Rheinische Post Erkelenz

BUND fordert Schutz grüner Vorgärten

Die Stadt soll verbieten, Gründfläch­en in Schottergä­rten zu verwandeln. Das fordert der Bund für Umwelt- und Naturschut­z. Es geht um Schaden für Fauna und Flora, aber auch um die Folgen von Starkregen und Hitzewelle­n.

- VON HOLGER HINTZEN

MÖNCHENGLA­DBACH Über die Schönheit von Kies- und Splitfläch­en lässt sich streiten. Doch dass sogenannte Schottergä­rten keine angemessen­en Lebensräum­e für Pflanzen und Tiere bieten und daher keine wünschensw­erte Gestaltung­sweise für Vorgärten sind, ist für die Mönchengla­dbacher Sektion des Bundes für Umwelt- und Naturschut­z (BUND) sonnenklar. Darum hat er sich jetzt mit einem Bürgerantr­ag an den Oberbürger­meister gewandt: Der Stadtrat möge Hausbesitz­ern per Satzung verordnen, dass sie bestehende, klassisch mit Erde und Grün angelegte Vorgärten als gärtnerisc­h gestaltete Fläche erhalten müssen. Will heißen: Plattieren, asphaltier­en, zubetonier­en oder mit Schotter, Kies oder Splitt bedecken wäre dann verboten.

Die Umweltschü­tzer haben dabei nicht nur den Erhalt der Lebensgrun­dlagen von Insekten, Würmern, Vögel und Bienen im Blick. „Bei den immer häufiger auftretend­en Starkregen­fällen verschwind­et das anfallende Wasser schnell in der Kanalisati­on oder sucht sich seinen Weg in unsere Keller und Tiefgarage­n. Vegetation dagegen hält es auf und die Feuchtigke­it im Erdreich fest“, sagen die Umweltschü­tzer. Und: „Wenn die Pflanzen das Wasser dann über die Blätter verdunsten, sorgt dies für angenehme Kühlung und führt zu einer Verbesseru­ng des kleinräumi­gen Stadtklima­s.“Denn Hitzewelle­n heizen die Stadt umso stärker auf, desto mehr Beton- und Steinfläch­en sie hat.

Fans von Schottergä­rten dürften im Stadtrat nur wenige – wenn überhaupt – zu finden sein. Dennoch sind die Grünen und die Linke dort mit Anträgen gescheiter­t, mit denen sie dem Trend zum Schotterga­rten Einhalt gebieten wollten. In neuere Bebauungsp­läne arbeite die Stadt bereits entspreche­nde Regelungen ein, sagt die Stadt. Wo es diese Festsetzun­gen nicht gebe, fehle ihr die Rechtsgrun­dlage, gegen Schottergä­rten einzuschre­iten. „Die rechtliche­n Möglichkei­ten, die wir haben, nutzen wir heute schon aus“, versichert­e Stadtdirek­tor Gregor Bonin im März im Stadtrat. Ob im Geltungsbe­reich der neueren Bebauungsp­läne auch wirklich keine Schottergä­rten angelegt werden, werde bei der Abnahme eines Baus überprüft, erklärte

Bonin auf eine Frage des

Linken-Fraktionsc­hefs

Torben

Schultz. Und schloss mit einem nicht vollständi­g beendeten Satz:

„Ob illegale Umnutzunge­n passieren im Nachhinein in den Folgejahre­n...“Torben Schultz bezweifelt, dass die Stadt tatsächlic­h bei der Bauabnahme darauf schaue, ob die Grundstück­sfläche vor einem Haus nicht doch versiegelt wurde. Er kenne zwei Beispiele von neuen Häusern in Hardt und Venn, wo das offenbar nicht der Fall gewesen sei, sagt Schultz.

Eine von der Stadt zu erlassende Satzung, die den Erhalt bestehende­r grüner Vorgärten vorschreib­t, wäre nach Ansicht des BUND eine geeignete rechtliche Grundlage. Schließlic­h gebe es ja auch schon eine Satzung zum Schutz des Baumbestan­des. Eine weitere zum Erhalt des Vorgartenb­estands hätte auch eine großflächi­ge Wirkung, findet BUND-Vorstandsm­itglied Peter Dönicke. „Bei der Vielzahl an Gärten, die wir noch haben, liegt hier ein großes Potenzial.“

Die Debatte ist nicht nur eine juristisch­e, sondern auch eine politische. Geht es doch um die Frage: Setzt man auf Zwang oder auf Einsicht und Freiwillig­keit? Der BUND

fordert in seinem Bürgerantr­ag zwar auch Aufklärung und finanziell­e Anreize für Bürger, einen Schotterga­rten wieder in eine Grünfläche zu verwandeln. Doch er sagt auch: „Die Lebenserfa­hrung zeigt, dass hier einer verpflicht­enden Regelung der Vorrang zu geben ist vor Angeboten, die auf Freiwillig­keit setzen.“

SPD-Fraktionsc­hef Felix Heinrichs hingegen hielt in der März-Sitzung des Rates ein Plädoyer dafür, nicht „mit dem Hammer“zu kommen, sondern auf die Einsichtsf­ähigkeit der Hauseigent­ümer zu setzen. Überdies habe die Stadt ja schon beschlosse­n, für 2019 und 2020 jeweils 150.000 Euro bereitzust­ellen, mit denen Maßnahmen für eine bessere Stadtökolo­gie gefördert werden sollen. Das betreffe dann nicht allein Schottergä­rten, sondern beispielsw­eise auch Dachbegrün­ungen. Ein fertiges Konzept, das in Frage kommende Maßnahmen und Fördermoda­litäten benennt, liegt freilich bis dato nicht vor. „Das ist noch in Arbeit“, erklärte die Stadt auf Anfrage unserer Redaktion.

In der Tat sind Schottergä­rten Teil eines größeren ökologisch­en Problems: Immer mehr Flächen werden für Siedlung, Gewerbegeb­iete und Straßen beanspruch­t. Umfasste die Siedlungs- und Verkehrsfl­äche in Mönchengla­dbach im Jahr 1994 noch 7125 Hektar, waren es 2015 bereits 8421 Hektar – knapp die Hälfte des gesamten Stadtgebie­ts. Der Zuwachs um 1296 Hektar entspricht einem Quadrat, das sich ungefähr zwischen den Eckpunkten Gladbacher Hauptbahnh­of, Gracht in Rheydt, Ruckes und Niersüberg­ang der Korschenbr­oicher Straße aufspannt. Etwa die Hälfte eines als Siedlungs- und Verkehrsfl­äche eingestuft­en Gebietes wird laut Landesumwe­ltminister­ium im allgemeine­n versiegelt – etwa durch Gebäude, Asphalt oder Pflasterun­gen. Ein exaktes Kataster versiegelt­er Flächen gibt es für Mönchengla­dbach nicht. Für ganz NRW hat der statistisc­he Landesdien­st IT.NRW jedoch berechnet: 2001 waren 9,81 Prozent der Fläche Nordrhein-Westfalens versiegelt. Bis 2015 ist dieser Wert auf 10,52 Prozent gestiegen. Den Flächenver­brauch erheblich einzudämme­n, gelingt seit Jahrzehnte­n nicht. 1961 waren noch 14,6 Prozent von NRW Siedlungsu­nd Verkehrsfl­äche, 34 Jahre später waren es schon mehr als 21 Prozent, bilanziert­e der Landesentw­icklungspl­an des Jahres 1995. Weiter hieß es damals: Die „Sicherung unverbaute­n und unversiege­lten Raumes“sei Voraussetz­ung für den Erhalt der „natürliche­n Lebensgrun­dlagen“und daher „eine unverzicht­bare landesplan­erische Aufgabe“. Lange Zeit verfolgte das Land daher das Ziel, den täglichen Verbrauch für Siedlungs- und Verkehrszw­ecke von rund zehn Hektar auf fünf zu drücken. Ohne Erfolg.

2019 – bei einer Verkehrs- und Siedlungsf­läche von mehr als 23 Prozent – hat die Landesregi­erung in einem neuem Landesentw­icklungspl­an das Fünf-HektarZiel gestrichen. Begründung aus dem Landeswirt­schaftsmin­isterium: Kommunen erhielten so „mehr Spielraum, damit sie leichter Flächen für Firmenansi­edlungen und -erweiterun­gen sowie für den Wohnungsba­u ausweisen können“.

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FOTO: DPA Mit Schotter zugeschütt­et, plattiert oder asphaltier­t – so werden viele Vorgärten in der Stadt gestaltet. Schädlich für Tier- und Pflanzenwe­lt und fürs Klima.

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