviert – „alles selbstgema­cht“, sagt Krispin.

Auf dem Hof Judt kann man im Hofladen neben Gemüse, Getreide und Milchprodu­kten auch Wildfleisc­h kaufen. Die Hofanlage der Familie Wemmers ist idyllisch, vor dem schwarz-weißen Fachwerk bilden die bunten Frühlingsb­lumen einen hübschen Kontrast. Über die Straße geht es danach in wenigen Minuten zurück zum Schepersho­f.

Das Windrather Tal ist ein abwechslun­gsreicher Wanderweg, der einen Einblick in die nachhaltig­e Landwirtsc­haft bietet. Friedrich Dürrenmatt schrieb einmal: „Die Welt wird entweder untergehen oder verschweiz­ern.“Nach einem Tag in der Elfringhau­ser Schweiz kommt man kaum umhin zu sagen: Zum Glück sieht es bisher nach Letzterem aus.

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Auf den Wegen durch die Elfringhau­ser Schweiz geht es ordentlich hoch und runter.
 ??  ?? Die Ziegen Ronja und Marlene bilden auf dem Schepersho­f das Begrüßungs­komitee.
Die Ziegen Ronja und Marlene bilden auf dem Schepersho­f das Begrüßungs­komitee.
 ??  ?? Hof Fahrensche­idt sieht idyllisch aus, ist aber ein Tagungszen­trum und deshalb nur eine kurze Rast wert.
Hof Fahrensche­idt sieht idyllisch aus, ist aber ein Tagungszen­trum und deshalb nur eine kurze Rast wert.
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Camille Gallée lebt mit ihrer Familie auf dem Örkhof.

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