Gladbach bleibt ein Zockerparadies
Die Stadt wollte die Zahl der Spielhallen deutlich reduzieren – von 77 auf 26. Wie es dazu kam, dass die jahrelange Arbeit eines vierköpfigen Teams im Ordnungsamt plötzlich vergeblich war.
MÖNCHENGLADBACH Auch wenn das Online-Glücksspiel boomt, in der analogen Welt scheint sich das Geschäft mit den einarmigen Banditen ebenso noch zu lohnen. Laut Landesfachstelle Glücksspielsucht betrug der Kasseninhalt von Spielautomaten in Mönchengladbacher Gaststätten in 2020 rund 4,3 Millionen Euro, in den Spielhallen waren es sogar 26,3 Millionen Euro. Das bringt der Stadt zwar Vergnügungssteuer ein, dennoch wollte sie den Bestand an Spielhallen deutlich reduzieren. Denn eine Zierde sind die „Zockerbuden“nicht.
Als am 1. Dezember 2012 der neue Glücksspielvertrag in Kraft trat, witterten viele Städte und Kommunen die Chance, die Zahl der Spielhallen eindämmen zu können. Denn nach einer Übergangsfrist von fünf Jahren mussten die Spielhallen-Betreiber zusätzlich zu der bisherigen gewerberechtlichen Erlaubnis auch eine glücksspielrechtliche Lizenz haben, um weiter im Glücksspielgeschäft zu bleiben. Die Lizenz sollte aber nur vergeben werden, wenn es in einem 350-Meter-Radius keine weitere Spielhalle gibt. Außerdem durften keine Kinder- und Jugendeinrichtungen in der Nähe sein.
In Mönchengladbach knubbelten sich jedoch bis zu zehn Hallen in einem 350-Meter-Radius. Zudem sollte das Aus für Mehrfachkonzessionen an einer Stelle durchgesetzt werden. Darunter sind Verbundspielhallen zu verstehen, also mehrere Spielhallen an einem Standort. In Stadt bedeutete dies: Von 77 Spielhallen dürfen nur noch 26 bleiben. Das heißt: 51 sollten geschlossen werden.
Vor knapp vier Monaten sollte dieser Prozess eigentlich abgeschlossen sein. Gekommen ist es völlig anders. Lediglich 20 Spielhallen haben aufgegeben oder sich der städtischen
Schließungsverfügung gebeugt. Die Gründe: klagefreudige Spielhallenbetreiber und eine neue gesetzliche Grundlage. Seit dem 1. Juli gelten ein neuer Glücksspielstaatsvertrag und ein neues NRW-Ausführungsgesetz, das vielen Spielhallen den Fortbestand ermöglicht. Die neue Landesregierung aus CDU und FDP ist zurückgerudert. Zwar gilt auf dem Papier weiterhin der Mindestabstand von 350 Metern, aber der lässt sich auf 100 Meter reduzieren, wenn einige leicht zu erfüllende Voraussetzungen eingehalten werden. Dazu zählen etwa Abstände der Spielgeräte, die Überprüfung der Auslage von Informationsmaterial über Spielsucht, die Schulung von Mitarbeitern und eine Zertifizierung, die bis Mitte 2022 beizubringen ist. Und: Die Mehrfach-Spielhallen
sind weiter zulässig. Sie dürfen bis 2028 bleiben, werden allerdings auf maximal drei reduziert.
Die Folgen für Mönchengladbach: Die mühsam ausgehandelten und durchgesetzten Schließungen sowie „Abschmelzungen“bei Verbundstandorten sind weitgehend hinfällig., die jahrelange Arbeit, die ein vierköpfiges Team im Ordnungsamt in das Thema gesteckt hat, ist mehr oder weniger umsonst gewesen. In Zahlen heißt das für Mönchengladbach: Zwölf Mehrfach-Standorte mit 29 Spielhallen können weiter existieren, erst in einigen Jahren wird wieder diskutiert, welche von ihnen keine Zukunft haben soll.
Zudem gibt es Prozesse vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf, die nun keinen Sinn mehr haben. In 40 Fällen hat das Ordnungsamt Mönchengladbach Klagen gegen seine Verfügungen für erledigt erklärt. Insgesamt sind im Bezirk des Verwaltungsgerichts, der vom Niederrhein (Mönchengladbach, Kreis Kleve) bis ins Bergische (Remscheid und Wuppertal) reicht, noch 32 Klagen von Spielhallenbetreibern anhängig. Aus Mönchengladbach kommt keine mehr.