Retten, löschen, Tiere fangen
Oberbrandmeisterin Anja Wulf hat die Schlange gefangen, die in einem Kanal in Odenkirchen verschwand. Sie ist Mönchengladbachs erste Feuerwehrfrau.
MÖNCHENGLADBACH Eigentlich hatte Anja Wulf frei, als der Anruf von den Feuerwehrkollegen kam: „An der Kölner Straße ist eine Schlange im Abfluss einer Garage verschwunden“, lautete die Meldung. Anja Wulf fuhr sofort hin. Sie hat sich auf Tiere spezialisiert, die bei vielen Menschen Ekel hervorrufen: Reptilien und Spinnen. „Dabei mag ich die Viecher eigentlich gar nicht“, sagt sie und lacht.
Tiere einzufangen, gehört bei der Feuerwehr zu den Alltagsaufgaben. Und weil die Retter nicht nur Katzen und Hunde oder andere niedliche Kreaturen aus misslichen Lagen befreien, sollte sich einer bei der Mönchengladbacher Feuerwehr auch mit Schlangen und Spinnen auskennen, fand Anja Wulf. Denn: Pro Jahr rückt die Feuerwehr alleine fünf- bis zehnmal aus, um in der Stadt ausgebüxte Schlangen einzufangen.
Und so las sich die Oberbrandmeisterin ihr Wissen über die Tiere an und ließ sich in einer Reptilien-Zoohandlung anlernen. Wenn man sich mit etwas beschäftigt, vor dem man Angst hat, sei das wie eine Therapie, sagt Anja Wulf. „Ich hatte früher auch Höhenangst. Heute klettere ich von der Drehleiter auf den Balkon im fünften Obergeschoss, ohne darüber nachzudenken“, sagt sie. Auch die am Donnerstag eingefangene Schlange, eine Vierstreifennatter, hatte sich Anja Wulf ohne Scheu geschnappt. Den anderen Kollegen wäre das zu heikel gewesen. „Wenn es eine giftige Schlange gewesen wäre, hätte ich aber auch einen Experten aus Düsseldorf oder Krefeld hinzugezogen“, sagt die Oberbrandmeisterin. Sie hatte die Schlange vorher bestimmen können, weil Anwohner ein Foto von dem Tier gemacht hatten, bevor es in den Kanal abtauchte.
Anja Wulf ist seit 20 Jahren bei der Feuerwehr. Sie ist Mönchengladbachs erste Feuerwehrfrau. Damals war die die einzige Frau bei der Berufsfeuerwehr, heute sind es vier Kolleginnen. „Ich habe nach dem Abitur eine Ausbildung zur Speditionskauffrau gemacht und mit der Note drei abgeschlossen. Nebenher habe ich mich noch zur Rettungsassistentin ausbilden lassen. Da hatte ich eine Eins“, berichtet die heute 47-Jährige. Da sei die Jobwahl leicht gefallen. Zuerst war Anja Wulf bei der Feuerwehr auf dem Rettungswagen unterwegs, jetzt ist sie Oberbrandmeisterin.
Auf die Frage, wie es damals war als einzige Feuerwehrfrau unter lauter Männern, antwortet Anja Wulf schlicht: „Schön.“Und dann ergänzt sie: „Naja, wahrscheinlich haben die Kollegen schon gedacht, ich würde irgendwann mal sagen: ,Das mache ich nicht, ich bin ein Mädchen.’“Aber das hat Anja Wulf nie getan. „Das machen auch die anderen Frauen bei uns nicht. Es gibt keine Frauen-Feuer oder Frauen-Unfälle. Jeder muss alles machen.“
Beim Schlangen-Fang setzt die Feuerwehr aber auf Kenner. Anja Wulf kann mit der eingefangenen Vierstreifennatter umgehen. Sie hält die Schlange ganz locker in den Händen, und das Tier scheint sich wohl zu fühlen. „Es stinkt nicht“, sagt die Oberbrandmeisterin. „Wenn die Schlange Stress hätte, müsste man sich jetzt die Nase zuhalten. Dann geben sie so etwas wie einen Pups ab.“
Eine Schlange im Kanal, eine Spinne im Bananen-Karton eines Biosupermarktes. . . Anja Wulf hat schon alle möglichen Tiere eingefangen. „Wir hatten einmal einen Anruf, da sagte jemand: ,Bei uns vor dem Haus sitzt so ein komisches Wesen, das wie eine Katze faucht, sich wie ein Hund benimmt und einem Waschbären ähnelt.’“, erzählt die 47-Jährige. Es war ein kleiner kuscheliger Nasenbär. Er war aus einem Privathaus ausgebüxt und wurde in einen Zoo gebracht. „Und dann liefen einmal zwei Kamele, ein Esel und ein Pony am Fenster der Wache vorbei“, berichtet Anja Wulf. „Als wir das Leitstelle meldeten, wurden wir gefragt, was wir geraucht hätten.“Es stellte sich heraus, dass die Tiere aus einem Zoo weggelaufen waren. Auch in dem Fall verlief das Einfangen erfolgreich.