Diplomatie in der Sackgasse
ANALYSE Der Konflikt zwischen Russland und dem Westen um die Ukraine spitzt sich ungeachtet aller Anstrengungen der Politik immer weiter zu. Wie groß ist die Gefahr für einen Krieg? Drei Szenarien.
Krieg in Europa – zwei Flugstunden von der Hauptstadt entfernt. Lange schien das nicht vorstellbar, auch wenn die Annexion der Krim durch Russland schon 2014 einen Vorgeschmack bot. Doch nun spitzt sich der Konflikt zwischen Russland und dem Westen um die Ukraine immer weiter zu – allen diplomatischen Bemühungen zum Trotz. Drei Szenarien sind nun denkbar.
Szenario eins: Russland überschreitet die Grenze
Die Kriegsgefahr ist hoch. In Nato-Kreisen wird die Zahl der von drei Seiten an die ukrainische Grenze herangeführten russischen Soldaten inzwischen mit mehr als 100.000 allein bei den Landstreitkräften angegeben. Zehntausende weitere kämen von Luftwaffe und Marine. Besondere Sorgen bereitet westlichen Nachrichtendiensten zufolge die Zusammensetzung der russischen Truppen. Sie umfassten inzwischen auch Feldlazarette, Munitionsdepots, Spezialisten für die elektronische Kampfführung und Militärpolizisten, wie sie bei einer Invasion auf gegnerisches Territorium nötig seien. Aus Sibirien kämen derzeit Kampftruppen nach Belarus, wo sie mit den weißrussischen Streitkräften angeblich eine Übung an der ukrainischen Grenze mit starken Panzerverbänden und großer Luftunterstützung vorbereiteten. Das Szenario der Übung bestehe bis ungefähr 10. Februar aus der Verteidigung gegen einen Angriff vom Westen und in den folgenden Tagen aus einem Gegenvorstoß auf feindliches Territorium. Der Übergang vom Manöver zum Krieg wäre damit ohne Vorwarnzeit zu befehlen.
In Militärkreisen in Brüssel wird damit gerechnet, dass Putin vor einem größeren Angriff die Zahl der Offensivkräfte auf 200.000 erhöht. Darauf deute auch die Inmarschsetzung von sechs Kriegsschiffen hin, die über das Mittelmeer das Schwarze Meer ansteuern und mit einer Landungsoperation der Ukraine den Zugang zur See versperren könnten. Für denkbar gehalten werden auch subversive Aktivitäten, deren Urheberschaft nur mit zeitlicher Verzögerung geklärt werden könnte. Dazu gehört das Lahmlegen von Kliniken oder „Zwischenfälle“bei der ukrainischen Energieversorgung. Ziel Putins könnte nicht die Einverleibung der gesamten Ukraine, sondern ein „RegimeChange“sein, also eine Ablösung der gewählten pro-europäischen Staatsvertreter durch pro-russische Kräfte. FDP-Fraktionsvize und Außenpolitiker Alexander Graf Lambsdorff warnte davor, die Gefahr eines Krieges zu unterschätzen: „Wir können nicht wissen, wie ernst Russland es meint mit seiner Aggression an der Grenze zur Ukraine. Den Aufmarsch als Bluff anzusehen, wäre aber leichtfertig, denn die Kriegsgefahr ist angesichts der Zahl der Truppen sehr real.“CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen sieht gleichfalls die Gefahr einer militärischen Eskalation. „Die Kriegsgefahr ist real. Keiner weiß wirklich, was Putin vorhat. Aber klar ist, was er will. Putin will den Status quo in Europa, wie er sich seit dem Ende des Kalten Krieges entwickelt hat, ändern.“Die Möglichkeit, Putin von einem Angriff auf die Ukraine abzuhalten, bestehe vor allem darin, dies „mit unkalkulierbar hohen Kosten“für Putin zu belegen, weil dies auch für seine Machtstellung in Russland eine Gefahr sein könnte.
„Den russischen Aufmarsch als Bluff anzusehen, wäre
leichtfertig“
Alexander Graf Lambsdorff
FPD-Außenpolitiker
Szenario zwei: Es bleibt bei Drohungen Bei einem EU-Außenministertreffen am Montag in Brüssel, zu dem sich auch der amerikanische Amtskollege Antony