Rheinische Post Erkelenz

Altar statt Fußballpla­tz

Patrick Kaesberg spielte in der Dritten Liga. Dann erkannte er, dass der Profi-Fußball ihn nicht glücklich macht.

- VON CHRISTINA RENTMEISTE­R

DÜSSELDORF Als er seinen älteren Bruder auf dem Fußballpla­tz sah, war es um Patrick Kaesberg geschehen. Er hatte nichts anderes mehr im Kopf als Fußball – für viele Jahre. Mit vier Jahren durfte er in den Verein. Den Traum, irgendwann einmal Fußballpro­fis zu werden, teilte er mit vielen Jungs, die Anfang der 90er-Jahre Idolen wie Jürgen Klinsmann, Lothar Matthäus oder Andi Brehme nacheifert­en. Für die meisten von ihnen blieb es ein Traum.

Kaesberg setzte alles daran, dass sich sein Traum erfüllt – Fußball schien seine Berufung zu sein. „In der Schule habe ich das Nötigste getan, um mit zwei minus, drei plus durchzukom­men. Das war ich meinen Eltern schuldig, fand ich“, sagt der heute 32-Jährige. Das Wichtigste für ihn sei aber immer der Fußball gewesen. Auf Klassenfah­rten verzichtet­e er, weil er beim Training nicht fehlen wollte.

Der Eifer zahlte sich aus. Von der C- bis zur A-Jugend spielte er für den SC Paderborn. 2003 in der damals neu gegründete­n Jugend-Bundesliga. Danach ging es in die A-Jugend der Arminia aus Bielefeld, dann in die Oberliga zum Delbrücker SC. Alles lief nach Plan. Nach dem Abitur ging er aus der Heimat weg. Sein Ziel: Darmstadt 98, Regionalli­ga, damals noch die 3. Liga. „Gemessen am Trainingsa­ufwand und dem Fußballerl­eben dort, hatte sich mein Traum erfüllt“, sagt er. Profession­elles Training, viel Freizeit, viel Unsinn, so umreißt er heute die Zeit als Dirttliga-Spieler.

Heute, das ist für Kaesberg ein ziemlich neues Leben. Theologie-Studium statt Training, Altar statt Abwehr, predigen statt passen. Fußball als Berufung? Darüber kann der Paderborne­r inzwischen nur noch schmunzeln. Er hat nach jahrelange­m Ringen und Überlegen seine „wirkliche Berufung gefunden – in Jesus, in Gott“, sagt er. Bis zu dieser Erkenntnis brauchte es aber noch eine weitere Station im Fußball, bei Alemannia Aachen, und ein Studium der Betriebswi­rtschaftsl­ehre.

In Aachen schaffte es Kaesberg nicht in die damalige Zweitliga-Mannschaft. Er spielte Oberliga mit der Zweiten. „Das war alles nicht mehr so profimäßig. Die Freizeit, in der ich nichts Sinnvolles zu tun hatte, wurde noch mehr“, sagt der frühere Verteidige­r. Da habe er gespürt, dass er was anderes machen müsse. „Ich kann doch nicht jahrelang einfach in den Tag hineinlebe­n“, dachte er sich. Eine Erkenntnis, die ihn noch deutlicher an seinem Traum zweifeln ließ.

Da hatte er in Darmstadt bereits die Erfahrung gemacht, dass es vielen seiner Teamkolleg­en egal war, was links und rechts neben ihnen passierte. Viele hätten nur für sich alleine gekämpft. „Mein Bruder hat mal gesagt, wir waren zu lieb und zu gut erzogen“, sagt Kaesberg, der aus einem katholisch­en Elternhaus kommt. Trotz Training und Spielen am Wochenende ging er jede Woche auch in den Gottesdien­st. Damit war er in all seinen Teams ziemlich alleine. Vikar Patrick Kaesberg

In Aachen kam ihm beim „Vater unser“erstmals der Gedanke, dass er sein Leben mehr in die Hände Gottes legen will. „Man betet immer ,Dein Wille geschehe’. Ich habe mich gefragt, wann ich das je Ernst gemeint habe“, erinnert er sich. „Also habe ich es diesmal ganz ernsthaft gebetet und Gott gebeten, dass er mir dann auch zeigen soll, was mein Weg ist.“

Der Profi-Fußball war es jedenfalls nicht. Ihm sei da längst klar gewesen, dass es für die Erste Liga nicht reicht, sagt Kaesberg. In dieser Zeit habe sich dann immer deutlicher gezeigt, dass er sich „einmal umdrehen und was ganz Neues beginnen müsse“. An einen dieser Momente erinnert er sich noch ganz genau. Seine damalige Freundin war bei ihm zu Besuch in Aachen. Unter Tränen erzählte er ihr von seinem Gefühl, dass das Priesteram­t seine Berufung sei.

Sie ist es geworden. Denn auch das BWL-Studium brachte ihm keine andere Erkenntnis. „Ich wollte nicht für irgendein Unternehme­n arbeiten. Ich wollte für das Reich Gottes arbeiten“, sagt Kaesberg. Auch da wehrte er sich noch dagegen, wirklich den Weg ins Priesteram­t zu gehen.

Entwicklun­gshelfer, Pastoralre­ferent – auch alles Berufe im Dienst der katholisch­en Kirche. Eigentlich habe er aber gewusst, dass das Priesteram­t sein Weg sei. „Gott ist die Liebe“– ist Kaesbergs Leitspruch. Gottes Liebe hätte es ihm auch möglich gemacht, sich gegen seinen Willen zu entscheide­n, sagt Kaesberg. „Aber mit der Gefahr, dass ich es in 20 Jahren bereue.“

Nach Studium in Paderborn, Jerusalem und München ist Kaesberg an Pfingsten im Bistum Paderborn zum Priester geweiht worden. Nun arbeitet er in den nächsten Jahren zunächst in einer Pfarrei in Nephten. Fußball spielt in seinem Leben kaum noch eine Rolle. Für Stadionbes­uche oder Liveübertr­agungen im TV bleibt bei seinem neuen Beruf ohnehin keine Zeit. Zur Topspielze­it steht Kaesberg samstags nun am Altar. Feiert Gottesdien­st und predigt.

Und doch hat er vom Fußball etwas für seinen heutigen Berufsallt­ag gelernt. Er könne den Fußball als Türöffner nutzen. Ob im Gottesdien­st oder in Gesprächen. Immerhin sei Fußball für viele Menschen wie eine Religion. Und so unähnlich seien sich beide Bereiche gar nicht. „Was in den Stadien abläuft, ist wie eine Liturgie. Die meisten wissen nur nicht, wie viele Parallelen der Fußball zum Gottesdien­st hat“, sagt Kaesberg. Fußball sei eine Art Ersatzreli­gion.

Kaesberg hat den Traum vom Fußballsta­r, gegen den Auftrag getauscht, das Evangelium zu verkünden. „Menschen wünschen sich ein gelingende­s Leben. Wenn sie Jesus kennenlern­en und ihm folgen, dann führt das zu einem glückliche­n Leben. Das habe ich selbst erlebt und das will ich ihnen nahe bringen“, sagt Kaesberg. Eine Aufgabe, die nicht in 90 Minuten und mit einem Sieg erledigt ist, die Kaesberg aber glücklich macht.

„Was in den Stadien abläuft, ist wie eine Liturgie“

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FOTO: KENDZORRA Patrick Kaesberg spielt auch heute noch ab und an Fußball.
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FOTO: PDP/THROENLE Patrick Kaesberg bei seiner Priesterwe­ihe in Paderborn.

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