„Die Koalition wird am Ende klappen“
Der 43-jährige bisherige Generalsekretär soll künftig als Nachfolger von Norbert Walter-Borjans mit Saskia Esken die SPD in einer Doppelspitze führen. Ein Gespräch über Ehre, Verzicht und Ärger in Ampel-Runden.
Herr Klingbeil, Frau Esken und
Sie lieben Turnschuhe. Haben Sie Olaf Scholz schon mal öffentlich in Sneakern gesehen?
KLINGBEIL Nein, der mag auch keine weißen Sneaker, das hat er mir mal verraten. Das ist okay, jeder hat seinen Stil. Wir sind ein Team, mit ganz unterschiedlichen Stärken und Leidenschaften. Auch bei Schuhen.
Überwiegt die Freude, das schönste Amt neben Papst zu übernehmen, oder der Schmerz, als Soldatensohn nicht Verteidigungsminister zu werden?
KLINGBEIL Man wird in seinem Leben wahrscheinlich nur einmal gefragt, SPD-Vorsitzender zu werden. Ich habe mich mit Olaf Scholz, den beiden amtierenden Vorsitzenden, mit Rolf Mützenich, aber auch mit anderen beraten. Ich wollte keine unüberlegte Entscheidung treffen. Ich bin sehr glücklich mit diesem Schritt und freue mich auf den gemeinsamen Weg mit Saskia Esken. SPD-Vorsitzender zu werden, ist ein großes Privileg. Ich durfte in den letzten vier Jahren als Generalsekretär viele Steine in unserer Partei umdrehen und bin davon überzeugt, dass meine Arbeit hier noch nicht abgeschlossen ist. Jetzt geht es erst mal darum, den Koalitionsvertag zu verhandeln und Olaf Scholz Anfang Dezember zum Kanzler zu wählen. Was für mich allerdings klar ist: Die nächste Regierung muss sich sehr stark um das Wohl der Soldatinnen und Soldaten kümmern.
Sehen Sie sich als Brückenbauer zwischen Scholz und der Partei? KLINGBEIL Wir werden als Kanzlerpartei in eine sehr spannende Zeit kommen. Einer der Fehler nach dem Wahlsieg 1998 war, dass ein Parteivorsitzender Oskar Lafontaine sich darauf konzentriert hat, einem Kanzler Gerhard Schröder das Leben schwer zu machen. Diesen Fehler werden wir nicht wiederholen.
Wen wünschen Sie sich als Generalsekretär, oder wird es eine Frau? KLINGBEIL Saskia Esken und ich werden die Köpfe zusammenstecken und bereden, wie wir das Team an der gesamten Parteispitze aufstellen wollen. Da bitte ich noch um etwas Geduld. Ich habe übrigens als Generalsekretär zusammen mit Andrea Nahles durchgesetzt, dass das SPD-Präsidium quotiert ist – 50 zu 50. In meiner damaligen Bewerbungsrede hatte ich gefordert, dass die Partei jünger, bunter und weiblicher werden muss. Das sehen wir jetzt in unserer neuen Bundestagsfraktion. Das ist Ergebnis des Erneuerungsprozesses.
Dahinter gehen wir nicht zurück.
Kevin Kühnert und Sie verstehen sich gut. Werden Sie ihn fragen? KLINGBEIL Wir sind freundschaftlich verbunden. In der Sache sind wir manchmal durchaus anderer Ansicht, dennoch wollen wir beide den gleichen Politikstil in der Partei prägen. Aber nochmal: Entscheidungen werden auf der Strecke getroffen.
Die Grünen drohen in den Koalitionsverhandlungen mit Nachsitzen. Was läuft da schief?
KLINGBEIL Wir sind in den entscheidenden Tagen. Da sitzen 300 Fachpolitiker aus drei Parteien zusammen, die ihre Themenschwerpunkte durchboxen wollen. Es ist doch total normal, dass sich da auch mal etwas verhakt – und trotzdem: Es wird am Ende klappen. Heute Abend werden die Generalsekretäre 22 Papiere aus den Arbeitsgruppen auf den Tisch
bekommen. Und dann werden wir in der kommenden Woche auf einen sehr guten Entwurf für den Koalitionsvertrag gucken, der zeitnah fertig sein soll.
Die vierte Corona-Welle rollt. Kanzlerin Merkel ist extrem besorgt, von Olaf Scholz hört man bislang nichts. Setzt die SPD Machttaktik über Menschenleben, um die Ampel mit der FDP nicht zu gefährden?
KLINGBEIL Die drei Ampelparteien haben einen Gesetzentwurf vorgelegt, der morgen im Bundestag beraten und dann schnell entschieden wird. Ich bin sehr erschrocken, mit welcher Dreistigkeit die Union gerade einen überparteilichen Konsens aufbricht, der uns die letzten Jahre in der Pandemiebekämpfung ausgezeichnet hat. FDP und Grüne haben in der Opposition im Kampf gegen die Corona-Krise über viele Monate verantwortlicher gehandelt als Markus Söder dies in den vergangenen Tagen tut.
Wieso – die 3G-Regel für den Arbeitsplatz wird in Bayern eingeführt.
KLINGBEIL Markus Söder versucht, die Oppositionsführerrolle einzunehmen und klopft lautstarke Sprüche. Aber substanziell gehört, was ihm in Bayern eigentlich fehlt, um eine sinnvolle Corona-Politik zu machen, habe ich bisher nichts. Niemand – schon gar nicht die AmpelParteien – hindert Markus Söder daran, etwas gegen die enorm hohen Zahlen in Bayern zu tun oder die Impfquote zu steigern. Er hat da alle Möglichkeiten und könnte gleich im eigenen Kabinett anfangen. Wir haben einen Gesundheitsminister der Union, der noch geschäftsführend im Amt ist. Vielleicht sollten die beiden erstmal untereinander beraten. Ich empfinde Herrn Söder als destruktiv.