Engpass im Handgelenk
Das Karpaltunnelsyndrom führt zu Schmerzen und Taubheit in der Hand. Eine Studie zeigt, dass die Patienten auch ein erhöhtes Risiko für Herzprobleme haben.
DÜSSELDORF Etwa jeder zehnte Bundesbürger erkrankt in seinem Leben am Karpaltunnelsyndrom. Er leidet vor allem nachts unter Taubheit und heftigen Schmerzen an den Händen, was allein schon einen ziemlichen Leidensdruck verursacht. Doch laut einer aktuellen Studie muss er sogar mit einer Herzschwäche rechnen. Und die Aussichten auf eine Therapie sind mäßig.
Karpaltunnelsyndrom: Noch vor 20 Jahren wusste kaum jemand etwas mit diesem Begriff anzufangen. Doch mittlerweile wissen die meisten von dieser Verengung im Handgelenk, die so massiv auf einen Versorgungsnerv zu den Fingern drückt, dass diese schmerzhaft „einschlafen“, was wiederum – weil es vor allem nachts passiert – für massive Schlafstörungen sorgt. Patienten mit dem Syndrom fühlen sich daher oft ziemlich gerädert. Doch damit nicht genug: Auch die Aussichten für ihr Herz sind nicht gerade rosig.
Denn ein Forscherteam des Universitätsklinikums in Kopenhagen hat bei Durchsicht der Krankenakten von über 56.000 Karpaltunnel-Patienten festgestellt, dass sie in den zehn Jahren nach dem Eingriff auch eine um 50 Prozent erhöhte Quote von Herzinsuffizienzen entwickelten. Was konkret heißt: Wem nachts immer wieder die Hand einschläft, muss auch mehr als andere damit rechnen, dass seinem Herzen die Power ausgeht.
Die Verbindung zwischen Herzschwäche und Karpaltunnelsyndrom besteht laut Studienleiter Emil Fosbøl im so genannten TTR-Amyloid. Es handelt sich dabei um Proteine, die so ungünstig gefaltet sind, dass sie sich in bestimmten Organen ablagern und dadurch deren Funktion einschränken können. Man findet sie überdurchschnittlich oft im Herzmuskel von Herzinsuffizienzkranken – und bei Patienten mit Karpaltunnelsyndrom. Beide Erkrankungen haben also offenbar einen Zusammenhang mit den Problemproteinen, was die Vermutung nahelegt, dass sie auch beidseitig gehäuft auftreten könnten. Die Kopenhagener Studie hat dies nun bestätigt.
Für die mindestens 1,5 Millionen Karpaltunnel-Patienten hierzulande sind das nicht gerade beruhigende Nachrichten. Andererseits errechneten die dänischen Forscher, dass das konkrete Herzinsuffizienzrisiko für jeden Karpaltunnel-Patienten – trotz seiner erhöhten Anfälligkeit – immer noch deutlich unter sechs Prozent liegt. Panik ist also nicht angebracht.
Da bietet schon eher Anlass zur Sorge, dass man in der Therapie des Karpaltunnelsyndroms immer noch auf umstrittene Behandlungsmethoden setzt – wie etwa nächtliche Schienung des Handgelenks. Die Idee dahinter: das schmerzende Gelenk so zu fixieren, dass es nicht mehr in die schmerzhafte Abknickposition kommen kann, in die es vom Schläfer gerne gebracht wird. Doch eine Expertenkommission der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) bescheinigte der Schiene kürzlich: „Der Erfolg ist mäßig und die Akzeptanz bei den Patienten aufgrund des schlechten Schlafkomforts gering.“Immerhin scheint sie, so jedenfalls das Ergebnis einiger Studien, den ebenfalls weit verbreiteten Kortisonspritzen überlegen zu sein. Was aber letzten Endes nichts anderes heißt als: Die Schiene hilft wenig – und die Kortisoninjektion noch weniger.
Ein weiterer Behandlungsstandard besteht im Verabreichen entwässernder Medikamente, mit dem Ziel, das Gewebe im Handgelenk abzuschwellen und dadurch Druck vom eingeklemmten Nerv zu nehmen. Klingt logisch, bringt aber laut Studienlage ebenfalls nur wenig. Mit einer Ausnahme allerdings: der Schwangerschaft. In dieser Phase lagern Frauen tatsächlich mehr Wasser im Gewebe an, was auch ihr Risiko für ein Karpaltunnelsyndrom drastisch erhöht. Weswegen die Experten der DGN konstatieren, dass hier eine entwässernde Therapie „positiv wirken kann“.
Verlässlicher ist da schon die sogenannte physikalische Therapie, um mit gezielten Bewegungsübungen für eine Entlastung im Handgelenk zu sorgen, sowie die Operation, bei der das Bänderdach oberhalb des Karpaltunnels gespalten wird, um den Sehnen und Nerven darin mehr Platz zu verschaffen. Die Erfolgsaussichten beider Verfahren sind laut einer spanisch-amerikanischen Studie ähnlich groß. „Es wird zwar immer wieder postuliert, dass die OP zu besseren Therapieergebnissen führt“, betont der Studienleiter César Fernández von der Universität Rey Juan Carlos in Alcorcón, „doch im Vergleich zur manuellen Therapie schneidet sie nach unseren Erkenntnissen auch nicht besser ab.“
Selbst über einen längeren Zeitraum von einem Jahr zeigten beide eine ähnliche Wirksamkeit. Rund 70 bis 90 Prozent der Patienten sprechen positiv auf die beiden Therapieformen an.
Die Hartnäckigkeit der Erkrankung hat in den letzten Jahren dazu geführt, dass auch immer mehr alternative Heilverfahren gegen sie eingesetzt werden. Wie etwa Akupunktur, hoch dosiertes Vitamin B6 und Bestrahlungen mit Rotlichtlaser, doch die Belege für deren Wirksamkeit sind spärlich. Eine aktuelle Studie der medizinischen Universität von Teheran gibt Hinweise darauf, dass Ozon-Injektionen helfen könnten, weil sie entzündungshemmend und durchblutungsfördernd wirken. Doch es bedarf weiterer klinischer Tests, bis sich die vom Großstadtsmog bekannte Sauerstoffverbindung als Medikament gegen das Karpaltunnelsyndrom etabliert haben könnte.
Bis dahin sollte man am besten versuchen, es gar nicht erst so weit kommen zu lassen. Beispielsweise, wie man an der Universität Hongkong herausgefunden hat, mittels einer deutlichen Reduktion des Smartphone-Gebrauchs. Denn die lange und intensive Nutzung des Mobilfunkgerätes führt zum Abflachen jenes Nervenstrangs im Handgelenk, und das Risiko für Schmerzen und Taubheitsgefühlen in den Fingern steigt um mehr als 50 Prozent.
Wer also seinen Karpaltunnel schützen will, sollte immer mal wieder einen „Digital-Detox“einlegen und das Smartphone für ein paar Stunden zur Seite legen.
Die deutliche Reduzierung des Smartphone-Gebrauchs ist eine VorsorgeMöglichkeit