Abgehängt bei der digitalen Bildung
Im OECD-Ländervergleich ist Deutschland in Sachen E-Learning weiter abgerutscht und liegt nur auf Platz 18 von 32 Ländern. Das zeigt eine neue Studie. In zu vielen Bereichen verharrt das Land im Mittelmaß und ist zu langsam.
ir zählen das dritte Schulahr im Zeichen der Pandemie. Der PräsenzunterWricht
läuft, aber er bleibt ein Wackelkandidat. Ein erneutes Lernen auf Distanz will die Politik um jeden Preis vermeiden. Zu Recht, denn die Pandemie hat Deutschlands eklatante Schwächen in der Digitalisierung und beim E-Learning offenbart. Vor allem während des ersten Lockdowns im Frühjahr 2020 verdiente Homeschooling vielerorts nicht den Begriff Unterricht.
Seither ist durchaus einiges passiert. Digitale Lernplattformen, Videokonferenzen und Online-Präsentationen sind an den meisten Schulen heute keine Fremdwörter mehr. Bund und Länder haben Geld in die Hand genommen, alle Beteiligten dazugelernt. Aber die Anstrengungen reichen längst nicht. Das offenbart eine Studie der Lernplattform Preply. Zum zweiten Mal nach 2020 hat sie die Voraussetzungen für erfolgreiches E-Learning und digitale Bildung in 32 OECD-Ländern untersucht. In diesen sogenannten E-Learning-Index fließen ganz verschiedene Kriterien ein. Dazu gehören etwa Zugänge zu Computern, die Anzahl der Fernstudiengänge, Ausgaben für Bildung, die Breitband- und mobile Internetgeschwindigkeit, aber auch der durchschnittliche Lohn für eine Nachhilfestunde. Das Ergebnis ist aus deutscher Sicht ernüchternd: Im Vergleich zu 2020 hat Deutschland demnach kaum in bessere Bedingungen für das Online-Lernen investiert. Im internationalen Vergleich rutscht es 2021 sogar ab von Rang 13 (2020) auf Rang 18.
Andere Länder haben dagegen deutliche Fortschritte erzielt. Auf dem ersten Platz liegt nun Dänemark, der Zweitplatzierte von 2020. Weitere europäische Nachbarn haben ebenfalls deutlich auf- und häufig überholt: So schob sich Großbritannien von Rang 16 auf Platz vier, Frankreich wanderte von Rang 14 auf Platz fünf, Polen von Platz 19 an die siebte Position.
Woran liegt das schlechte Abschneiden Deutschlands? Es ist weniger ein Totalausfall in einzelnen Bereichen als vielmehr die Summe zahlreicher mittelmäßiger Ergebnisse. Bei keinem der untersuchten Kriterien schneidet Deutschland extrem schlecht ab. Manches ist sogar deutlich besser geworden, zum Beispiel die Internetgeschwindigkeit. Vor rund einem Jahr war dies noch der große Schwachpunkt im E-Learning-Index von Preply. Damals galt das langsame Netz hierzulande als die größte Bremse für den digitalen Fortschritt. Die Geschwindigkeit ist nach Studienangaben sowohl im Breitband als auch mobil um jeweils mehr als 30 Megabit pro Sekunde (Mbit/s) schneller geworden. Mit 123 Mbit/s im Breitband-Internet hinkt Deutschland aber immer noch vielen Ländern hinterher. Mittelmaß eben.
Auch der Bevölkerungsanteil mit Computerzugang ist im Land von 93 auf 96 Prozent gestiegen. Hier kann Deutschland sogar mit Spitzenreiter Dänemark (95 Prozent) mithalten. Schaut man sich aber zum Beispiel den durchschnittlichen Stundenlohn eines Nachhilfelehrers an, liegt Deutschland mit 20 Euro pro Stunde weit oben – nur Dänemark, Norwegen die Schweiz und Luxemburg sind hier teurer. Auch die durchschnittlichen monatlichen Kosten für einen Breitband-Internetzugang sind in Deutschland mit 34 Euro recht hoch, immerhin 15 andere Länder sind hier zum Teil deutlich günstiger. Richtig gut aufgestellt ist Deutschland nur beim Angebot der Fernstudiengänge und der Anzahl der Studierenden.
Es hat also durchaus messbare Anstrengungen in Deutschland gegeben. Aber andere Länder haben schneller und auch effektiver auf die Anforderungen
der Digitalisierung reagiert. Bestes Beispiel für die deutsche Langsamkeit ist der „Digitalpakt Schule“, den die Bundesregierung im Jahr 2019 aufgelegt hat. 6,5 Milliarden Euro stellt der Bund hier mittlerweile bereit, inklusive dreier zusätzlich eingeführter Coronahilfen. Abgerufen sind davon laut Zahlen des Bundesministeriums für Bildung und Forschung gerade einmal 852 Millionen Euro. Beantragt und bewilligt, aber noch nicht abgerufen sind rund 1,4 Milliarden Euro (Stand 30. Juni 2021).
Zwei Drittel des Fördertopfes sind also noch ungenutzt und nicht einmal verplant. Nur die Coronahilfe II aus dem Sommer 2020 ist laut Bundesbildungsministerium nahezu ausgeschöpft worden. Von den bereitgestellten 500 Millionen Euro für Online-Lehrmaterial und mobile Endgeräte für Schüler sind 470 Millionen verwendet. Das hat sich auch im Distanz-Unterricht des zweiten Lockdowns positiv bemerkbar gemacht.
Geld ist also vorerst ausreichend vorhanden. Warum werden die Mittel nicht genutzt? Das Bundesbildungsministerium gibt in seinem Bildungsbericht „fortlaufende Einschränkungen aufgrund der Covid-19-Pandemie wie Verzögerungen bei Handwerks- beziehungsweise Installationsarbeiten oder Lieferengpässe bei IT-Beschaffungen“an. Dies stelle Länder und Schulträger weiterhin „vor große Herausforderungen bei der Umsetzung des Digitalpakts Schule”. Eine Umfrage des Deutschen Instituts für Urbanistik für die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW ) in 266 Kommunen und Landkreisen ergab außerdem: Mehr als die Hälfte (53 Prozent) zählten „personelle Engpässe in der Fachverwaltung” und ein „kompliziertes Antragsverfahren” zu den Hauptgründen für den schleppenden Mittelabfluss der Fördergelder aus dem Digitalpakt Schule. Für 50 Prozent der Kommunen zählen auch „Lieferengpässe für digitale Ausrüstung” dazu.
Die Finanzen sind also nicht Deutschlands Hauptproblem bei digitaler Bildung. Weniger Bürokratie, mehr Tempo – damit wäre schon viel gewonnen.
Weniger Bürokratie, mehr Tempo – damit wäre schon viel gewonnen