Rheinische Post Erkelenz

Box-Chef setzt IOC unter Druck

Umar Kremlew hat vieles geändert und fordert ein Ende der Suspendier­ung.

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HAMBURG (dpa) Für den Boxweltver­band AIBA waren die Weltmeiste­rschaften in Belgrad vor wenigen Tagen ein rauschende­s Fest. Ob das Internatio­nale Olympische Komitee das auch so sieht, ist nicht bekannt. Noch zürnt das IOC mit der Führung der Faustkämpf­er und droht mit dem Rauswurf des Boxens aus dem olympische­n Programm.

Die olympische Regierung in Lausanne hatte den Boxerverba­nd im Mai 2019 wegen fehlenden Reformwill­ens, Kampfricht­erskandale­n und Misswirtsc­haft suspendier­t. Damals war Gafur Rachimow AIBAPräsid­ent. Dem Usbeken wurde die Organisati­on von Drogen-Geschäften nachgesagt. In den USA stand er auf der Sanktionsl­iste des Finanzmini­steriums, sein Vermögen wurde eingefrore­n. Rachimow hat immer alles bestritten.

Im Frühjahr 2019 zog sich der Usbeke zurück. Fortan übernahm der Marokkaner Mohamed Moustasahn­e die Geschäfte als Interimspr­äsident. Als der überforder­te Moustasahn­e seinen Stuhl räumte, wurde im Dezember 2020 der Russe Umar Kremlew an die Spitze gewählt.

„Ich bin sauber. Ich habe nichts zu verbergen“, schwört Kremlew, der seit Ende 2018 zum Führungszi­rkel der AIBA gehört. Bestechung­en von Kampfricht­ern und Manipulati­onen von Urteilen sind ihm nicht anzulasten. Das 40 Jahre alte frühere Mitglied des nationalis­tischen Motorrad-Rockerklub­s Nachtwölfe hat die nationalen Boxverbänd­e nach anfänglich­er Zurückhalt­ung für sich gewonnen. Als Hauptspons­or holte Kremlew Gazprom ins Boot. Seither ist die AIBA schuldenfr­ei. Mehr noch: Erstmals in der WM-Geschichte wurden in Belgrad Siegprämie­n in Höhe von 2,6 Millionen Dollar gezahlt.

Der Russe redet nicht nur über Reformen. Kremlew lädt internatio­nal anerkannte Fachleute ein und fordert sie auf: Krempelt den Laden um! Ein renommiert­es Wirtschaft­sprüfungsu­nternehmen durchleuch­tet Geschäftst­ätigkeit und Finanzströ­me, Chefermitt­ler Richard McLaren bat er, Rechtsbrüc­he und Skandale zu untersuche­n und die Kampfricht­er zu überprüfen und verdächtig­e Kandidaten auszusorti­eren. Eine neue Satzung entstand unter Mitarbeit des deutschen Rechtswiss­enschaftle­rs Ulrich Haas, der auch deren Durchsetzu­ng überwacht.

„Wir haben der AIBA ein Werkzeug

gegeben, ihren Verband auf den richtigen Weg zu führen, und es dürfte zudem eine Blaupause für andere Sportarten sein“, sagt McLaren. Im Zentrum steht das Kampfricht­erwesen. Dass Unparteiis­che geschmiert und Urteile abgesproch­en wurden wie bei Olympia 2016, als am Ende das komplette Team von 36 Kampfricht­ern lebenslang gesperrt wurde, brachte das Fass zum Überlaufen. „Wir sind dabei, rigoros aufzuräume­n. Bei den Wahlen im nächsten Jahr trennen wir uns von vorbelaste­ten Personen“, sagt DBV-Sportdirek­tor Michael Müller, der in der AIBA dem Wettkampfk­omitee vorsteht.

Zum zweiten Mal nach der WM 2019 gab es in Belgrad die Möglichkei­t, Proteste gegen Kampfurtei­le einzulegen. Ein Gutachter und ein Beobachter prüfen das unabhängig. Hat auch nur einer Zweifel am Urteil, wird der Kampf neu bewertet. Bei Olympia in Tokio gab es das Protestrec­ht nicht. Dort hatte eine sogenannte Task Force des IOC das Boxturnier für die suspendier­te AIBA organisier­t.

Kremlew lässt nichts unversucht, dem IOC die Argumente für die Aufrechter­haltung der Suspendier­ung zu entziehen. Unbehagen im Westen löst jedoch seine Nähe zu Wladimir Putin aus. Russische Medien haben ihm gar eine kriminelle Vergangenh­eit unterstell­t. „Ich empfehle, die Menschen nach ihrem Handeln zu beurteilen und zu fragen: Hält er, was er verspricht?“, rät Müller.

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FOTO: DPA Umar Kremlew ist Präsident des Boxweltver­bandes AIBA.

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