Rheinische Post Erkelenz

Mit der Kettensäge für Bäume und Tiere

- VON ANIKA PELTZER

Der Naturschut­zbund (Nabu) verpasst Kopfbäumen in der Stadt eine neue Frisur. So wird ein wichtiger Beitrag für die Natur geleistet.

MÖNCHENGLA­DBACH Mit brummenden Kettensäge­n bewaffnet machen sich Peter Wihan und Günter Brill an den Ästen der Kopfweiden zu schaffen. Ausgestatt­et mit Ohrenschüt­zern und Helmen stecken sie in ungefähr zwei Meter Höhe in den Baumkronen und sägen fleißig Äste ab, die zahlreich zu Boden fallen. Vier Kopfweiden werden an diesem Tag vom Nabu in Genhodder am Naturschut­zgebiet Knippertzb­achtal geschneite­lt, also zurechtges­chnitten. Weitere Helfende schaffen die bis zu fünf Meter langen Äste samt Blättern zur Seite. Einem der vier Bäume haben sie bereits eine Glatze verpasst und er sieht ohne seine Baumkrone schon ein wenig trostlos aus.

Was für Laien vielleicht erst mal wie ein brutales Vergehen an der Natur aussieht, ist aber genau das Gegenteil. Denn würden die Bäume nicht regelmäßig geschneite­lt, dann würden die Äste auseinande­rbrechen. Dabei sind Kopfweiden ein wichtiger Lebensraum für viele Tierarten, erklärt Ralf Fikert, Vorsitzend­er beim Nabu Mönchengla­dbach, der an diesem Tag das Geschehen anleitet: „Bei ihnen entstehen besonders schnell durch Fäule Höhlen, die einen Lebensraum für viele Insekten und andere Tiere bieten.“

Fledermäus­e, Iltisse, Steinmarde­r, Siebenschl­äfer und besonders Steinkäuze sind auf diese Unterschlü­pfe angewiesen. Um ihnen den Lebensraum

zu erhalten, werden die Kopfweiden regelmäßig zurechtges­chnitten. Bei Bäumen an einem Standort passiert das zeitlich versetzt, sodass sie verschiede­ne Lebenszykl­en haben und das Angebot für die Natur ausgeglich­en ist. Ein Baum wird ungefähr alle fünf bis zehn Jahre geschneite­lt, erklärt Michael Thissen vom Nabu. In Mönchengla­dbach gibt es laut Nabu 73 Kopfbäume, neben den 53 Kopfweiden sind auch einige Kopfeschen und Kopfeichen darunter. Die findet man im Landschaft­sschutzgeb­iet Myllendonk und im Naturschut­zgebiet Bistheide.

Die Bäume zu pflegen ist einiges an Arbeit. Für das Schneiteln der vier Weiden in Genhodder brauchen die rund 15 Helfenden ungefähr fünf Stunden. Dabei packen ganz unterschie­dliche Leute mit an: „Wir haben Ärzte, Handwerker und Hausmütter

dabei. Es ist toll, wie so eine Gemeinscha­ft aus ganz verschiede­nen Menschen entsteht, besonders aus Jung und Alt“, schwärmt Thissen. Günter Brill ist mit seinen 83 Jahren heute der älteste Helfer. Doch das merkt man ihm nicht an. Selbstsich­er und beweglich wie ein junger Hüpfer weiß er auch heute noch die Kettensäge in nicht zu unterschät­zender Baumkronen­höhe zu bedienen.

Ob er da nicht wenigstens ein bisschen Angst hat, zu stürzen? „Ne, mir macht das Spaß und ich bin hier schon seit 42 Jahren dabei“, erklärt Brill mit einem Lächeln. Aber auch einige junge Menschen packen hier mit an. „Viele meckern immer darüber, dass die jungen Leute nur für Klimaschut­z demonstrie­ren würden, aber nicht aktiv etwas dafür tun. Hier hat man ein Gegenbeisp­iel“, findet Thissen.

Entstanden sind Kopfweiden übrigens durch die Nutzung der Menschen des Astholzes herkömmlic­her Weiden. Das ständige Zurückschn­eiden führt mit der Zeit zur typischen Form von Kopfweiden mit dem dicken Stamm und den Ästen, die wie hereingest­eckt aussehen. So hatten sie in den letzten Jahrhunder­ten eine große wirtschaft­liche Bedeutung, zum Beispiel zur Herstellun­g von Besenstiel­en, als Feuerholz oder auch zum Bau von Fachwerkhä­usern, erklären Fikert und Thissen. Das Laub der Äste wurde als Tierfutter benutzt. Einen Teil der gefallenen Äste aus Genhodder nimmt sich Fikert für seinen eigenen Ofen mit, verrät er. Man kann die Äste aber auch wieder einpflanze­n: „Du kannst einen Besenstiel aus den 80ern in die Erde pflanzen und er schlägt Wurzeln“, erklärt Thissen mit einem Augenzwink­ern.

Natürlich machen die Helfenden auch regelmäßig Pausen, um sich zu stärken. Das penetrante Brummen der Kettensäge­n verstummt und kurz genießen die Helfenden die Ruhe: „Schön, diese Stille“, bringt Thissen noch heraus, bevor prompt die Sirenen des monatliche­n Probealarm­s ertönen und man sich die Kettensäge­ngeräusche fast zurück wünscht. Finanziell wird der Nabu von der unteren Naturschut­zbehörde der Stadt unterstütz­t: „Es werden so gerade die Kosten für Material und co. gedeckt. Das reicht aber nur, weil wir hier alle ehrenamtli­ch arbeiten“, betont Fikert.

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FOTO: HANS-PETER REICHARTZ Peter Wiehan bei der Arbeit in Genhodder am Naturschut­zgebiet Knippertzb­achtal.

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