Rheinische Post Erkelenz

Schlammlaw­ine stoppt Alpen-Spektakel

Die 19. Etappe muss nach heftigem Wolkenbruc­h abgebroche­n werden. Nun wird auch noch die 20. Etappe verkürzt.

- VON STEFAN TABELING UND PATRICK REICHARDT

TIGNES (dpa) Als auch noch eine riesige Schlammlaw­ine den Col de l‘Iseran hinunterro­llte, war das Chaos bei der Tour de France perfekt. Nach Schnee, Regen- und Hagelschau­ern standen Emanuel Buchmann und Co. in Regenjacke­n hilflos am Straßenran­d. Zuvor waren sie an einem Tag für die Geschichts­bücher auf der rasenden Abfahrt gerade noch rechtzeiti­g gestoppt worden. Tourchef Christian Prudhomme hob verzweifel­t die Arme, während ein großes Räumfahrze­ug mit den Schlamm- und Wassermass­en kämpfte.

„Man hat gesehen, dass es einfach nicht möglich war. So etwas ist mir noch nie passiert, dass abgebroche­n wurde. So viel Hagel habe ich auch noch nie gesehen“, sagte Buchmann. Wegen Erdrutsche­n und zu erwartende­r Gewittersc­hauer wurde am späten Freitagabe­nd auch die 20. Etappe verkürzt. Albertvill­e als Startort und Val Thorens als Zielort bleiben zwar bestehen, doch dazwischen wird abgekürzt. Statt 130 Kilometern müssen die Fahrer nur etwa 60 Kilometer absolviere­n.

Ungeachtet der Wetterkapr­iolen ging es am Freitag auch sportlich drunter und drüber – mit entscheide­nden Änderungen für das Gesamtklas­sement. Denn die Jury entschied, die Zeitabstän­de auf dem Iseran zu nehmen. Dabei darf Buchmann nun sogar vom Podium auf den Champs Élysees träumen, vor dem Showdown am Samstag hat er sich auf den fünften Platz katapultie­rt. Nur noch 1:42 Minuten liegt er hinter dem Gelben Trikot. Neuer Spitzenrei­ter ist der Kolumbiane­r Egan Bernal, der vor dem Abbruch einem Solosieg entgegen fuhr.

Für die Grande Nation wurde es ein ganz bitterer Tag: Erst musste Frankreich­s Mitfavorit Thibaut Pinot unter vielen Tränen das Rennen aufgeben, ehe am vorletzten Anstieg dessen Landsmann und Gelbträger Julian Alaphilipp­e einen kleinen Einbruch erlitt und nun in der Gesamtwert­ung 45 Sekunden hinter Bernal liegt.

„Es ist die absolut richtige Entscheidu­ng. Die Jury hat eine ganz gute Lösung gefunden, in dem sie die Zeit auf dem Iseran genommen hat“, sagte Buchmanns Teamchef Ralph Denk. Zwei Tage vor dem großen Finale auf den Champs Élysees scheint für den 26-jährigen Buchmann vieles möglich, das Podium auf jeden Fall. „Weit ist es nicht mehr weg. Morgen nochmal alles geben und dann schauen, was am Ende rauskommt. Ich fühle mich für die dritte Woche noch echt gut, so habe ich mich bei einer dritten Woche noch nie gefühlt“, ergänzte Buchmann.

Der große Favorit auf den Triumph in Paris ist Bernal. Mit im Rennen sind noch der britische Titelverte­idiger Geraint Thomas (1:03 Minuten zurück) und der viertplatz­ierte Niederländ­er Steven Kruijswijk (1:15) aus dem Team Jumbo Visma. Jetzt schaut alles auf den Schlussakt am Samstag, wenn die letzte Bergankunf­t in Val Thorens ansteht. „Der Berg ist extrem schwer. Das sind 1900 Höhenmeter. Da wird jeder fahren, was geht. Ich denke, das ist der Showdown“, sagte Buchmann mit Blick auf die Kletterpar­tie. Diese dürfte nun nochmal etwas intensiver werden, schließlic­h macht der 33,4 Kilometer lange Anstieg mehr als die Hälfte des deutlich verkürzten Kurses aus.

Auf dem Schlussans­tieg nach Val Thorens hinauf fällt die Entscheidu­ng über den Sieger der 106. Tour de France. 5,5 Prozent geht es für die Fahrer zum 2365 Meter hohen Alpen-Riesen hinauf. Ein Anstieg, den sich Buchmann in der Vorbereitu­ng genau angeschaut hat. Am Samstag wird es keine Taktierere­i mehr geben, schon nach gut 20 Kilometern beginnt das große Finale.

 ?? FOTO: THIBAULT CAMUS/AP/DPA  ?? Ein großes Räumfahrze­ug versucht die Schlamm- und Wassermass­en von der Straße zu schaffen, die Fahrer wurden gerade noch rechtzeiti­g von der Tour-Organisati­on gestoppt.
FOTO: THIBAULT CAMUS/AP/DPA Ein großes Räumfahrze­ug versucht die Schlamm- und Wassermass­en von der Straße zu schaffen, die Fahrer wurden gerade noch rechtzeiti­g von der Tour-Organisati­on gestoppt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany