Impfpflicht? Ein klares Jein
Selbst für besondere Berufsgruppen sollte die Maßnahme eine Ausnahme sein.
Jeder zehnte Deutsche hat sich inzwischen mit Sars-Cov-2 infiziert. Die Dunkelziffer wird aufgrund nicht erkannter oder nicht gemeldeter Infektionen weitaus höher liegen. Mit dem für Februar erwarteten Peak der Omikron-Welle wird sich auch ein Großteil der bisher Nichtinfizierten anstecken, unabhängig vom Impfstatus. Bis zum Sommer werden die meisten Deutschen zumindest eine Grundimmunisierung gegen das Virus besitzen. Das Vorherrschen einer weniger virulenten Mutante bei steigender Immunität kann für die Krankheit Covid-19 den Übergang von einer pandemischen zu einer endemischen Atemwegserkrankung einläuten. Solch ein Wechsel von Pandemie zu Endemie wurde bereits 1920 für die Spanische Grippe beobachtet.
Die Diskussion über eine bundesweite Impfpflicht kommt spät und ist kontrovers. Die bisher einzige übergreifende Impfpflicht diente dem Ausrotten der Pocken. Diese durch Tröpfchen übertragene Krankheit tötete im
20. Jahrhundert etwa 400 Millionen Menschen und hinterließ schwere gesundheitliche Schäden bei den Überlebenden. Die Pockenimpfung wurde in vielen Ländern Pflicht, bis die Pocken 1980 von der WHO für ausgerottet erklärt wurden. Die Pocken waren die einzige Infektionskrankheit, die jemals und dank einer stringenten Impfkampagne vernichtet werden konnte.
Selbst die ab März geltende Covid19-Impfpflicht im Gesundheits- und Pflegebereich ist erst die zweite generelle Pflichtimpfung für medizinisches Personal. Nur die durch impfskeptische Eltern verursachten gehäuften Masernausbrüche führten im März 2020 zu einer bundesweiten Impfpflicht für Personal in Gemeinschaftsoder Gesundheitseinrichtungen. Impfungen gegen Krankheiten wie Windpocken oder Influenza unterliegen hingegen einer Abwägung des Patientenkontakts. Die Einführung einer Impfpflicht selbst für spezifische Berufsgruppen ist somit eine Ausnahme, kein Regelfall. Sie benötigt nicht nur eine Risikobewertung, sondern im Fall von Covid-19 auch einen zeitlichen Rahmen, um anschließend neu bewertet zu werden.