BUND fordert Schutz grüner Vorgärten
Die Stadt soll verbieten, Gründflächen in Schottergärten zu verwandeln. Das fordert der Bund für Umwelt- und Naturschutz. Es geht um Schaden für Fauna und Flora, aber auch um die Folgen von Starkregen und Hitzewellen.
MÖNCHENGLADBACH Über die Schönheit von Kies- und Splitflächen lässt sich streiten. Doch dass sogenannte Schottergärten keine angemessenen Lebensräume für Pflanzen und Tiere bieten und daher keine wünschenswerte Gestaltungsweise für Vorgärten sind, ist für die Mönchengladbacher Sektion des Bundes für Umwelt- und Naturschutz (BUND) sonnenklar. Darum hat er sich jetzt mit einem Bürgerantrag an den Oberbürgermeister gewandt: Der Stadtrat möge Hausbesitzern per Satzung verordnen, dass sie bestehende, klassisch mit Erde und Grün angelegte Vorgärten als gärtnerisch gestaltete Fläche erhalten müssen. Will heißen: Plattieren, asphaltieren, zubetonieren oder mit Schotter, Kies oder Splitt bedecken wäre dann verboten.
Die Umweltschützer haben dabei nicht nur den Erhalt der Lebensgrundlagen von Insekten, Würmern, Vögel und Bienen im Blick. „Bei den immer häufiger auftretenden Starkregenfällen verschwindet das anfallende Wasser schnell in der Kanalisation oder sucht sich seinen Weg in unsere Keller und Tiefgaragen. Vegetation dagegen hält es auf und die Feuchtigkeit im Erdreich fest“, sagen die Umweltschützer. Und: „Wenn die Pflanzen das Wasser dann über die Blätter verdunsten, sorgt dies für angenehme Kühlung und führt zu einer Verbesserung des kleinräumigen Stadtklimas.“Denn Hitzewellen heizen die Stadt umso stärker auf, desto mehr Beton- und Steinflächen sie hat.
Fans von Schottergärten dürften im Stadtrat nur wenige – wenn überhaupt – zu finden sein. Dennoch sind die Grünen und die Linke dort mit Anträgen gescheitert, mit denen sie dem Trend zum Schottergarten Einhalt gebieten wollten. In neuere Bebauungspläne arbeite die Stadt bereits entsprechende Regelungen ein, sagt die Stadt. Wo es diese Festsetzungen nicht gebe, fehle ihr die Rechtsgrundlage, gegen Schottergärten einzuschreiten. „Die rechtlichen Möglichkeiten, die wir haben, nutzen wir heute schon aus“, versicherte Stadtdirektor Gregor Bonin im März im Stadtrat. Ob im Geltungsbereich der neueren Bebauungspläne auch wirklich keine Schottergärten angelegt werden, werde bei der Abnahme eines Baus überprüft, erklärte
Bonin auf eine Frage des
Linken-Fraktionschefs
Torben
Schultz. Und schloss mit einem nicht vollständig beendeten Satz:
„Ob illegale Umnutzungen passieren im Nachhinein in den Folgejahren...“Torben Schultz bezweifelt, dass die Stadt tatsächlich bei der Bauabnahme darauf schaue, ob die Grundstücksfläche vor einem Haus nicht doch versiegelt wurde. Er kenne zwei Beispiele von neuen Häusern in Hardt und Venn, wo das offenbar nicht der Fall gewesen sei, sagt Schultz.
Eine von der Stadt zu erlassende Satzung, die den Erhalt bestehender grüner Vorgärten vorschreibt, wäre nach Ansicht des BUND eine geeignete rechtliche Grundlage. Schließlich gebe es ja auch schon eine Satzung zum Schutz des Baumbestandes. Eine weitere zum Erhalt des Vorgartenbestands hätte auch eine großflächige Wirkung, findet BUND-Vorstandsmitglied Peter Dönicke. „Bei der Vielzahl an Gärten, die wir noch haben, liegt hier ein großes Potenzial.“
Die Debatte ist nicht nur eine juristische, sondern auch eine politische. Geht es doch um die Frage: Setzt man auf Zwang oder auf Einsicht und Freiwilligkeit? Der BUND
fordert in seinem Bürgerantrag zwar auch Aufklärung und finanzielle Anreize für Bürger, einen Schottergarten wieder in eine Grünfläche zu verwandeln. Doch er sagt auch: „Die Lebenserfahrung zeigt, dass hier einer verpflichtenden Regelung der Vorrang zu geben ist vor Angeboten, die auf Freiwilligkeit setzen.“
SPD-Fraktionschef Felix Heinrichs hingegen hielt in der März-Sitzung des Rates ein Plädoyer dafür, nicht „mit dem Hammer“zu kommen, sondern auf die Einsichtsfähigkeit der Hauseigentümer zu setzen. Überdies habe die Stadt ja schon beschlossen, für 2019 und 2020 jeweils 150.000 Euro bereitzustellen, mit denen Maßnahmen für eine bessere Stadtökologie gefördert werden sollen. Das betreffe dann nicht allein Schottergärten, sondern beispielsweise auch Dachbegrünungen. Ein fertiges Konzept, das in Frage kommende Maßnahmen und Fördermodalitäten benennt, liegt freilich bis dato nicht vor. „Das ist noch in Arbeit“, erklärte die Stadt auf Anfrage unserer Redaktion.
In der Tat sind Schottergärten Teil eines größeren ökologischen Problems: Immer mehr Flächen werden für Siedlung, Gewerbegebiete und Straßen beansprucht. Umfasste die Siedlungs- und Verkehrsfläche in Mönchengladbach im Jahr 1994 noch 7125 Hektar, waren es 2015 bereits 8421 Hektar – knapp die Hälfte des gesamten Stadtgebiets. Der Zuwachs um 1296 Hektar entspricht einem Quadrat, das sich ungefähr zwischen den Eckpunkten Gladbacher Hauptbahnhof, Gracht in Rheydt, Ruckes und Niersübergang der Korschenbroicher Straße aufspannt. Etwa die Hälfte eines als Siedlungs- und Verkehrsfläche eingestuften Gebietes wird laut Landesumweltministerium im allgemeinen versiegelt – etwa durch Gebäude, Asphalt oder Pflasterungen. Ein exaktes Kataster versiegelter Flächen gibt es für Mönchengladbach nicht. Für ganz NRW hat der statistische Landesdienst IT.NRW jedoch berechnet: 2001 waren 9,81 Prozent der Fläche Nordrhein-Westfalens versiegelt. Bis 2015 ist dieser Wert auf 10,52 Prozent gestiegen. Den Flächenverbrauch erheblich einzudämmen, gelingt seit Jahrzehnten nicht. 1961 waren noch 14,6 Prozent von NRW Siedlungsund Verkehrsfläche, 34 Jahre später waren es schon mehr als 21 Prozent, bilanzierte der Landesentwicklungsplan des Jahres 1995. Weiter hieß es damals: Die „Sicherung unverbauten und unversiegelten Raumes“sei Voraussetzung für den Erhalt der „natürlichen Lebensgrundlagen“und daher „eine unverzichtbare landesplanerische Aufgabe“. Lange Zeit verfolgte das Land daher das Ziel, den täglichen Verbrauch für Siedlungs- und Verkehrszwecke von rund zehn Hektar auf fünf zu drücken. Ohne Erfolg.
2019 – bei einer Verkehrs- und Siedlungsfläche von mehr als 23 Prozent – hat die Landesregierung in einem neuem Landesentwicklungsplan das Fünf-HektarZiel gestrichen. Begründung aus dem Landeswirtschaftsministerium: Kommunen erhielten so „mehr Spielraum, damit sie leichter Flächen für Firmenansiedlungen und -erweiterungen sowie für den Wohnungsbau ausweisen können“.