Fast 2000 Razzien gegen Clans in NRW
Seit mehr als drei Jahren gehen die NRW-Sicherheitsbehörden massiv gegen kriminelle Clans vor. Es gab Tausende Kontrollaktionen, Strafanzeigen und Sicherstellungen, wie eine Auswertung des Innenministeriums zeigt.
DÜSSELDORF Mit einer wohl beispiellosen Serie von Razzien gehen nordrhein-westfälische Sicherheitsbehörden seit mehr als drei Jahren gegen kriminelle arabische Familienclans vor. So gab es seit Juli 2018 landesweit insgesamt 1886 Kontrollaktionen der Polizei in dem Milieu, bei denen 4796 Objekte wie ShishaBars, Teestuben und Wettbüros von den Ermittlern durchsucht worden sind. Das geht aus einer Auswertung des NRW-Innenministeriums für unsere Redaktion hervor. „Vor vier Jahren haben wir ein ziemlich heißes Eisen angepackt, aber wir haben uns nicht die Finger verbrannt“, sagte Innenminister Herbert Reul (CDU).
Die Razzien sind Teil der sogenannten „Null-Toleranz-Strategie“des Landes gegen diese kriminellen Strukturen. Die meisten Durchsuchungen fanden in den nordrheinwestfälischen Clan-Hochburgen Essen, Duisburg und anderen Teilen des Ruhrgebiets statt. Seit Juli 2018 stellten die Fahnder bei den polizeilichen Maßnahmen gegen die Clankriminalität 2600 Strafanzeigen und 5176 Ordnungswidrigkeitsverfahren, es wurden 12.536 Verwarngelder ausgesprochen; es gab 754 freiheitsentziehende Maßnhahmen, und 2899 Gegenstände, darunter Bargeld, Drogen und Waffen, wurden sichergestellt. Hinzu kommen Maßnahmen anderer Behörden wie dem Zoll und den Ordnungsämtern, die 391 Objekte wie Shisha-Bars schließen ließen, 6035 Anzeigen und Verwarngelder stellten sowie 2100 Sicherstellungen machten.
Im vergangenen Jahr hat die Polizei 36 Haftbefehle gegen Clanmitglieder erwirkt. „Erst vor wenigen Tagen haben wir die Nummer Zwei eines kriminellen Clans verhaftet. Der Druck steigt; mancherorts gibt es schon keine Tumultlagen mehr, die Polizei wird wieder respektiert“, sagte Reul. „Die Bürger können sich wieder sicher fühlen“, so der Innenminister. Neben den Razzien laufen gegen die Clans in NRW Finanzermittlungen und Vermögensabschöpfungen: „2020 hatten wir fast 50 Verfahren mit Vermögensabschöpfung, fünfmal so viele wie 2017. Gesamtsicherungssumme: neun Millionen Euro“, betonte Reul.
In Berlin, wo die Polizei mit ähnlich massiven Clanstrukturen zu kämpfen hat, wird die Strategie der Polizei in Nordrhein-Westfalen genauestens beobachtet. „In NRW wird der gleiche harte, aber notwendige Kurs gegen die kriminellen Clans geführt wie in Berlin. Es ist gut, dass man mittlerweile behördenübergreifend agiert und selbst bei kleinsten Verstößen eine NullToleranz-Strategie gefahren wird“, sagte Clan-Experte Benjamin Jendro von der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Berlin. „Natürlich ist das sehr personalintensiv, aber diese Anstrengung ist alternativlos, und sie bringt Unruhe in die Szene. Familien wie die Al-Zeins in NRW oder die Remmos in Berlin sehen Deutschland als Beutegesellschaft und leben das anders als andere Bereiche der Organisierten Kriminalität öffentlich aus“, erklärte Jendro.
Der Al-Zein-Clan, der vor allem aus Leverkusen heraus operiert, soll schon seit mindestens zwei Jahrzehnten illegale Geschäfte wie Schutzgelderpressung und Sozialhilfebetrug betreiben. Vor wenigen Monaten gab es eine Razzia in einer Leverkusener Villa, in der Angehörige des Clans wohnten – und es zum
Teil bis heute tun sollen. Die Polizei hatte das Anwesen im Juni gestürmt und durchsucht, scharfe Schusswaffen und eine sechsstellige Summe Bargeld gefunden. Die Mitglieder des Clans wohnten in der Villa und bezogen gleichzeitig Sozialleistungen. „Man hat es jahrzehntelang verpasst, hier entsprechend gegenzusteuern. Dann braucht man sich auch nicht wundern, wenn sie nach eigenen Regeln leben“, sagte Jendro. „Es sind zwar nicht alle Familienmitglieder kriminell, aber bei den Al-Zeins ist der Clan ein in sich geschlossenes Bild, der im Libanon einst Schutz gegen Angriffe bot und heute in Deutschland als Nährboden für Straftaten fungiert“, so der ClanExperte, der zur Rolle der Frauen innerhalb des Clans eine deutliche Meinung hat: „Frauen werden in diesen Strukturen in erster Linie als Gebärmaschinen gesehen und bewusst von Bildung ferngehalten. Sie tolerieren die Straftaten ihrer Männer und Söhne aber auch oftmals und sagen ganz offen: Sozialhilfeleistungen sind unser Einkommen“, so Jendro.