Deutschland baut immer noch zu wenig
Die Zahl der Baugenehmigungen ist nach Angaben des Statistischen Bundesamtes im ersten Halbjahr um mehr als zwei Prozent gesunken. Der Mangel an bezahlbaren Wohnungen in Ballungsräumen droht sich zu verschärfen.
FRANKFURT Die Bauzinsen sind in den vergangenen Wochen weiter gefallen. Vergleichsportale wie die Finanzberatung Max Herbst meldeten zuletzt für einen Hypothekenkredit von zehn Jahren Laufzeit einen durchschnittlichen Zinssatz von 0,73 Prozent. Vor einem Jahr zahlte man dafür noch 1,35 Prozent, vor zehn Jahren waren sogar 4,48 Prozent fällig.
Seit Wochen geht es also weiter abwärts mit den Zinsen. Aber das ist ja nicht das einzig ausschlaggebende Kriterium bei der Entscheidung, ob man ein Haus baut oder eine Wohnung kauft. Die andere Frage ist, ob die bau- oder kaufwilligen Bürger in Deutschland überhaupt eine Baugenehmigung erhalten. Vor allem in den Ballungsräumen wird das auf jeden Fall immer schwieriger. So meldete das Statistische Bundesamt am Donnerstag für das erste Halbjahr einen Rückgang der Baugenehmigungen um 2,3 Prozent auf 164.600 im Vergleich zum gleichen Vorjahreszeitraum. Berechnet man dabei nur die neu zu errichtenden Wohnungen, lag der Rückgang sogar bei 3,1 Prozent. Das heißt: Der Mangel an bezahlbarem Wohnraum vor allem in den großen Zentren, der seit geraumer Zeit beklagt wird, droht sich weiter zu verschärfen.
Ärgerlich für Bauwillige in Städten: Grundstücke werden oft von Spekulanten zurückgehalten. „Es ist im Moment in der Niedrigzinsphase sehr attraktiv, ein Grundstück zu halten, weil es Tag für Tag mehr Geld wert wird“, erklärt Markus Lehrmann, Hauptgeschäftsführer der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen. Da sei die Politik gefordert, die etwa durch eine andere Besteuerung Einfluss nehmen könnte: Bebaute Grundstücke müssten steuerlich entlastet werden, und baureife, unbebaute Grundstücke müssten eher mehr Steuern auslösen: „Das würde am Ende dazu führen, dass der Spekulationsgewinn sinkt und somit die Grundstücke an den Markt gehen.“Zudem könnte mehr Wohnraum durch Aufstockung auf Parkhäuser, Supermärkte oder Hochhäuser geschaffen werden, sagt Lehrmann. So sei der Bau von etwa 1,1 Millionen Wohnungen, die durchschnittlich 85 Quadratmeter groß seien, möglich. Die könnten dann als Eigentumsoder Mietwohnungen an den Markt gehen.
Die Zahlen des Statistischen Bundesamtes haben die Diskussion jedenfalls wieder befeuert. Der Rückgang der Genehmigungen vor allem bei Mehrfamilienhäusern sei alarmierend, sagte IG-Bau-Chef Robert Feiger. Teures Bauland mache den Bau bezahlbarer Wohnungen vielerorts unmöglich. Der Spitzenverband der Wohnungswirtschaft (GdW ) forderte steuerliche Anreize für den Wohnungsbau und eine bessere Planung der Städte und Kommunen. „Von den jährlich notwendigen neuen Wohnungen in Deutschland bleiben wir meilenweit entfernt“, sagte GdW-Präsident Axel Gedaschko.
Da sind die niedrigen Bauzinsen auch kein Trost. Dass es bei denen grundsätzlich abwärts geht, dafür ist die wirtschaftliche Lage verantwortlich. Wegen der weltweiten Konjunkturschwäche, ausgelöst auch durch die Handelskonflikte, fliehen die Anleger in vermeintlich sichere Papiere. Maßgeblich für die Bauzinsen ist die Rendite für die deutsche Bundesanleihe mit einer Laufzeit von zehn Jahren. Die notierte am Donnerstag bei knapp minus 0,67 Prozent – die Anleger zahlen dem Staat also noch Gebühren dafür, dass sie ihm Geld leihen. Inzwischen diskutiert man in der Branche sogar, ob auch Bauwillige bald keine Zinsen mehr zahlen müssen.
Das hätte er vor einem halben Jahr noch für undenkbar gehalten, sagt Finanzberater Herbst. Doch weil es inzwischen schon Angebote für einen Sollzins ab 0,11 Prozent bei zehn Jahren fest gebe, sei der Weg zu 0,00 Prozent nicht mehr weit: „Ich könnte mir vorstellen, dass die null Prozent bei zehnjährigen Volltilgerdarlehen erreicht werden, da dort viele billige Kundengelder verarbeitet werden können.“„Volltilger“– das sind Darlehen, die in einer bestimmten Laufzeit vollständig zurückgezahlt werden.