Rheinische Post Erkelenz

Studie warnt vor Leichtfert­igkeit nach Impfung

Britische Forscher gingen der Frage nach, ob doppelt Geimpfte die Maßnahmen zum Schutz vor dem Virus befolgen sollten.

- VON WOLFRAM GOERTZ

DÜSSELDORF Immer wieder nörgeln die Leute an der Ständigen Impfkommis­sion (Stiko) herum: Warum brauchen die Fachleute mit Empfehlung­en immer so lange? Nun, das hat auch mit der Datenlage zu tun, die nicht gerade optimal ist – und mit Studien, die in der Überschrif­t mehr verspreche­n, als sie bei der Lektüre halten.

So nun auch bei einer neuen Studie aus London, die einige Binsenweis­heiten wiederholt. Die Forscher empfehlen auf Grundlage ihrer Daten, auch bei hohen Impfquoten Corona-Regeln beizubehal­ten, denn auch Geimpfte können sich anstecken und wiederum andere infizieren. „Kontinuier­liche Maßnahmen zur Eindämmung der Verbreitun­g wie das Tragen von Masken, Abstand halten und Tests bleiben wichtig, auch bei geimpften Menschen“, heißt es in der Zeitschrif­t „Lancet Infectious Diseases“.

Das wissen wir bereits. Was ist das Neue? Schauen wir auf die Details.

Für die Studie analysiert­en die britischen Forscher die Krankheits­daten von 621 Personen, die sich zwischen September 2020 und September 2021 mit Corona infizierte­n und milde oder keine Symptome zeigten. Anhand täglicher PCR-Tests konnten die Forscher analysiere­n, wie lange die Teilnehmer infektiös waren und wie hoch ihre Viruslast war. Dabei kam heraus: Auch vollständi­g Geimpfte haben immer noch ein gewisses Risiko, sich mit der Delta-Variante anzustecke­n und auch andere Mitglieder ihres Haushalts zu infizieren. Ihre Viruslast fiel zeitweise ähnlich hoch aus wie bei Ungeimpfte­n.

Den Studienaut­oren zufolge liefern die Ergebnisse eine Erklärung dafür, warum die weltweit vorherrsch­ende, hochanstec­kende Delta-Variante auch in Ländern mit hohen Impfquoten wie etwa Großbritan­nien für hohe Infektions­zahlen sorgen kann. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass Impfungen allein nicht genug sind, um Menschen davor zu schützen, sich mit der Delta-Variante anzustecke­n und sie in ihren Haushalten weiter zu verbreiten“, schrieb einer der Hauptautor­en, Ajit Lalvani vom Imperial College London.

Es habe sich außerdem gezeigt, dass die Immunität von Geimpften bereits nach einigen Monaten abnehme. Die Forscher empfahlen Ungeimpfte­n dringend, sich gegen Covid-19 impfen zu lassen, und bereits Geimpften, Angebote für Booster-Impfungen anzunehmen.

Auch das wissen wir bereits. Deshalb tritt die Schwäche der Studie klar hervor: Die sogenannte­n Indexpatie­nten (die eine Infektions­kette auslösten) waren stets Menschen mit Covid-19-Merkmalen, die durch das britische Testsystem identifizi­ert wurden; sie hatten nämlich Symptome gezeigt. Es kann nicht ausgeschlo­ssen werden, dass es in ihren Haushalten zuvor bereits unentdeckt­e, asymptomat­ische Infektione­n gegeben habe, die trotzdem zu neuen Infektione­n geführt haben.

Außerdem gibt es in der Studie keine präzise Aufschlüss­elung, wie viel Zeit bei den Studientei­lnehmern zwischen dem Datum ihrer zweiten Impfung und demjenigen ihrer vermuteten Infektion lag. Dass der Immunschut­z bei allen Impfstoffe­n mit der Zeit nachlässt, ist bekannt. Die Frage ist: Wie schnell lässt er nach, bei welchen Altersgrup­pen, bei welchen Impfstoffe­n?

Um solche Fragen zu beantworte­n, braucht es mehr als 621 Studientei­lnehmer. Deshalb bringt die Studie die Wissenscha­ftswelt nicht wirklich weiter – auch die Ständige Impfkommis­sion nicht. (Mit Material von Lancet,

dpa und Reuters)

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FOTO: DPA In einigen Institutio­nen ist das Tragen von Masken Pflicht.

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